Die Wohnimmobilienpreise in Europa legten in den Jahren vor und überwiegend auch während der Corona-Pandemie deutlich zu: in Deutschland um jährlich 6% in dem Zeitraum von 2012 bis 2021, in Österreich sogar um jährlich 7%, im gesamten Euroraum um 4% über diesen zehn Jahreszeitraum. Diese vergleichsweise niedrige Wachstumsrate für den gesamten Währungsraum ist gleichwohl beachtlich, da Spanien, Irland, Griechenland oder Frankreich in den ersten Jahren nach der Finanzkrise noch zum Teil kräftige Preisrückgänge zu verzeichnen hatten.
Doch mit den steigenden Zinsen wurde diese Aufwärtsentwicklung deutlich verlangsamt, teilweise sogar jäh beendet. Die um die allgemeine Teuerung korrigierten Hauspreise sinken sogar gemäß den Daten der OECD in allen hier erfassten europäischen Ländern (und in vielen außereuropäischen OECD-Ländern ebenfalls).
Die Entwicklung verläuft wie auch vor 15 Jahren sehr uneinheitlich: drei wichtige Zwischenergebnisse lassen sich jedoch feststellen: Erstens ist ein direkter Zusammenhang zwischen der Dynamik vor dem Zinsanstieg und der (bisher eingetretenen) Preiskorrektur nicht erkennbar. Es handelt sich also nicht einfach um ein „reverse-to-mean“. Zweitens, bisher sind nur moderate nominale Preisrückgänge in wenigen Ländern feststellbar, doch angesichts der hohen Inflationsraten ist der reale Preisrückgang durchaus auch schon bis Ende 2022 beachtlich. Und weil Immobilienmärkte mit Zeitverzug reagieren, sind weitere, auch nominale Rückgänge wahrscheinlich. Drittens sind in diesem Zyklus einige vermeintliche Stabilitätsanker ebenfalls betroffen, neben Deutschland sind dies u.a. Österreich, Dänemark oder Schweden.
Nach vorne schauend bleiben die Risiken in den europäischen Ländern hoch. Mit Blick auf die Finanzierungsrisiken werden die Länder sehr unterschiedlich stark davon betroffen sein. Hierfür spricht nicht nur der unterschiedlich starke Anstieg der langfristigen Zinsen, die zum einen die Erstfinanzierungen erschweren sowie Anschlussfinanzierungen deutlich verteuern und damit Zahlungsausfallrisiken erhöhen und zum anderen gerade institutionellen Investoren, die in Anleihen verlässliche Auszahlungsrenditen suchen, Alternativen für Immobilienanlagen bieten. Während die Zinsen für Staatsanleihen in Deutschland seit dem Tiefpunkt „nur“ um 320 Basispunkte zulegten, erhöhten sich diese langfristigen Zinsen in vielen osteuropäischen Ländern um über 400 Basispunkte, in Großbritannien sogar um 430 und in Polen um nahezu 500 Basispunkte. Für eine stärkere Ausdifferenzierung der Risiken in Europa sprechen auch die institutionellen Rahmenbedingungen für Immobilienfinanzierungen. Gemäß den Statistiken der European Mortgage Federation lag der Anteil der ausstehenden Wohnungsfinanzierungen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Frankreich oder Deutschland bei etwa 50%, in Schweden oder den Niederlanden bei rund 90%. Ein Preisrutsch in diesen Ländern hätte also eine deutlich stärkere gesamtwirtschaftliche Bedeutung als in Frankreich oder Deutschland.
Zusätzlich könnte für die Stabilität der Wohnungsmärkte in Deutschland oder Frankreich sprechen, dass langlaufende Finanzierungen überwiegen. Auch dies ist in vielen anderen europäischen Ländern anders (z.B. weist die European Mortgage Federation für Polen oder Bulgarien und einige andere kleinere osteuropäische Länder sehr hohe Anteile der kurzlaufenden Finanzierung aus).
Die größten Risiken dürften daher für die Finanzierungsseite dort liegen, wo Immobilien mit einem hohen Anteil Fremdkapital und/oder mit kurzlaufenden Darlehen finanziert wurden und wo der Zinsanstieg besonders schwer wiegt. Für Europa insgesamt kommt dann hinzu, dass mit den Wohnungsmärkten in Großbritannien, Schweden oder den Niederlanden durchaus große Länder betroffen sein könnten.
Insofern bleibt die Wohnungsmarktlage in Europa in mehrfacher Hinsicht problematisch: Auf der einen Seite sind Wohnungen im Zuge der starken Preis- und Mietanstiege bis 2021 weniger erschwinglich geworden, und dies stellt gerade Haushalte mit geringem Einkommen vor große Herausforderungen in den Ballungsräumen. Die bisherigen Preisrückgänge kompensieren den Zinsanstieg nicht, und für Mieter bleibt die Lage angesichts anhaltender Flächenknappheit sowieso angespannt. Auf der anderen Seite wachsen in einigen Ländern die Finanzierungsrisiken.
Die Stabilisierung des Bankensektors nach der Finanzkrise durch höhere Eigenkapitalvorgaben beruhigt in diesem Lichte zwar einerseits, doch bedeutet die aktuelle Zuspitzung eben andererseits, dass die Aufsichtsbehörden selbst nach Ende der Zinserhöhungsrunden die durch Vorsorgeregulierungsmaßnahmen erarbeitete Beruhigung nicht wieder preisgeben können. Und genau dieser Cocktail könnte auch in der Zukunft den Zugang zu Fremdkapital limitieren, und damit nicht nur den Immobilienkauf, sondern auch den Wohnungsbau bremsen und folglich die Erschwinglichkeitsprobleme erst einmal verschärfen.
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