Auch in diesem Wahlkampf wollen die meisten Parteien das Thema gesetzliche Rentenversicherung nur mit Samthandschuhen anfassen; notwendige Reformen für eine nachhaltige Finanzierung umgehen sie in großem Bogen. Und das Thema Beamtenpensionen findet in den Wahlprogrammen so gut wie keine Beachtung – von dem ewig wiederkehrenden Vorschlag, Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen zu lassen, einmal abgesehen.
Das mag verwundern, denn ausgerechnet zu diesem Bundestagswahlkampf treten mehr Beamte in den Ruhestand ein als jemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Da die Versorgungsausgaben aus den laufenden Haushalten von Bund und Ländern bezahlt werden, sind nur drei Reaktionen auf diese altersstrukturbedingten realen Mehrausgaben möglich: entweder müssen Steuern erhöht, Ausgaben gekürzt oder durch Schuldverschreibungen Lasten in die Zukunft verschoben werden. Allerdings sind diejenigen, die diese Steuern bezahlen, mit den niedrigeren Staatsausgaben leben oder die Schuldverschreibungen bedienen müssen, nicht diejenigen, die vom Vorteil öffentlicher Güter, welche durch einen funktionierenden Beamtenapparat bereitgestellt werden, profitieren. Aus diesem Grund ist die Beamtenversorgung nicht intergenerativ gerecht (=gleich), weil Finanzierung und Leistungserhalt auseinanderfallen.
Wenn man sich nun fragt, inwiefern vor allem die Länder die finanziellen Ressourcen mobilisieren, um den Pensionsverpflichtungen beizukommen, wird deutlich, dass die stark gesunkenen Zinsausgaben in den vergangenen Jahren die Versorgungsausgaben abfedern konnten – Geld, das den öffentlichen Haushalten ansonsten zur freien Verfügung gestanden hätte. Dabei nehmen die Versorgungsausgaben in Form von Ruhegehalt, Hinterbliebenenversorgung (Witwen- und Waisengeld) sowie der Leistungen zur Beihilfe bereits heute vor allem bei den alten Bundesländern einen enormen Anteil des Steueraufkommens ein. Beispielsweise geben Bremen und das Saarland knapp 20 Prozent der Steuereinnahmen nur für pensionierte Beamte aus.
Wie geht es weiter, angesichts der Tatsache, dass aufgrund des demografischen Wandels die Versorgungslasten von immer weniger Steuerzahlern getragen werden müssen? Beamte sind aufgrund des regelrechten Einstellungstsunamis in den 1970er Jahren – mehr als eine Verdopplung zwischen 1970 und 1982 – im Schnitt deutlich älter als die Gesamtbevölkerung. Die kohortenstarken Jahrgänge treten in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand ein und haben zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zur Gesamtbevölkerung auch noch eine über zwei Jahre längere fernere Lebenserwartung. Im Falle der Hinterbliebenenversorgung sind die Ansprüche zwar entsprechend zum Ruhegehalt geringer – allerdings schlägt hier die demografische Entwicklung noch deutlicher zu. Bei den zukünftigen Pensionären der nächsten Jahre handelt es sich überwiegend um Männer, die im Durchschnitt eine jüngere Ehefrau mit höherer Lebenserwartung haben, weshalb es zeitversetzt auch zu einem Anstieg der Witwengeldausgaben kommen wird. Ferner werden die Ausgaben zur Beihilfe ansteigen, da sich zwar die Anzahl der Beamten über 65 nur leicht erhöht, der Anteil der über 80-jährigen mit hohen Gesundheitskosten allerdings um über 50 Prozent ansteigen wird.
Werden die Versorgungsausgaben mittels einer beamtenspezifischen demografischen Projektion fortgeschrieben, zeigt sich, dass diese gegen Ende dieses Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreichen, danach etwas abflachen und auf hohem Niveau stagnieren werden.
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Daher trügt der Schein der tragbaren öffentlichen Finanzen der Länder derzeit noch. Unter Berücksichtigung der Schuldenbremse könnte eine unerwartete Zinswende, zusammen mit den gesicherten Ansprüchen der Beamten sowie der fehlenden Einnahmeautonomie gerade in den ohnehin strukturschwachen Ländern wie Bremen, dem Saarland oder Rheinland-Pfalz zur Zahlungsunfähigkeit führen.
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Im Barwert sind die impliziten Schulden der Bundesländer durch die Versorgungsausgaben in fast allen Fällen deutlich höher als die bereits ausgewiesenen expliziten Schulden. In Summe ergibt sich eine Nachhaltigkeitslücke von 129,9 Prozent des BIP für die Bundesrepublik.
Dadurch, dass eine Versorgung der Bestandspensionäre zu aktuellen Konditionen verfassungsrechtlich gesichert ist, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Selbst wenn manche Länder in Zahlungsschwierigkeiten kommen sollten, hat das Bundesverfassungsgericht daraufhin hingewiesen, dass eine haushaltspolitische Austerität nicht ausreicht, um Kürzungen in der Altersversorgung der Beamten zu legitimieren, da die amtsangemessene Alimentation nicht Gegenstand von Verhandlungen über mögliches Einsparpotential werden darf.
