US-Präsidentschaftswahlen (4)
Trump legt zu

Trump legt in den Swing States zu

Schaut man nur auf die nationalen Umfragen, so haben sich die Wahlabsichten in den letzten Wochen wenig verändert. Gemäß der Auswertungsplattform Realclearpolitics.com liegt Kamala Harris im Durchschnitt der Umfragen knapp zwei Prozentpunkte vor Donald Trump. Dies ist nur unwesentlich weniger als im letzten Monat. Dennoch räumen die Wettmärkte einem Sieg Trumps inzwischen eine Wahrscheinlichkeit von etwa 57% ein, nachdem im September Harris größere Chancen zugebilligt wurden (Abb. 1).

Auslöser für diesen Umschwung dürften die Ergebnisse der jüngsten Umfragen in den umkämpften Bundesstaaten (Swing States) sein, in denen sich letztlich entscheidet, wer die Mehrheit im Wahlkollegium erringt. Während Harris vor drei Wochen noch in vier dieser sechs Bundesstaaten vorne lag, hat sie nun nur noch in Wisconsin einen leichten Vorsprung (Abb. 2). Dabei muss Harris wahrscheinlich alle drei Staaten des „Rostgürtels“, also Pennsylvania (19 Wahlleute), Michigan (15) und Wisconsin (10) gewinnen, um Präsidentin zu werden. Etwaige Niederlagen hier müsste sie durch Erfolge in den Swing States des Südens oder Südwestens ausgleichen, also in Georgia (16), Arizona (11) und Nevada (6), auf die zusammen 33 Stimmen entfallen. Dies bedeutet allerdings auch, dass sie die bei einer Pleite sowohl in Pennsylvania als auch in Michigan fehlenden 34 Stimmen nur dann ausgleichen kann, wenn sie zusätzlich in einem eigentlich sicher Trump zugeneigten Staat eine Sensation schafft.

Angesichts der üblichen Fehlermargen der Umfragen von meist plus/minus 3 Prozent ist das Rennen in den Swing States noch längst nicht entschieden. Aber die Ausgangsposition hat sich für Harris zuletzt etwas verschlechtert.

Beide wollen „Made in America“

Betrachtet man die Programme der beiden Kandidaten, gibt es durchaus Gemeinsamkeiten. Dies gilt in wirtschaftlicher Hinsicht vor allem für die Industriepolitik, die beide Lager für sich entdeckt haben. Sicherlich gibt es hier unterschiedliche Schwerpunkte, aber „Made in America“, also die heimische Industrie, wollen alle fördern. Protektionismus ist neben umfangreichen Subventionen das Mittel der Wahl. Hier spielen auch Erwägungen der nationalen Sicherheit eine Rolle – beide Parteien haben China als weltpolitischen Rivalen ins Visier genommen.

Trump: Massive Zollerhöhungen …

Insgesamt überwiegen aber die Unterschiede zwischen den Kandidaten. So sieht Donald Trump in Zöllen offenbar eine wirtschaftspolitische Allzweckwaffe. Mit ihnen soll nicht nur die amerikanische Industrie geschützt werden, sondern die erhofften Einnahmen sollen auch einen Umbau des Steuersystems weg von der direkten Einkommensbesteuerung finanzieren. Teilweise sind Trumps Zollvorstellungen sicherlich auch Teil eines Verhandlungspokers mit den Handelspartnern. So hat er immer wieder Zollsätze von bis zu 1000% ins Spiel gebracht. Wir orientieren uns hier aber an seinen ursprünglichen Aussagen, wonach er für China einen allgemeinen Zollsatz von 60% (im Durchschnitt liegt dieser Zoll jetzt bei 10%) plant und für alle anderen Importe einen von 10%.

Nicht ganz klar ist, ob er auch Zölle innerhalb der nordamerikanischen Freihandelszone erhöhen will (die ehemalige NAFTA, jetzt USMCA). Unter Berücksichtigung der üblichen Elastizitäten (direkte Importe aus China würden rascher fallen als solche aus mit weniger hohen Zöllen belasteten Lieferländern) würde der durchschnittliche Zoll dann voraussichtlich auf rund 15% steigen, ein Wert, wie er zuletzt in den 1930er Jahren zu beobachten war (Abb. 3).

… Steuersenkungen, …

Die erhofften Zolleinnahmen sollen auch dazu dienen, die Beibehaltung der im Jahr 2017 – also während Trumps erster Präsidentschaft – erfolgten Einkommensteuersenkungen (die Anfang 2026 auslaufen) sowie die geplante Senkung der Körperschaftssteuer von 21% auf 15% für Unternehmen „die ihre Produkte in Amerika herstellen“ zu finanzieren. Dadurch würde das Steuersystem teilweise auf eine Verbrauchssteuer (die Zölle) umgestellt, die allerdings deutlich ineffizienter wäre als eine allgemeine Mehrwertsteuer, da sie nur importierte Waren betrifft.

