Die Grünen haben in ihrer Fraktionsklausur am vergangenen Mittwoch beschlossen, die Einrichtung eines Investitionsfonds zu fordern. Was ist davon zu halten?
Die Forderung
Es geht um die Einrichtung eines „Deutschland-Investitionsfonds für Bund, Länder und Kommunen“. Wie genau dies funktionieren soll, ist unklar. Der Titel spricht für ein weiteres, großes Sondervermögen, das mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müsste, um verfassungsfest zu sein. Im Beschlusstext ist andererseits die Rede von einer Reform der Schuldenbremse, die es allgemein erlaubt, künftig öffentliche Investitionen über Kredite zu finanzieren. Dann bräuchte es aber keinen Fonds; Bund und Länder könnten dann einfach jedes Jahr ihre Investitionen von der Schuldenbremse ausnehmen.
Der Unterschied ist relevant: Beides ist eine Umgehung der Schuldenbremse, aber im ersten Fall gäbe es zumindest einen Deckel. Der Text der Grünen schweigt über ein mögliches Volumen, aber in der aktuellen Diskussion in Berlin zirkulieren Vorschläge zwischen 400 und 1.000 Mrd. Euro. Man würde sich jedenfalls ex ante auf irgendein Volumen für den Fonds einigen und könnte dieses dann später auch wieder nur mit Zweidrittelmehrheit erhöhen. Im zweiten Fall dagegen wären die Schleusen dauerhaft und ohne Limit geöffnet: Jegliche Investitionen könnten defizitfinanziert werden – und wir wissen aus Erfahrung, wie flexibel der Investitionsbegriff politisch ist.
Was soll finanziert werden?
Apropos flexibler Investitionsbegriff: Der Schwerpunkt des Beschlusstextes der Grünen liegt auf öffentlichen Investitionen, natürlich mit grünem Schwerpunkt: Schienennetz, Radwege, ÖPNV, aber auch Wohnungsbau, Schwimmbäder und Sportplätze. Da sehen wir dann auch schon, dass es keineswegs nur darum geht, Dinge zu finanzieren, die wenigstens potentiell das Wirtschaftswachstum nachhaltig erhöhen und damit nachhaltig auch die finanziellen Spielräume des Staates erweitern.
Vielmehr besteht ganz klar die Gefahr – und der Beschlusstext der Fraktion zeigt das bereits – dass alle möglichen Dinge, die man gerne hätte, die aber den Potentialoutput nicht positiv beeinflussen, über Schulden finanziert werden. Damit werden aber vor allem Lasten in die Zukunft verschoben und dort finanzielle Spielräume verringert. Man hinterlässt zukünftigen Generationen höhere Zinslasten, ohne höhere Steuereinnahmen generiert zu haben.
Schwierig wird es auch bei den privaten Investitionen. Der amerikanische Inflation Reduction Act (IRA) mit seinen massiven Industriesubventionen wird im Beschlusstext ausgiebig gelobt. Und man möchte private Investitionen nicht nur anreizen, sondern auch steuern. Der Fonds würde hier ein Instrument staatlicher Investitionslenkung.
Hat das alles eine Chance?
Wie auch immer es konkret ausgestaltet wird, die Grünen brauchen eine Zweidrittelmehrheit. Mit der aktuellen Koalition dürfte ihr Vorschlag nicht umsetzbar sein, er scheitert am Veto der FDP. Nach der nächsten Wahl werden die Karten neu gemischt und ob ein Unionskanzler dann seine finanziellen Spielräume erweitern möchte, wird man sehen. Subventionsfreudige Ministerpräsidenten der Union insbesondere aus Ostdeutschland signalisieren bereits Zustimmung zu einer möglichen Lockerung der Schuldenbremse. Wahrscheinlich wäre es für sie aber gesichtswahrender, einem begrenzten Fonds anstelle einer dauerhaften Ausnahme für Investitionen von der Schuldenbremse zuzustimmen.
Die Grünen verweisen außerdem auf Unterstützung von Industrieverbänden. Davon sollte man sich nicht blenden lassen: Zweifellos wird gerade in älteren, wachstumsschwächeren Branchen darauf gehofft, dass anstehende Ersatzinvestitionen über ein deutsches Äquivalent zum IRA vom Staat finanziert oder zumindest kofinanziert werden. Insofern kann man betriebswirtschaftlich verstehen, dass der eine oder andere Industrievorstand bei so einem Fonds große Augen bekommt. Ob der Vorschlag volkswirtschaftlich sinnvoll ist, ist aber eine andere Frage.
