Die Wohnungspreise in Deutschland sind in den letzten zwei Jahren um rund 10% gesunken. Das genaue Ausmaß des Rückgangs hängt von der Lage sowie der Qualität des Objekts ab – sowie vom herangezogenen Preisindex. Hinsichtlich aller drei Aspekte gibt es zwar bemerkenswerte Unterschiede in Details, doch darum soll es in diesem Beitrag nicht gehen, denn im Großen und Ganzen lassen sich stets drei Kernbotschaften in (fast) allen Indexreihen erkennen: Erstens ist der Preisrückgang deutlich stärker als in früheren Marktschwächephasen. Zweitens werten Bestandsimmobilien heftiger ab als Neubauten, weil die Herausforderungen der energetischen Erneuerungen eher auf Bestandsbauten liegen als auf neuen Gebäuden. Drittens gibt es Signale, dass zumindest mit Blick auf die Preisdynamik auf den Wohnungsmärkten das Schlimmste hinter uns liegen könnte. Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Zum Beispiel nimmt das Volumen der auf Plattformen vereinbarten Immobilienfinanzierungen seit Monaten zu, die Suche nach Immobilien im Internet sowieso, und einige Wohnungspreisindizes haben ihre Talsohle durchschritten. Dies kann durchaus als Teil eines Normalisierungsprozesses begriffen werden.
Hierbei muss jedoch konkretisiert werden, dass Normalisierung nicht bedeutet, dass es zu einer raschen Rückkehr zu den turbulenten Aufschwungsjahren vor 2022 kommen wird. Dies hat sowohl damit zu tun, dass der zurückliegende Aufschwung in vielfacher Hinsicht eine Ausnahmekonstellation darstellte als auch damit, dass der Ausblick nach vorne eher gedämpft ist.
Fangen wir mit der Ausnahmekonstellation der 2010er Jahre an: Vor der Finanzkrise galten die deutschen Wohnungsmärkte (sowie in Europa zusätzlich die österreichischen und weltweit die japanischen) insofern als Ausreißer, dass sie mit den anderen Wohnungsmärkten schwach korrelierten. Die Zinssenkungsphase, die im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die anschließende Staatsschuldenkrise geradezu erzwungen wurde, begünstigte Deutschland und damit auch die Immobiliennachfrage, denn die europäischen Zinsen mussten sich auch an den belasteten südeuropäischen Ländern orientieren. Dieser Nachfrageschub wurde durch Zuwanderung aus Süd- und Osteuropa verstärkt. Weil gleichzeitig das deutsche Wirtschaftsmodell einer auf globale Industriegüter ausgerichteten Wirtschaft von dem anhaltenden Boom in Asien, v.a. China, profitierte, waren quasi alle Bestimmungsfaktoren der Immobiliennachfrage auf Wachstums justiert. Dies betraf sowohl die Nutzer-, viel mehr noch die Investmentmärkte. Das Preiswachstum schnellte im Segment der Wohnimmobilien als auch bei Gewerbebauten nach oben.
Doch weil ein großer Teil dieses Preisbooms – also der Dynamik auf den Investmentmärkten – durch die niedrigen Zinsen begründet war, endete der Aufschwung mit der Zinswende, die im Sommer 2022 eingeleitet wurde. Um dies einzuordnen: der Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft wurde von der EZB von 4,25% im Sommer 2008 auf 1% nicht einmal ein Jahr später gesenkt. Bis 2014 sanken die Zinsen auf (etwa) Null und blieben dort bis Mitte 2022. In dem einmal jährlich durchgeführten Projekt der IREBS zur Entwicklung der gewerblichen Immobilienfinanzierung rechnete im Jahr 2020 nur eine einzige der 25 befragten Banken mit einer Zinserhöhung innerhalb der nächsten drei Jahre. Selbst 2021 rechneten noch drei von vier befragten Banken damit, dass die sehr niedrigen Zinsen noch mindestens drei Jahre (zum Teil mehr als 10 Jahre) gelten würden.
