Die Ampel -Regierung ist dabei, ihre im Koalitionsvertrag angekündigten Reformen der Grundsicherung zu vollenden. Erst wurde das Bürgergeld reformiert. Weniger fordern, mehr fördern war die Devise. Das Wohngeld war als nächstes dran. Mehr Geld für mehr Personen war das Motto. Die Reform der Kindergrundsicherung ist das letzte Element. Ziel ist weniger Kinderarmut, alles aus einer Hand und weniger Bürokratie. Der Staat habe eine Bringschuld.
Die geplante Reform der Kindergrundsicherung steht unter keinem guten Stern. Lisa Paus, die Familienministerin, forderte aus dem Stehgreif mal 12 Mrd. Euro, blockierte im Kabinett zeitweilig das Wachstumschancengesetz, um ihre Forderung durchzusetzen, erhielt schließlich 2,4 Mrd. Euro und will nun 5000 neue Stellen für die neue Kindergrundsicherung. Die Jobcenter sollen aus dem Spiel genommen und durch eine neue Behörde (Familienservice) ersetzt werden.
Tatsächlich läuft bei der Kindergrundsicherung einiges schief. Die Hilfe für Kinder kommt nicht aus einer Hand. Sie ist mehrgleisig organisiert. Kinder werden aus der 1. Grundsicherung des Bürgergeldes (Regelbedarf, Kosten der Unterkunft) unterstützt. Davon profitieren ca. 2 Mio. Kinder. Leistungen werden allerdings auch aus der 2. Grundsicherung für erwerbstätige Eltern mit (geringem aber nicht zu hohem) Einkommen gewährt (Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld).
Wirklich gut läuft es nicht. Die Kinderarmut ist hoch, das Bildungsniveau schlecht. Es herrscht ein Wirrwarr an Leistungen unterschiedlicher Institutionen. 8 verschiedene Bürokratien muss etwa eine Alleinerziehende kontaktieren, um 12 verschiedene Leistungen zu beantragen. Die Einkommensgrenzen sind nicht aufeinander abgestimmt, die Leistungen regional unterschiedlich, die Anrechnungsmodalitäten verschieden, die Arbeitsanreize der Eltern ungleich und intransparent.
Die Bundesregierung will mehr Kinder aus der Armut holen. Weniger Bürokratie durch mehr Digitalisierung soll helfen, berechtigte Ansprüche leichter zu nutzen. Die Leistungen für Kinder aus Bürgergeldhaushalten und aus Haushalten, die selbst (zu wenig) Einkommen haben, sollen in einer neuen Behörde (Familienservice) gebündelt werden. Das Problem der Schnittstellen von Bürgergeld und Wohngeld wird nicht angegangen. Auch die alten Probleme bei den Arbeitsanreizen bleiben ungelöst.
Die geplante Reform der Kindergrundsicherung kuriert an Symptomen, kostet viel Geld und schafft neue Bürokratien. Notwendig ist ein einheitliches System der Grundsicherung ohne Schnittstellenprobleme und überbordende Bürokratie. 1. Element: Ein neues Bürgergeld deckt den täglichen Bedarf der Eltern ab. 2. Element: Die Kindergrundsicherung umfasst den Regelbedarf für Kinder, den Kinderzuschlag und das Kindergeld. 3. Element: Ein neues Wohngeld beinhaltet die Kosten der Unterkunft aus dem Bürgergeld und das Wohngeld aus der 2. Grundsicherung.
Prof. Dr. Norbert Berthold (JMU Würzburg) im Gespräch mit Prof. Dr. Ronnie Schöb (FU Berlin)
Die Teilnehmer:
Prof. Dr. Ronnie Schöb ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. Seine Schwerpunkte sind: Arbeitsmarktpolitik, Steuerlehre, Reform des Sozialstaates, Umweltökonomie und Ressourcenökonomie. Seit 2008 ist er Forschungsprofessor am ifo-Institut Dresden. Frühere Stationen an der Universität München, University of Essex (UK), University of Western Ontario (Canada), Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und als Geschäftsführer des Vereins für Socialpolitik.
Prof. Dr. Norbert Berthold ist Professor (em.) für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er war an den Universitäten Freiburg, Basel, Münster, Hamburg, Konstanz, Düsseldorf und Würzburg tätig. Norbert Berthold ist Initiator und Betreiber des Ökonomen-Blogs „Wirtschaftliche Freiheit“ und damit auch Namensgeber und Initiator dieses Podcasts.
Blog-Beitrag zum Thema:
Tom Günther, Svenja Miltner und Ronnie Schöb: Die neue Kindergrundsicherung wiederholt alte Fehler
von Tom Günther, Svenja Miltner und Ronnie Schöb
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