Sollte der Fonds eine Chance bekommen?
Eher nicht. Wie oben gesehen, hat die sehr großzügige Auslegung dessen, was als förderungswürdige, wachstumsstärkende Investition gelten kann, bereits im Beschlusstext begonnen. Und das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein. Hier soll eine Hintertür geöffnet werden, die es wieder erlaubt, die Finanzierungslasten für heute präferierte Ausgaben in die Zukunft zu verschieben. Aber so problematisch diese Verschiebung der Lastenverteilung in der Zeit auch ist (vor allem angesichts der zusätzlich hohen impliziten Schuldenlast in den sozialen Sicherungssystemen), so ist sie vielleicht noch nicht einmal das Hauptproblem.
Denn es kommen reale Fehlallokationen dazu. Wir alle kennen Beispiele für Radwege ins und im Nirgendwo, von niemandem genutzt, aber gebaut, weil eine Kommune gerade Zugang zu Fördermitteln hatte. Solche Fehlinvestitionen werden sich mit einem großen Fonds, der in einem begrenzten Zeitraum geleert werden muss, potenzieren. Und es wird sie nicht nur für Radwege geben.
Die eine oder andere öffentliche Investitionsruine ist ärgerlich, aber verkraftbar. Potentiell viel schwerwiegender werden nie negativen Folgen der staatlichen Lenkung privater Investitionen über den Fonds. So ist beispielsweise die Rede von „nationalen Produktionskapazitäten für Solar, Wind, Wasserstoff oder Batterien“. Der Spleen des aktuellen Bundeswirtschaftsministers, deutsche Produktionsstätten zu subventionieren für Industrien, bei denen wir in Deutschland beim besten Willen keinen Wettbewerbsvorteil haben und mit unseren Standortbedingungen auch nie haben werden, wird hier finanziell unterfüttert.
Schon jetzt werden mit Milliardensubventionen in extrem energieintensiven grünen Stahl die Anpassungskrisen von morgen geschaffen – oder die unendlichen Subventionsbedarfe von morgen. Denn natürlich wird sich das Geschäftsmodell zu deutschen Strompreisen kaum selbst tragen. Es wird staatlich gefördert ein Kapitalstock aufgebaut, der hier vermutlich niemals effizient eingesetzt werden kann.
Der „Resilienzbonus“, mit dem man nationale Solarproduktion subventionieren möchte, wäre nach dem Plan der Grünen ohne Zweifel auch eine über Schulden zu finanzierende Zukunftsinvestition. Tatsächlich flösse das Geld an nicht wettbewerbsfähige Produzenten von Standardware wie Meyer Burger. Dem erfolgreichen deutschen Industriemodell entsprächen dagegen innovative Unternehmen, die Nischen besetzen und technische Vorsprünge erarbeiten, die also Wettbewerbsfähigkeit zu deutschen Standortbedingungen hinbekommen, ohne auf Subventionen angewiesen zu sein.
Der Weg über die schuldenfinanzierten Subventionen führt in eine Industrielandschaft, die dauerhaft abhängig von staatlicher Unterstützung sein wird, da auf zwei Ebenen die Wettbewerbsfähigkeit vernachlässigt wird. Bei den Unternehmen, deren produktiver Wettbewerbsdruck durch Subventionen reduziert wird. Und beim Staat, der, solange er es sich noch leisten kann, den bequemen Weg über Beihilfen geht, anstatt den politisch schwierigeren Weg über eine Verbesserung der Standortbedingungen.
Der grüne Subventionsfonds wird zukünftigen Generationen deshalb gerade keine bessere, funktionierende Republik hinterlassen. Er hinterlässt höhere Schulden, trägt die zukünftigen Anpassungskrisen in den subventionierten Branchen bereits in sich, und ein großes Bündel ungelöster standortpolitischer Reformprobleme wirft er den nächsten Generationen auch noch vor die Füße.
Fazit
Wir können froh sein, dass die Schuldenbremse uns vor einer Wirtschafts- und Finanzpolitik bewahrt, die einfach die weiße Salbe der Subventionen auf alle Probleme schmiert und hofft, dass der Tag der Abrechnung erst in einer fernen Legislaturperiode kommt. Der Deutschland-Investitionsfonds ist der institutionalisierte Versuch, sich vor anstrengender Standortpolitik und schwieriger Prioritätensetzung bei den Staatsausgaben zu drücken. Es bleibt zu hoffen, dass er keine Zweidrittelmehrheit finden wird.
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