Die Schätzungen der Kosten für die geplanten Steuererleichterung gehen aufgrund der unklaren Pläne und ständig neuen Vorschläge weit auseinander. Das überparteiliche Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB) rechnet damit, dass sich die Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen in den kommenden zehn Jahren (der übliche Planungshorizont der US-Steuerpolitik) auf gut 10 Billionen Dollar summieren würden, wobei die Spanne von 6,8 und 15,7 Billionen Dollar reicht, was 1,8% bis 4,1% des Bruttoinlandsproduktes in diesem Zeitraum entspricht. Rechnet man die avisierten Einnahmeerhöhungen durch die Zölle in Höhe von 2,7 Billionen Dollar ein und berücksichtigt auch noch versprochene Ausgabeerhöhungen, kommt man für die kommenden zehn Jahre auf ein zusätzliches Defizit Defiziterhöhung von 71/2 Billionen Dollar; das entspricht einer Erhöhung der Defizitquote (Defizit in % des Bruttoinlandsprodukts) um rund 2 Prozentpunkte im Durchschnitt der kommenden zehn Jahre (Tabelle 1).

… und strikte Restriktion bei der Einwanderung

Neben der Begrenzung der illegalen Einwanderung (ein parteiübergreifendes Projekt) will Trump die bereits im Lande befindlichen Personen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis abschieben. Das würde Schätzungen von Pew Research zufolge etwa 11 Millionen Menschen betreffen, was immerhin 3% der Bevölkerung entspricht.

Trump würde für mehr Inflation sorgen

Die von Trump geplanten Steuersenkungen würden die Wirtschaft kurzfristig sicherlich anschieben, wobei man allerdings berücksichtigen muss, dass die Verlängerung der Einkommensteuersenkung von 2017 nur den Status Quo beibehalten, also keinen neuen Impuls geben würde. Auf mittlere bis lange Sicht könnte die Umsetzung von Trumps Plänen die Wirtschaft sogar belasten. So würden höhere Zölle die internationale Arbeitsteilung einschränken, und die Restriktionen bei der Einwanderung oder gar eine Abschiebung illegaler Einwanderer würde die schon jetzt in vielen Bereichen bestehende Knappheit an Arbeitskräften verschärfen.

Letzeres würde die Löhne und damit auch die Verbraucherpreise schneller steigen lassen. Hinzu kämen die Auswirkungen der von Trump geplanten Zölle. So kommen Untersuchungen zu den Wirkungen der Zollerhöhungen 2017ff., die vor allem Importe aus China trafen, zu dem Ergebnis, dass die Kosten praktisch vollständig auf die Amerikaner überwälzt wurden. Bei einem geschätzten Importanteil des privaten Verbrauchs von ca. 10% (davon etwa 2 Prozentpunkte aus China) könnte ein Zoll von 10% auf alle importierten Güter das Preisniveau um fast 1% anheben, der Sondersatz von 60% für Importe aus China dürfte ein weiteres Prozent hinzufügen. In der Praxis würden die Preise vielleicht nicht ganz so stark steigen, da es zu Ausweichreaktionen auf nicht-chinesische Güter käme oder weil die Unternehmen einen Teil des Anstiegs nicht an die Endverbraucher durchreichen.

Insbesondere die inflationstreibende Wirkung der Pläne Trumps könnte mittelfristig zu einem Konflikt mit der Fed führen. Diese wird höhere Inflationsraten nicht ohne weiteres tolerieren und dürfte darauf mit einer restriktiveren Politik antworten. Hier könnte Trump erneut versuchen, die Fed in seinem Sinne zu beeinflussen. Eine Gelegenheit hierfür wäre die Ernennung des nächsten Vorsitzenden des Board (Powells Amtszeit läuft im Mai 2026 ab, wobei nicht zu erwarten ist, dass ihn ein Präsident Trump erneut nominieren würde).

Harris wäre die konventionellere Wahl

Wie oben bereits erläutert, wird die 2017 vorgenommene Senkung der Einkommensteuersätze Anfang des Jahres 2026 automatisch zurückgenommen. Kamala Harris möchte die niedrigeren Sätze für Einkommen bis 400 Tsd Dollar dauerhaft beibehalten. Im Unterschied zu Trump sollen die Steuersätze für höhere Einkommen aber wieder auf das alte Niveau steigen. Zugleich hat ihr Programm eine stärkere sozialpolitische Komponente. Sie plant zusätzliche Entlastungen für ärmere Familien und stellt höhere Hilfen für Kinder in Aussicht. Im Unterschied zu Trump sind ihre Vorschläge aber zu einem höheren Teil gegenfinanziert. Das CRFB schätzt, dass Harris das Defizit im Durchschnitt der kommenden zehn Jahren nur um rund 1% des BIP erhöhen würde. Dabei ist allerdings zweifelhaft, dass die von ihr geplante Erhöhung der Körperschaftssteuer von aktuell 21% auf 28% im Kongress durchsetzbar ist; dazu bräuchte sie eigene Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses (was unwahrscheinlich ist, siehe unten).

