Die Urne zuhause oder das Grab auf dem Friedhof

Das Bayerische Bestattungsgesetz (BestG; BayRS 2127-1-G) sieht – ebenso wie die Bestattungsgesetze der meisten anderen Bundesländer – vor, daß Verstorbene in der Regel auf einem offiziellen Friedhof zu bestatten sind. Ausnahmen davon werden in Art. 12 abschließend geregelt; diese sind sehr restriktiv gehalten. Weiterhin wird in Art. 8 bestimmt, daß „Friedhöfe … öffentliche Einrichtungen…“ sind, „die den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet sind“ (Art. 8 (1)), und daß die Träger von Friedhöfen nur juristische Personen des öffentlichen Rechts sein können (Art. 8 (2)). Mittlerweile sind in manchen Bundesländern jedoch auch Bestattungen in sog. Bestattungswäldern möglich, die regelmäßig durch einen privaten Träger betrieben werden. Gemäß Art. 1 (1) BestG sind auch bei einer Feuerbestattung die Aschereste des Verstorbenen in einer festen Urne beizusetzen. Die Möglichkeit, die Urne mit nach Hause zu nehmen und dort aufzubewahren, ist in Deutschland meist nicht erlaubt und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Ausnahme stellt hier das Land Bremen dar, in dem es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, die Asche der Verstorbenen auf privatem Grund auszubringen (§ 4 (1a) Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen in der Freien Hansestadt Bremen).

Der Friedhofszwang, der in Deutschland seit dem Jahre 1934 besteht, wird mit verschiedenen Argumenten gerechtfertigt. Zum einen soll durch den Friedhofszwang die öffentliche Gesundheit und Sicherheit gewährleistet werden. Durch die Festlegung von Standards und Vorschriften für Friedhöfe soll ein Mindestmaß an hygienischen Bedingungen sichergestellt werden. Zum andern soll durch den Friedhofszwang die Totenruhe geschützt werden. Indem alle Bestattungen auf einem Friedhof stattfinden, soll also sichergestellt werden, daß die Ruhe der Verstorbenen respektiert und geschützt wird. Schließlich hat der Friedhofszwang eine kulturelle und historische Bedeutung. So haben Friedhöfe in Deutschland eine lange Tradition und sind wichtige kulturelle und historische Orte. Der Friedhofszwang stellt somit ein Instrument dar, um diese Tradition fortzuführen.

Der Friedhofszwang ist eine erhebliche Einschränkung der individuellen Freiheitsrechte der Individuen. Aus ordnungsökonomischer Sicht stellen sich daher im wesentlichen die folgenden beiden Fragen:

  1. Müssen sämtliche Bestattungen – auch Feuerbestattungen – auf Friedhöfen stattfinden?
  2. Müssen Friedhöfe in der Trägerschaft einer juristischen Person öffentlichen Rechts sein?

Ad 1: Sicherlich ist der Schutz der Gesundheit ein wichtiger Aspekt, der bei einer derartigen Analyse zu beachten ist. Die Zusammenfassung von Erdbestattungen auf öffentlichen Friedhöfen, die den Vorgaben entsprechen, erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen an den Schutz der Gesundheit. Freilich ist eine Bedrohung der Gesundheit der Bevölkerung bei einer Feuerbestattung und Mitgabe der Asche an Angehörige in einer verschlossenen Urne nicht zu erwarten. Hiervon kann regelmäßig keine Gefahr der Verunreinigung von Gewässern usw. erwartet werden, so daß der Aspekt Schutz der Gesundheit zumindest im Falle der Feuerbestattung irrelevant sein dürfte. Die völlige Freigabe auch bei Erdbestattungen und damit die vollständige Aufhebung des Friedhofszwangs wäre bei alleiniger Betrachtung des Gesundheitsschutzarguments aus ordnungsökonomischer Sicht ebenfalls möglich. Hier wäre jedoch dafür Sorge zu tragen, daß bei Bestattungen außerhalb eines Friedhofs auf privatem Grund entsprechende hygienische Standards eingehalten würden, was insbesondere auch die Dauer der Aufrechterhaltung der Gräber zu umfassen hätte. Eine komplette Freigabe der Friedhofspflicht würde freilich die regelmäßige Überwachung der Einhaltung derartiger Standards erfordern, was sich als vergleichsweise aufwendig herausstellen dürfte.

