Stimme aus Amerika (5)
Die Münchner (Un-)Sicherheitskonferenz

Das diesjährige Treffen der Diplomaten, Regierungsbeamten und Sicherheitsexperten hatte am 16. Februar in München gerade begonnen, um die globalen Sicherheitsherausforderungen zu diskutieren, als die schockierende Nachricht vom Tod Alexei Nawalnys eintraf. Es war eine Erinnerung daran, dass es eine Person gibt – Wladimir Putin –, die nicht an der Konferenz teilnahm, aber trotzdem eine Botschaft an uns alle zu senden schien. Wladimir Putin, der zuletzt 2007 auf der Sicherheitskonferenz gesprochen hatte, signalisierte damit: Ich bin unbesiegbar und habe keine Rivalen. Ich stelle das russische Imperium wieder her, wie ich es für richtig halte – gerade jetzt in der Ukraine.

Konferenz von zwei Personen dominiert, die gar nicht vor Ort waren

Die düsteren Berichte von der ukrainischen Front – die russischen Truppen übernahmen eine weitere hart umkämpfte Stadt in der Ostukraine, während den ukrainischen Truppen Probleme mit ihren Munitionsvorräten haben – rufen eine andere Person in Erinnerung, die nicht an der Konferenz teilnahm, aber dennoch ihre Schatten wirft: Donald Trump. Eine kleine Gruppe von Republikanern unter der Kontrolle von Trump ist für den Stillstand im Kongress bezüglich zusätzlicher Unterstützung für die Ukraine verantwortlich. Die mögliche Rückkehr Trumps ins Weiße Haus löst Besorgnis aus, auch hinsichtlich der Bedeutung für das Überleben der Ukraine.

Im letzten Jahr war die Münchner Gemeinschaft hinsichtlich der Ukraine-Unterstützung optimistisch, während die Offensive Moskaus schwach schien. Im Gegensatz dazu drehten sich die Diskussionen in München dieses Jahr um die Fähigkeit der europäischen Partner, die Lücke bei der Unterstützung der Ukraine zu schließen, die von den Vereinigten Staaten möglichweise hinterlassen wird – eine Frage, die zwar lange, aber bisher nicht mit der nötigen Dringlichkeit in den europäischen Hauptstädten diskutiert wurde.

Europa muss sicherheitspolitische Hausaufgaben dringend erledigen

Die Aussicht auf eine Niederlage der Ukraine verdeutlichte die Verwundbarkeit Europas insgesamt. Die Kriegsgefahr wurde früher oder später offen diskutiert. Und die Europäer stehen vor der Herausforderung, dies zu erkennen und sich darauf vorzubereiten.

Der Fokus auf die amerikanische Kongressdelegation in München war intensiv angesichts Trumps möglicher Wiederwahl. Dessen Äußerungen kurz vor der Konferenz, in denen es hieß, er würde Putin einladen, „was zum Teufel er will“ mit jenen NATO-Partnern zu machen, die laut Trump angeblich nicht für den Schutz des amerikanischen Atomschildes bezahlen. Auf die Frage, ob die Unterstützung des Kongresses für die Ukraine erfolgen würde, klangen die Antworten einiger Demokraten und Republikaner unklar. Ein republikanischer Senator, J.D. Vance, sagte, dass er von seinen europäischen Amtskollegen viel zu viel Selbstbeweihräucherung hinsichtlich der Unterstützungsniveaus hörte. Sie müssten noch viel mehr tun. Er argumentierte aber auch, dass sich die USA in einer Lage befänden, in der die Ressourcen nicht ausreichen, beide Lasten gleichzeitig zu tragen: Europa und die größte Herausforderung China. Andere Senatoren argumentierten, dass es für die USA einfach andere Prioritäten gebe (einschließlich der mexikanischen Grenzkrise) und dass Europa die Ukraine-Krise nun selbst bewältigen müsse.

Debatten über die Lastenteilung sind so alt wie die NATO. Aber die Bühne der Münchner Sicherheitskonferenz war schon immer eine Gelegenheit, die starken Bindungen des transatlantischen Bündnisses hervorzuheben, das im Juli sein 75-jähriges Jubiläum in Washington DC feiern wird. Doch in diesem Jahr herrscht ein spürbares Gefühl der Ungewissheit, ja Unsicherheit, was die Zukunft dieses Bündnisses angeht.

Europäische Konferenzteilnehmer betonten die Schritte zur verstärkten Unterstützung Kiews. Gleichzeitig betonten sie die Notwendigkeit, die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Das schließt die Notwendigkeit ein, dass alle NATO-Mitglieder 2 % ihres BIP für Verteidigungsausgaben verwenden. Europa unterstützt die Ukraine jetzt insgesamt stärker als die USA, obwohl die militärische Unterstützung eher aus Amerika kommt.

