Gastbeitrag
Überalterter Beamtenapparat und fehlende Rückstellungen

„Welche Vorteile gewährt die doppelte Buchführung dem Kaufmanne! Sie ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes und ein jeder guter Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einführen.“ Goethe, 1795, Wilhelm Meister Lehrjahre, 1. Buch, 10. Kapitel.

Was bereits Goethe wusste, kommt in weiten Teilen bei den Verantwortlichen in den Gebietskörperschaften erst langsam an. Die gelegentlich als „Karnevalistik“ verspottete Kameralistik wird zwar teilweise zu einer staatlichen Doppik erweitert, die prinzipiell der privatwirtschaftlichen Doppik folgt, dabei aber die Charakteristika der staatlichen Verwaltung berücksichtigen soll. So werden zwar teils Bilanzen erstellt – kassenwirksame, versicherungsmathematisch korrekte Rückstellungen für die eigenen Staatsdiener werden allerdings auf Landesebene nicht gebildet.

Die Lasten der Versorgungsausgaben

Dabei stehen die Landeshaushalte aufgrund der demografischen Alterung ihrer Beamten vor enormen Herausforderungen. Durch die Verdopplung der Zahl der Beamten in den 1970er und 1980er Jahren ist der finanzielle Spielraum der Länder heute eingeschränkt. Die hohen Versorgungsausgaben führen dazu, dass die finanziellen Mittel an anderer Stelle fehlen. Ob sich die Diskussionen um die Finanzierung eines günstigeren öffentlichen Nahverkehrs, Investitionen in Bildung und Forschung oder die öffentliche Sicherheit drehen: Dafür würden heute deutlich mehr Mittel zur Verfügung stehen, wären rechtzeitig entsprechende Rücklagen für die Beamtenversorgung gebildet worden.

Der Versuch von Versorgungsfonds

Zwar wurden auf Landesebene so genannte Versorgungsfonds eingerichtet, jedoch können weder deren Umfang noch ihre institutionelle Ausgestaltung überzeugen. Abbildung 1 zeigt, dass das Volumen der Versorgungsfonds der Länder – mit Ausnahme von Sachsen – lediglich ein bis zwei Jahre ausreichen würde, wenn die Versorgungsausgaben der jeweiligen Pensionäre nur durch diese finanziert werden sollten.

Im Hinblick auf die institutionelle Ausgestaltung haben die Länder verschiedene Wege eingeschlagen. Folgend werden einmal das Negativbeispiel Rheinland-Pfalz und einmal Sachsen als Vorbild vorgestellt.

Rheinland-Pfalz als Negativbeispiel

Das Land Rheinland-Pfalz gründete bereits im Jahr 1996 einen Fonds zur Finanzierung der Versorgungsausgaben. Die Zuführungen und die entstehenden Erträge aus der Kapitalanlage des Versorgungsfonds sollten für eine vollumfängliche Kapitaldeckung der zukünftigen Versorgungsleistungen zweckgebunden sein und ausschließlich durch Einsparungen im Landeshaushalt finanziert werden. Es kam allerdings anders. Durch die Investition in ausschließlich landeseigene Staatsanleihen wurden die Zuführungen ab dem Jahr 2006 als Darlehen des Landeshaushalts verbucht, was deren Kreditfinanzierung ermöglichte. Im Zuge der Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2010 wurde in der Landesverfassung festgelegt, dass durch das Neuverschuldungsverbot der Finanzierungssaldo des Kernhaushaltes nicht negativ sein darf. Um von dem Kernhaushalt zum strukturellen Haushalt zu gelangen, wurde der Finanzierungssaldo des Kernhaushaltes um den Saldo des Versorgungsfonds korrigiert. Vereinfacht ausgedrückt konnte das Land bei einem positiven Saldo des Versorgungsfonds Kredite in Höhe dieses Überschusses aufnehmen.

Sachsen als Vorbild?

So wies die Landesregierung in diesem Zuge Einzahlungen als Investitionen aus und konnte dadurch sowohl die Schuldenbremse umgehen als auch gleichzeitig eine hohe Investitionsquote ausweisen. Diese Systematik führte dazu, dass Zahlungen an die Pensionsfonds in gleicher Höhe als Kredit aufgenommen werden konnten und somit alle Auszahlungen des Pensionsfonds an den Kernhaushalt zu entsprechenden Tilgungsverpflichtungen führten. Dies wurde im Jahr 2014 vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz moniert. Zur Korrektur dieses Sachverhaltes wurde im Jahr 2014 das Landesgesetz für den Versorgungsfonds geändert, indem das Ziel der versicherungsmathematisch korrekten Kapitaldeckung abgeschafft wurde. Stattdessen sollten dem Versorgungsfonds jedes Jahr mindestens 70 Millionen Euro als Darlehen zugeführt werden. Allerdings entschied der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz im Jahr 2017, dass die Zuführungen an den Versorgungsfonds in Form von Darlehen und deren Finanzierung nicht kompatibel mit der Finanzverfassung seien und forderte den Landesgesetzgeber auf, den Versorgungsfonds aufzulösen oder anzupassen. Das Land Rheinland-Pfalz entschied daraufhin, den Versorgungsfonds aufzulösen.