Auch eine Weiterführung der wirkungsgleichen Übertragung von Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung, wie sie in den 1990er und 2000ern vollzogen wurde, würde spätestens seit den Beschlüssen von Arbeitsminister Olaf Scholz im Jahr 2008 zu einer Kostensteigerung, statt einer Kostendämpfung führen.
Für die Zukunft ergeben sich daraus vor allem zwei Punkte:
Erstens müssen sich vor allem die westdeutschen Bundesländer darauf einstellen, dass ihre Pensionäre weiterhin einen wesentlichen Anteil des Steueraufkommens in Anspruch nehmen werden. Um die finanzielle Last zu verringern, muss, mit Unterstützung des Bundes, auf eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik gesetzt werden, damit im besten Fall die Einnahmen stärker wachsen als die Ausgaben. Aber auch damit führt kein Weg an versicherungsmathematisch korrekten Rückstellungen, wie sie der Staat von jedem ehrbaren Kaufmann erwartet, vorbei – und das heißt die Lasten der zukünftigen Ausgaben bereits heute kassenwirksam zu machen.
Zweitens sollten die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Dadurch, dass Beamte über ihren Lebenszyklus durchschnittlich deutlich teurer sind als andere Beschäftigte, sollten die Neuverbeamtungen auf Berufe beschränkt werden, bei denen der Beamtenstatus seinen ursprünglichen Zweck erfüllt: Tätigkeiten mit hoheitlichen Aufgaben und Funktionen wie der Justiz, der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie der Verteidigung. Selbst unter Einbeziehung der politischen Führung und zentralen Verwaltung ergibt die Summe dieser Tätigkeiten gerade einmal knapp über die Hälfte aller Beamtenverhältnisse. Der Rest arbeitet in Schulen, Hochschulen und allgemeinen Verwaltungsbereichen und könnte genauso gut im regulären Angestelltenverhältnis beschäftigt werden.
Verbeamtungen mit Augenmaß und eine Ausweitung der Versorgungsrücklagen zu versicherungsmathematisch korrekten Rückstellungen könnten in Zukunft dazu führen, dass die intergenerative Lücke geschlossen wird. Dann würden diejenigen, die ihre Staatsdiener finanzieren auch diejenigen sein, die von ihnen profitieren.
Hinweis: Eine ausführlichere Diskussion über die Auswirkungen der Pensionsverpflichtungen erscheint in der Fachzeitschrift WiSt-Wirtschaftswissenschaftliches Studium.
Blog-Beiträge der Serie „Beherrschbare Pensionslasten?“
Oliver Holtemöller und Götz Zeddies: Zukünftige Pensionslasten bei stabiler Beamtenquote schulterbar – Bei den Rentenausgaben sieht es anders aus
Interessanterweise zahlt der Steuerzahler einen finanziellen Ausgleich, wenn Beamte vorzeitig in den Ruhestand wollen. Über einen Zeitraum von z. B. 8 Jahren wird in den ersten 4 Jahren auf 50% der Besoldung verzichtet, um in den verbliebenen 4 Jahren arbeitsfrei zu sein. Weil das für die Beamten aber unzumutbar ist, schießt der Steuerzahler 30% hinzu. Laut Studie des DBB befinden sich die meisten Beamten in den BesGr. A12/13. Ich erinnere mich an ein Gutachten von Herrn Raffelhüschen, dass ab dem Jahr 2030 jeder dritte Euro der Bundesländer für Beamtenpensionen aufgewendet werden muss.
Wenn die Länder Finanzprobleme bekommen könnte der Staat eine eine Demografie-Abgabe als Sonderabgabe für Pensionäre bzw. Hinterbliebene einführen – mit progressiven Sätzen, je nach Besoldungsstufe. Die Einnahmen aus dieser Sonderabgabe können die Dienstherren dann für die Besoldung aktiver Beamter und insbesondere für solidarische Leistungen (Familienzuschläge, Besoldung im Krankheitsfall etc.) verwenden. Dann sind Beamte miteinander solidarisch, d.h. die Sonderabgabe ist gruppennützig. Das BVerfG hatte ja nur verboten, dass „Beamte“ als gesamte Gruppe stärkere Lasten tragen, als andere. Und dass „Sparen“ kein Selbstzweck bei der Bemessung der Besoldung sein dürfe. Mit einer Sonderabgabe innerhalb der Beamtengruppe entfallen beide Einwände.
Eine weitere Stellschraube sind die Beihilfesätze – die kann man für Pensionäre und berücksichtigungsfähige Angehörige auf 50% senken. Und die Einkommensgrenze für berücksichtigungsfähige Angehörige könnte auf den Grundfreibetrag (aktuell 9744 Euro/Jahr) gesenkt werden.
Außerdem könnte die Anerkennung von Hochschulausbildungszeiten für das Ruhegehalt entweder komplett gestrichen werden (wie in der GRV auch) oder aber wie bei Kindererziehungszeiten mit Rentenpunkten berücksichtigt werden. die Anerkennung von Vordienstzeiten sollte auf 1 Jahr begrenzt werden.
Ebenfalls komplett entfallen kann die amtsunabhängige Mindestversorgung – die ist kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und könnte ersetzt werden gegen einen Unterhaltsbeitrag – der ist dann einkommensgeprüft.