Der Anstieg der Zinsen durch die EZB um 4,5 Prozentpunkte innerhalb von 14 Monaten verschob nicht nur diese Erwartungshaltung, sondern veränderte die Kalkulation von Projektentwicklern, Investoren und Finanzierern. Dieser Zinsanstieg erfolgte (absolut) doppelt so schnell und fiel doppelt so stark aus wie der Zinsanstieg unmittelbar vor der Finanzkrise. Weil deutsche Immobilien eben nicht mehr der seltsame Ausreißer waren wie 2008 kam es dieses Mal anders als 2008 zur Neubewertung von Objekten in Deutschland sowie zur Verschiebung von Bauaktivitäten.
Und damit sind wir bei dem zweiten Aspekt, warum eine Wiederholung der Preisdynamik der 2010er Jahre unwahrscheinlich ist, dem Blick nach vorne. Die Bauwirtschaft bleibt ein Bremsklotz für die Wirtschaft. Zum Schubgeber wie in den frühen 2010er Jahren wird sie nach handelsüblichen volkswirtschaftlichen Prognosen nicht. Doch das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wird in den nächsten Jahren nicht nur wegen der Schwäche am Bau geringer ausfallen als nach der Finanzkrise, sondern eben auch weil nicht mit einem neuen geldpolitischen Stimulus gerechnet werden kann (das Survey der Monetary Analysts der EZB weist selbst für 2027 mit einem mittleren Zinssatz von 2,4% deutlich weniger Spielraum für Zinssenkung aus als vor 15 Jahren). Hinzu kommt, dass das auf globale Nachfrage nach Industriegütern ausgerichtete deutsche Wachstumsmodell unter der Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik im eigenen Land sowie unter der Wachstumsschwäche Chinas leidet. Weniger gesamtwirtschaftliches Wachstum bedeutet auch weniger immobilienwirtschaftliches Nachfragewachstum.
Insbesondere für die Gewerbeimmobilienmärkte kommt hinzu, dass die demografischen Trends der nächsten Jahre heute ihre Schatten stärker werfen als vor 15 Jahren, weil die realisierten Arbeitsmarkterfolge (Halbierung der Arbeitslosenzahlen auf unter 2,3 Millionen im Jahr 2019) naturgemäß kein zweites Mal erreicht werden können. Gleichzeitig verliert Deutschland seine Magnetfunktion für Arbeitsmarktmigration innerhalb Europas, weil andere Länder schneller wachsen. Und schließlich, die Verschiebung, die sich in der Post-Corona-Welt durch vermehrtes Nutzen von Home-Office ergibt, belastet die wichtigste Gewerbeimmobilienklasse, Büro, zusätzlich.
All dies bedingt, dass es eine Normalisierung mit weniger Wachstum, mehr Unsicherheit, mehr Vorsicht auf Seiten der Banken und daraus folgend höheren Mietrenditen geben wird – und mit mehr Unterschieden zwischen den einzelnen Assetklassen. Unter anderem weil sich das regulatorische Umfeld seit der Finanzkrise für Finanzinstitute geändert hat (und weiterhin ändert), sind die Finanzmarktrisiken gleichwohl spürbar geringer als im Zuge der Finanzmarktkrise.
Innerhalb der Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft wird es während dieser Normalisierungsphase zu Verschiebungen kommen: alle Dienstleistungssegmente, die am Gebäude ansetzen, um dem Nutzer direkt zu dienen, werden gewinnen, Asset Management, Property Management, Energiemanagement. Transaktions- und baunahe Segmente werden sich mühsam erholen.
Literatur:
Just, T. (2022) Internationale Wohnungsmärkte entwickeln sich synchron: Keine gute Nachricht für 2022. Wirtschaftliche Freiheit 02.09.2022, http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=31540 [Zugriff am 17.07.2024].
Just, T. und Uttich, S. (2024). Es sind nicht nur Gebäude. 3. Auflage, FAZ-Verlag. Frankfurt.
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