Das Jevons-Paradoxon der Wärmepumpe
Eine tückische Falle für die CO2-Neutralität?

Die Wärmepumpe gilt vielen als wichtiger Baustein hin zur CO2-Neutralität. Dank ihrer Effizienz sollte sie weniger Energie verbrauchen und damit auch zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen. Doch Vorsicht! Diese Intuition ist zu simpel und berücksichtigt nicht das menschliche Verhalten, wenn technischer Fortschritt eine Ressource, in diesem Fall Energie, effizienter nutzbar macht. Wenigstens drei Gründe könnten die Wärmepumpe zum Gegner der CO2-Neutralität machen, denn mit ihr dürfte mehr geheizt und mehr gekühlt werden, wodurch sich die Nachfrage der Bürger nach Klimaschutzmaßnahmen reduzieren könnte.

Angenehmeres Heizen führt zu höherer Heiznachfrage

Das Beheizen einzelner Räume kann ein kleines Martyrium sein. Wer noch mit Holzofen heizt, muss diesen erst entfachen, die Wärme verteilt sich ungleichmäßig, und manche Zimmer bleiben kühl, weil nicht beheizt. Öl- oder Gasheizungen machen das Heizen bereits angenehmer. Doch die Wärmepumpe in Kombination mit Fußbodenheizung ist nochmals ein Quantensprung nach vorne! Mit ihrer höheren Effizienz könnte sie Gebäude im Sturm erobern und die Herzen der Nutzer erwärmen. Endlich werden alle Zimmer, vielleicht sogar die Garage, leicht zu temperieren sein. Aber halt! Was geschieht da? Das berüchtigte Jevons-Paradoxon aus den volkswirtschaftlichen Lehrbüchern wird relevant.

Das Jevons-Paradoxon basiert auf den Beobachtungen des englischen Ökonomen und Philosophen William S. Jevons im 19. Jahrhundert. Jevons stellte fest, dass der Kohleverbrauch in England trotz der Einführung der effizienten Dampfmaschine von Watt stark anstieg. Sie setzte Energie aus Kohle gut in Arbeit um. Diese höhere Effizienz führte zu ihrer starken Verbreitung und letztendlich zu einem insgesamt höheren Kohleverbrauch, obwohl der Kohleverbrauch pro produzierter Einheit gesunken war. Dieses Paradoxon ist auf die Wärmepumpe übertragbar. Ihre Effizienz macht sie zu einer attraktiven Alternative zu vielen anderen Heizformen, und so dürfte bald eifrig mehr geheizt werden. In der guten alten Zeit des Holzofens oder der oft stinkenden Ölheizung war das Heizen mühsamer. Doch mit der Wärmepumpe und Fußbodenheizung werden alle Räume mit wohliger Wärme erfüllt. Das Resultat ist ein potenziell höherer Energieverbrauch. Angesichts der aktuellen und auch in näherer Zukunft hohen CO2-Intensität der Stromproduktion in Deutschland bedeutet dies einen höheren CO2-Ausstoß als erhofft, da zusätzlich benötigter Strom häufig aus fossilen Quellen wie Braunkohle stammt. Das Jevons-Paradoxon ist in Aktion und mit mehr Wärmepumpen dürfte mehr Energie verbraucht werden, als es jetzt für möglich gehalten wurde.

Aktives Kühlen dank Wärmepumpe

Aber damit nicht genug. Im Gegensatz zu anderen Heizungen können Wärmepumpensysteme mehr als nur heizen – sie können auch kühlen! Das ist großartig an heißen Sommertagen, an denen bisher früh aufgestanden wurde, um das Haus mit kühler Luft zu durchlüften, bevor die Rollläden geschlossen wurden, um die Hitze draußen zu halten. Aber nun, mit der Wärmepumpe als Klimaanlage, wird im Sommer aktiv gekühlt und die Rollläden bleiben offen, um den sonnigen Tag im gekühlten Haus zu genießen. Hier kommt ein zweite Jevons-Paradoxon ins Spiel. Die Wärmepumpe, die noch kühlt, lässt ihre Nutzer noch mehr Energie für Kühlung im Sommer verbrauchen. Der Energienachfrage insgesamt steigt dank der Effizienz der Wärmepumpe weiter an.

Eine zu erwartende höhere Energienachfrage aufgrund zusätzlichen Heizens und Kühlens dank der Wärmepumpte dürfte die Energiepreise etwas erhöhen. Das schwächt die ursprüngliche Nachfrageausdehnung wieder etwas ab, erhöht aber gleichzeitig den Druck die Energieproduktion auszuweiten.

Klimaanpassung statt CO2-Neutralität

Als wäre das alles nicht genug, tritt noch ein dritter Effekt auf – eine Art politisches Jevons-Paradoxon. Die aktive Kühlmöglichkeit mittels Wärmepumpe entspricht einer Anpassung an den zukünftigen Klimawandel. Dank ihr sind die gefürchteten Hundstage kein Problem mehr, denn Wohnraum kann mühelos gekühlt werden.

Doch mit den hehren politischen Klimazielen könnte es dann schwierig werden. Denn je erfolgreicher die Anpassung an die Konsequenzen des Klimawandels, desto weniger relevant mit Bezug auf die menschliche Wohlfahrt wird die Reduzierung des CO2-Ausstoßes selbst. Wer sich dank Wärmepumpe teilweise an den Klimawandel anpassen kann, für den wird das politische Ziel der CO2-Neutralität weniger wichtig. Statt CO2-Neutralität dürften dann auch in anderen Bereichen weitere Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel stärker nachgefragt werden, also z.B. Hochwasserschutz oder Grünflächen in Städten.

Insofern steht die Wärmepumpe dem politischen Ziel der CO2-Neutralität wohl eher entgegen. Unklar bleibt, ob jene politischen Entscheidungsträger, die die Wärmepumpe derzeit als Heilsbringer hin zur CO2-Neutralität anpreisen, sie verdammen werden, sobald sie das volle Ausmaß des Jevons-Paradoxon realisieren.

David Stadelmann
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Eine Antwort auf „Das Jevons-Paradoxon der Wärmepumpe
Eine tückische Falle für die CO2-Neutralität?

  1. Das Wichtigste ist aber, dass im europäischen Netzverbund der Grenzstrom sowieso fossil ist und noch lange fossil bleiben wird. So verwenden E-Autos und eben auch Wärmepumpen Fossilstrom und lassen die CO2-Emissionen ansteigen. Wir werden das jetzt dann bald am deutschen Bsp. nachprüfen können. Der Grenzstrom ist selbst dann fossil, wenn einer seine Wärmepumpe mit PV von seinem Hausdach und mit eigener Batterie betreibt. Da kommen die Opportunitätskosten ins Spiel: Wenn dieser Verbraucher jetzt seinen PV Strom für seine Wärmepumpe verbraucht, dass speist er umso weniger ins Netz ein – andere Verbraucher müssen auf Fossilstrom ausweichen.

    Dann noch ein tech. Problem (Carnot-Problem). Im Winter, wenn wirklich massiv geheizt werden muss – ausgerechnet dann – mutiert die Wärmepumpe praktisch zu einer Elektro-Widerstandsheizung. Weil der Boden oder die Luft für die Wärmepumpe zu kalt ist und so kaum mehr was hergibt.

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