Trump als Unsicherheitsfaktor

Putin hat seine Absicht deutlich gemacht, die Ukraine wieder unter russische Kontrolle zu bringen und ihre Existenz als souveräner Staat zu beenden. Sein Ziel ist es, den Zusammenhalt der NATO zu untergraben. Er steht im Bunde mit China, Nordkorea und dem Iran, um den Westen und insbesondere die Vereinigten Staaten herauszufordern. Er wartet auch darauf, dass die US-Wahlen Donald Trump ins Weiße Haus zurückbringen, mit der Erwartung, dass Trump bei der Verwirklichung seiner Ziele kooperativer sein könnte. Schließlich prahlte Trump damit, dass er in weniger als 24 Stunden einen Deal mit Putin abschließen würde, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Doch der Fokus in München richtete sich auch immer wieder auf die Vereinigten Staaten und ihre innenpolitischen Kämpfe, während sich die Stimmung im Wahljahr täglich aufheizt. Zusicherungen von Vizepräsidentin Harris und einigen Kongressabgeordneten, dass die USA ihren Unterstützungskurs „so lange wie nötig“ beibehalten würden, hörten sich zunehmend an wie „so lange wir können“. Wolodymyr Selenskyj bat in München auf dramatische Weise um Unterstützung. Er argumentierte, im Russland-Ukraine-Krieg ginge es sowohl um die Sicherheit Europas als auch um das Überleben der ukrainischen Demokratie. Doch sein Appell machte deutlich, dass die Unterstützung der Vereinigten Staaten weiterhin unverzichtbar ist. Dass die Hilfe, um die er bittet, dringend sei, unterstrich er mit einem Witz über Putin: „Bitte denken Sie daran – Diktatoren machen keinen Urlaub.“

Die Sorgen über eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump sind in Europa nach wie vor weit verbreitet. Tatsächlich ist sie ebenfalls in den Vereinigten Staaten weit verbreitet. Auch wenn es noch verfrüht wäre, Trump als Wahlsieger zu sehen, ist sein Einfluss auf die Debatte über die außenpolitischen Prioritäten der USA bereits erheblich. Wenn Biden eine zweite Amtszeit gewinnt, wird er immer noch mit einem Kongress und einem erheblichen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit konfrontiert sein, die verlangen, dass die USA ihre Ressourcen auf innenpolitische Angelegenheiten konzentrieren. Sollte Trump ins Weiße Haus zurückkehren, dürfte das Klima der transatlantischen Beziehungen überschattet werden von seinen verteidigungs- oder wirtschaftspolitischen Erwartungen an Europa. Für die Europäer ist es klug, sich auf diese Gespräche vorzubereiten. Wahrscheinlich würden sie auch mit einer Biden-Regierung geführt werden müssen, wenngleich weniger konfrontativ. Aber man sollte auf beiden Seiten des Atlantiks nicht vergessen, dass die gemeinsame Stärke bei der Bewältigung der Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, viel größer ist als jede der Herausforderungen selbst.

Die Konferenz in München beschäftigte sich auch mit anderen Problemen in der Welt – dem anhaltenden Krieg zwischen Israel und der Hamas, den Unruhen in Afrika, der zunehmend zentralen Rolle Chinas und den Auswirkungen des globalen Südens auf die globale Bühne.

Es steht viel auf dem Spiel

Bei ihrem 60. Jubiläum besann sich die Münchner Sicherheitskonferenz auf ihren ursprünglichen Fokus, die transatlantischen Beziehungen, zurück. In den letzten sechs Jahrzehnten gab es viele Anlässe, bei denen Sorgen um diese Beziehungen Gegenstand der Konferenz waren. Oftmals waren diese transatlantischen Dialoge angespannt, ja sogar wütend. Man erinnert sich neben vielen anderen Meinungsverschiedenheiten auch an die Atmosphäre im Jahr 2003 im Vorfeld des Irak-Krieges. Dennoch steht heute so viel auf dem Spiel wie nie zuvor. Auch wenn die Ära nach dem Kalten Krieg vorbei ist, wissen wir noch nicht, wie die nächste Ära heißen wird. Wir können nur davon ausgehen, dass sich der Wettbewerb um die Gestaltung einer multipolaren internationalen Ordnung ebenso wie die Rollen der USA und Europas ständig weiterentwickeln wird.

Aber das Fundament der transatlantischen Beziehungen, das in den letzten acht Jahrzehnten gemeinsam aufgebaut wurde, erfordert sowohl Abschreckung gegen seine Bedrohungen als auch die Gewissheit, dass das Fundament krisenfest und nachhaltig ist. Diese Formel war und ist die Grundlage für die mächtigste Partnerschaft der Welt von heute. Sie sollte auch weiterhin die Grundlage für die Bewältigung der Herausforderungen von morgen sein.

Hinweis: Eine englische Fassung des Beitrages ist beim American-German Institute erschienen. Dr. Jörn Quitzau hat den Beitrag übersetzt. Dafür herzlichen Dank!

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