Der bisherige Umgang mit Versorgungsfonds hat gezeigt, dass die Mittelentnahme nicht immer ausschließlich zur Finanzierung der Beamtenpensionen erfolgt. Diese Tatsache mag auf den ersten Blick verwundern, hat doch der Gesetzgeber, der die Pensionsfonds in Form eines Sondervermögens eingerichtet hat, eine Zweckbindungsklausel eingebaut, die dafür sorgen soll, dass Entnahmen nur dann gestattet werden, wenn sie zur Finanzierung der Versorgungsausgaben beitragen. Der Grund für die Umgehungsmöglichkeit liegt in der Ausgestaltung der Zweckbindungsklausel. Diese kann von den Landesparlamenten umgangen werden, indem sie die Errichtung des Pensionsfonds rückgängig machen, wodurch die Mittel wieder in den Haushalt zurückfließen. Nur bei einer Integration der Zweckbindungsklausel in die Finanzverfassung des Landes würde eine Auflösung durch das Parlament erschwert. Diesen Weg hat Sachsen im Jahr 2013 einschlagen: Nach Art. 95 Abs. 7 der Sächsischen Verfassung sollen die Versorgungsverpflichtungen für Beamte bereits während ihrer aktiven Phase geleistet werden. Dadurch hat sich Sachsen die juristisch haltbarste und somit auch glaubwürdigste Regelbindung geschaffen. Somit ist die sächsische Landesregierung auch aus polit-ökonomischer Perspektive vorbildlich. Dass diese Regelbindung funktioniert, zeigt sich auch am Umfang des sächsischen Pensionsfonds, der mit Abstand die höchsten Rücklagen pro aktiven Beamten aufweist. Der sächsische Generationenfonds

Die Verlockung das Sparbuch zu plündern

Die Anreizproblematik der derzeitigen institutionellen Ausgestaltung der Pensionsfonds besteht in den zu beobachtenden Rückgängen der Einzahlungen vor Landtagswahlen oder bei angespannten Haushaltslagen. Kulawik et al. (2017) konnten zeigen, dass die Zuführungen in Pensionsfonds während angespannter Haushaltslagen ebenso wie vor Landtagswahlen um bis zu 18 Prozent zurückgehen. Ein solcher Missbrauch wird dadurch möglich, dass die Beamten gegenüber dem Sondervermögen keinen individuellen Anspruch haben, wie dies beispielsweise bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist. Ohne personalisierte – im besten Fall verfassungsrechtlich geschützte – Versorgungskonten, können diskretionäre Spielräume für die Landesregierungen bei den Zahlungen an Pensionsfonds dafür ausgenutzt werden, kurzfristig die Haushalte zu entlasten – auf Kosten der zukünftigen Steuerzahler. Allerdings können nicht nur die eigentlich vorgesehenen laufenden Überweisungen an die Pensionsfonds anderweitig verwendet werden. Wie das Beispiel Rheinland-Pfalz zeigt, können die Pensionsfonds im Falle einer unzureichenden institutionellen Absicherung auch vollständig aufgelöst und theoretisch in einer Haushaltsperiode ausgegeben werden. Die entstehenden Anreize sind nicht zu unterschätzen, zumal eine Regelbindung schwer zu implementieren sein dürfte, da die Budgetaufstellung das höchste Recht eines jeden Parlaments ist.

Fazit

Insgesamt fällt der Blick auf die aktuellen Versorgungsrücklagen der Länder ernüchternd aus. Die Fehler in der Gestaltung der Pensionsfonds sollten auch für zukünftige Rücklagen vermieden werden. In der Diskussion um die Aktienrente wird ein wesentlicher Kritikpunkt oftmals übersehen: Das Fehlen der individuellen Zuordnung der Vermögenswerte. Im Gegensatz zu Schweden und den USA soll es keine individuellen Kontenführung geben. Wer jetzt denkt, dass man dem Staat doch mehr Vertrauen schenken sollte, kann die Diskussion über das Aussetzen von Einzahlungen in den Pflegevorsorgefonds nachlesen. Teilweise wird eine komplette Auflösung für heutige Finanzspritzen gefordert, obwohl die Kosten erst in den nächsten 30 Jahren massiv ansteigen werden.

Hinweis: Eine ausführlichere Diskussion über die Versorgungsfonds der Länder findet sich in der Reihe Argumente zu Marktwirtschaft und Politik der Stiftung Marktwirtschaft.

Literatur:

Kulawik, J., Rösel, F. und M. Thum (2017), Spare in der Zeit, so hast du… Geld im Wahljahr? Ein Überblick über die Beamten-Pensionsfonds der Länder, ifo Dresden berichtet, 24(4): 3-9.

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