Der Schutz der Totenruhe und die Pflege der Tradition sind Anforderungen, die sich sicherlich durch einen Friedhofszwang gut realisieren lassen. Freilich wäre es auch bei individuellen privaten Grabanlagen möglich, Vorkehrungen zu treffen, daß die Totenruhe geschützt würde. Hier wären also entsprechende Auflagen zu machen, die auch überwacht werden müßten. Freilich könnte man insbesondere bei nahen Angehörigen davon ausgehen, daß diese ein besonderes Interesse daran haben, die Totenruhe zu schützen.

Aus ordnungsökonomischer Sicht läßt sich das Argument der Pflege der Tradition kaum heranziehen, um eine derart massive Marktregulierung zu begründen. So ist Tradition doch Ausdruck freiwilliger individueller Handlungen, die in einem bestimmten Rhythmus wiederholt werden. Wenn sich allerdings die Präferenzen der Individuen verändern, dann führt das auch zu einer Anpassung der Tradition. Mit anderen Worten: Wenn die Individuen ein Interesse daran haben, die Tradition aufrechtzuerhalten, dann bedarf es keiner zusätzlichen Regelung. Wenn dieses Interesse jedoch verlorengeht, dann engt eine derartige Regelung die Freiheitsspielräume der Individuen unbegründet ein.

Aus ordnungsökonomischer Sicht würde sich bei Erdbestattungen eine Aufhebung des Friedhofszwanges unter Vorgabe entsprechender Auflagen hinsichtlich der Ausgestaltung der Grabstellen, die insbesondere dem Gesundheitsschutz Rechnung tragen, anbieten. Die im Rahmen der Überprüfung der Auflagen anfallenden Kosten müßten dann von den Trägern der Grabstellen übernommen werden. Bei Feuerbestattungen entfällt die Problematik des Gesundheitsschutzes, so daß die Mitnahme der Asche des Verstorbenen von den Angehörigen aus ordnungsökonomischer Sicht erlaubt sein sollte.

Ad 2:

Die Betreibung von Friedhöfen durch juristische Personen öffentlichen Rechts – dabei handelt es sich regelmäßig um die Kommunen oder die Kirchen – trägt weitgehend den Erfordernissen, die an Friedhöfe hinsichtlich der hygienischen Anforderungen, der Totenruhe und der Tradition gestellt werden, Rechnung. Tatsächlich lassen sich diese Erfordernisse auch bei privaten Trägern umsetzen. Eine Öffnung des Betriebs von Friedhöfen – gleich welcher Ausgestaltung – muß nicht dazu führen, daß die genannten drei Aspekte nicht erfüllt würden. Aus ordnungsökonomischer Sicht müßten potentiellen privaten Friedhofsbetreibern lediglich hygienische Standards vorgeschrieben und diese auch durchgesetzt werden. Wie oben dargestellt wurde, stellt der Aspekt der Tradition eher ein schwaches Kriterium dar und würde auch von privaten Betreibern als Aktionsparameter eingesetzt, sofern die Angehörigen darauf Wert legen würden. Gleiches gilt für den Sachverhalt der Totenruhe. Insofern würde aus ordnungsökonomischer Sicht nichts dagegen sprechen, auch private Friedhofsträger zuzulassen und durch entsprechende Regulierungen diese zur Einhaltung der hygienischen Standards zu zwingen.

Alles in allem erscheint es aus ordnungsökonomischer Perspektive als sinnvoll, den Friedhofszwang sowohl bei Feuer- als auch bei Erdbestattungen aufzuheben, wobei insbesondere letztere entsprechend mit Auflagen zu versehen wären. Zudem sollten private Friedhofsbetreiber unter Einhaltung entsprechender Auflagen zugelassen werden.

Eine derartige Deregulierung würde zum einen die Handlungsoptionen der Angehörigen und derer, die im Vorfeld ihre Angelegenheiten zu regeln wünschen, erheblich erweitern. Diese zusätzlichen Handlungsoptionen und die Möglichkeit des Markteintritts privater Konkurrenz würde den Wettbewerb auf diesem Markt erhöhen und dazu führen, daß das Leistungsangebot und die Preissetzung sich stärker an der Nachfrage orientieren. Ob diese tatsächlich dann n den Markt eintreten würden, bleibe abzuwarten, da Friedhöfe für die Kommunen meist defizitär sind. Zugleich würde eine Liberalisierung allerdings auch die Folgemärkte, auf denen Anbieter wie etwa die Krematorien, die Floristen, die Bestatter oder die Steinmetze auftreten, beeinträchtigen.

Quelle:

Breuer, M. & Daumann, F. (2010). Der Bestattungsmarkt in Deutschland, In Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften, 60 (3), S. 227-253.

Frank Daumann

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