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Harris keine allgemeinen Zollanhebungen in großem Umfang plant. Sicherlich sind, wie bereits in der aktuellen Administration, weitere protektionistische Maßnahmen im Handel gegenüber China möglich, die sich aber auf sicherheitspolitisch sensitive Güter konzentrieren dürften. Ein ausgewachsener Zollkonflikt mit der EU, was eine wahrscheinliche Folge einer Umsetzung der Pläne von Trump wären, ist bei ihr nicht zu erwarten. Allerdings wird Harris wie andere Präsidenten auch, amerikanische Interessen im Bereich der Außenwirtschaftspolitik robust durchsetzen.

Schließlich hat Harris bereits öffentlich versprochen, dass sie sich nicht in die Geldpolitik der Fed einmischen würde. Das Risiko eines Konflikts zwischen Fed und Weißem Haus wäre hier deutlich geringer.

Umsetzbarkeit hängt auch vom Kongress ab, …

Inwieweit Trump und Harris ihre Pläne durchsetzen können, hängt auch davon ab, wie die gleichzeitig mit der Präsidentenwahl stattfindenden Kongresswahlen ausgehen. So verfügt der Präsident zwar über recht große Freiheiten in der Außenpolitik und beim internationalen Handel (weshalb Trump die Zölle auch ohne die Zustimmung der beiden Parlamentskammern spürbar erhöhen könnte). Bei Änderungen der Steuern wäre aber die Zustimmung des Kongresses notwendig.

Im Senat, von dessen Mitgliedern ein Drittel neu gewählt wird, werden die Demokraten wahrscheinlich ihre 51:49 Mehrheit im Senat einbüßen. Im Repräsentantenhaus, das vollständig neu gewählt wird, verfügen die Republikaner derzeit über eine knappe Mehrheit. Wahrscheinlich ist, dass der künftige Präsident einige Abgeordnete in den besonders umkämpften Wahlkreisen „mitzieht“, sodass der neue Amtsinhaber wohl auf die Unterstützung durch diese Kammer bauen kann. Dies gilt vor allem für die Republikaner wegen der etwas besseren Ausgangsbasis.

Damit dürfte ein Präsident Trump vermutlich über knappe Mehrheiten in beiden Kammern verfügen, eine Präsidentin Harris allerdings wahrscheinlich nicht. Daher erwarten wir, dass Trump eher seine Agenda abarbeiten kann als Harris. Für den Rentenmarkt wäre also ein Sieg von Trump wohl eine schlechte Nachricht. Seine Pläne sind gemessen an der Defizit- und Inflationswirkung nicht nur aggressiver, sondern haben auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, umgesetzt zu werden.

… und die schönen Pläne treffen auf hässliche Haushaltslage

Alle Vorhaben sind vor dem Hintergrund eines Staatshaushalts mit bereits jetzt chronisch überhöhten Defiziten zu bewerten. Im gerade zu Ende gegangenen Haushaltsjahr lag der Fehlbetrag im Bundeshaushalt bei 6,5% des BIP, ein für eine vollbeschäftigte Wirtschaft ungewöhnlich hoher Wert. Bereits auf der Basis der aktuellen Gesetzeslage (und damit unter der unrealistischen Annahme, dass alle Steuersenkungen planmäßig Anfang 2026 auslaufen) erwartet das Haushaltsbüro des Kongresses (CBO) für die kommenden 10 Jahre ein Defizit von durchschnittlich 6,3% des BIP (Abb. 4). Die Pläne der Kandidaten würden die Defizite weiter erhöhen und damit die Schulden sowie die auf diese zu entrichtenden Zinsausgaben noch schneller steigen lassen. Letztere entsprechen schon jetzt rund 18% der Einnahmen, ein Wert wie er bisher nur einmal – Anfang der 1990er Jahre – erreicht wurde. Eine zu unvorsichtige Haushaltspolitik könnte der US-Politik daher mittelfristig einen „Liz Truss-Moment“ bescheren. Eine vergleichsweise moderate Anhebung geplanter Defizite hatte in Großbritannien im Herbst 2022 zu einer heftigen Reaktion der Bondmärkte geführt, was Truss nach kurzer Zeit das Amt der Premierministerin kostete.

Bernd Weidensteiner und Christoph Balz
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