Trumponomics (4)
Handel, Dollar, Sicherheit
Hat Donald Trump einen Plan?

„Ja; mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch’nen zweiten Plan, gehen tun sie beide nicht.“ (Berthold Brecht)

„Die nervöse Unrast, die heute verwirft, was gestern galt, schafft ein großes Maß von Unsicherheit und verhindert viele Investitionen“. (Walter Eucken)

Am 20. Januar 2025 wurden die Trump-Festspiele wieder eröffnet. Die erste Präsidentschaft endete mit dem Angriff auf das Kapitol in einem staatspolitischen Eklat. Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem Donald Trump die Öffentlichkeit mit Dekreten überschüttet. Das ökonomische Hauptstück handelt von Zöllen, das sicherheitspolitische von der Ukraine. Überall handelt er gegen geltende Regeln, stößt Freund und Feind vor den Kopf, produziert ständig Chaos, manchmal auch Entsetzen. Jeden Tag trifft er eine neue Entscheidung. Was er heute lautstark verkündet, ist aber oft schon morgen nicht mehr gültig. Zölle werden heute angekündigt, manche werden exekutiert, andere morgen erst einmal wieder ausgesetzt. Die militärische Hilfe für die Ukraine wird heute verweigert, morgen wieder gewährt. Was treibt Donald Trump an? Hat er einen Plan? Kann dieser Plan funktionieren? Was bedeutet sein Treiben für Europa?

Donald Trump ein Meister der Dekrete

Donald Trump verkündet es landauf, landab: Die USA würden vom Ausland über den Tisch gezogen. Die Schlimmsten seien die Europäer. Die EU sei gegründet worden, um die USA zu verarschen. Das sei ein unhaltbarer Zustand. Er werde ihn beenden. Ökonomisch arbeitet er sich schon lange an den amerikanischen Defiziten in der Handelsbilanz ab. Amerikanische Kaufkraft würde nicht im Lande bleiben, sondern ins Ausland abfließen. Schlecht sei aber auch, dass amerikanische Handelsbilanzdefizite die De-Industrialisierung in den USA beschleunigen würden. Gut bezahlte Arbeitsplätze gingen verloren, Industriearbeiter würden verarmen, einst blühende Regionen würden zu einem „rust belt“. Das alles geschähe, weil das Ausland, unfair spiele. Die Zölle seien höher, Subventionen würden üppiger fließen, die Währungen würden manipuliert.

Die neuste Volte ist die These der Trumpisten, das Ausland nutze den Dollar als Reservewährung und schade den USA, weil deshalb der amerikanische Dollar stärker aufwerte. Eine Aufwertung schade aber der heimischen Wirtschaft. Die inländischen Güter würden teurer, amerikanische Exporteure würden weniger wettbewerbsfähig, die Handelsbilanz der USA gerate ins Defizit, der Prozess der De-Industrialisierung würde beschleunigt. Diese These wird neuerdings auch vom Vorsitzenden des CEA, Stephen Miran, vertreten (hier). Er folgert daraus, das amerikanische Handelsbilanzdefizit ließe sich verringern, wenn weniger Kapital aus dem Ausland in die USA fließen würde. Eine „Gebühr“ für die Nutzung des Dollars als Reservewährung würde die Kapitalströme in die USA verringern, den Dollar abwerten und die Defizite in der Handelsbilanz abbauen.

Und noch etwas gefällt Donald Trump nicht. Das Ausland lebe sicherheitspolitisch unter dem amerikanischen Schutzschuld, ohne dafür adäquat zu bezahlen. Am wildesten treibe es Europa. Es erfülle – zumeist – die in der NATO vereinbarte 2 %-Marke für Verteidigungsausgaben nicht, obwohl sie es immer wieder versprächen. Europa fahre verteidigungspolitisch Trittbrett. Das müsse sich ändern. Sicherheitspolitisch reichten die amerikanischen Ressourcen immer weniger, um sich um alles in der Welt zu kümmern. Die USA müsse Prioritäten setzen. Die verteidigungspolitische Arbeitsteilung müsse so aussehen, dass sich die USA um den chinesischen Erzkonkurrenten kümmere. Die Europäer sollten sich militärisch um ihren Vorgarten kümmern und Russland im Zaum halten. Gegenwärtig sei die Unterstützung der Ukraine vor allem die Aufgabe der Europäer.

Hat Donald Trump einen Plan?

Die Trump-Aufführungen werden unterschiedlich interpretiert. Die einen sind der Meinung, Donald Trump habe keinen Plan. Andere vermuten hinter seinem Verhalten eine ausgeklügelte Strategie. Zur ersten Gruppe zählt Joe Stiglitz, ein amerikanischer Nobelpreisträger. Er ist der Meinung, Donald Trump habe nicht nur keine Strategie, er habe auch keine Ahnung, was ökonomische Fragen angeht. Richard Baldwin, ein angesehener Handelsökonom in Lausanne, vermutet hinter dem Trump’schen Verhalten, Inkompetenz, Bösartigkeit und Geltungssucht (hier). Der Drang, in der Öffentlichkeit gut dazustehen, ein ausgeprägtes Ego und eine Echokammer, die ihn von relevanten Informationen abschirmt, würden sein Verhalten bestimmen. Ökonomische Rationalität käme bei seinen sprunghaften Entscheidungen entschieden zu kurz.

Donald Trump handelt nicht planlos. Er ist überzeugt, das Ausland behandle die USA schlecht, handels-, währungs- und verteidigungspolitisch. Das müsse ein Ende haben. Die Defizite in der Handelsbilanz seien ein guter Indikator, dass die USA übervorteilt werden. Mit einer strikten Zollpolitik will er die amerikanische Handelsbilanz ausgleichen. Zölle sind Steuern auf Importe und Subventionen für Exporte. Sie sollen Importe verringern und Exporte erhöhen. Die Trump’sche Zollpolitik ist verworren, inkohärt und sprunghaft. Das Arsenal an Zöllen, auf die Trump setzt, ist groß. Zölle auf Fertigprodukte sind eine Variante, wie etwa 30 % auf alle Güter. „Reziproke“ Zölle sind eine andere Spielart. Sie sollen am 2. April in Kraft treten. Wie sie ausgestaltet werden, wer sie zahlen muss, wie lange sie gelten sollen, das alles ist unklar.  Zölle auf bestimmte Produkte, wie 25 % auf Stahl und Aluminium, sind eine dritte Variante. Das trifft alles, das diese Ressourcen enthält. Stahl und Aluminium ist in sehr vielen Endprodukten. Eine vierte, besondere Ausprägung sind Zölle auf Zwischenprodukte. Trump will alle Varianten nutzen, um die Handelsbilanz auszugleichen.

Auch währungspolitisch bleibt Donald Trump seiner Linie treu: Wenn das Ausland eine Dienstleistung der USA in Anspruch nehme, müsse es auch dafür bezahlen. Trittbrettfahren soll nicht mehr möglich sein. Tatsächlich nimmt die Welt die Dienste des Dollars als Reservewährung stark in Anspruch. Der Dollar dominiert internationale Transaktionen. Andere Währungen, wie der Euro oder der Renminbi, sind keine wirkliche Konkurrenz. Er ist Numéraire im Devisenhandel. Den Großteil der Devisenreserven halten die Notenbanken in Dollar. Die internationalen Nutzer des Dollar haben Vorteile, ohne dafür zu zahlen. Den USA entstehen Nachteile. Die Nachfrage nach Dollar steigt. Er wertet auf. Die De-industrialisierung wird beschleunigt. Dafür, so die Trumpisten, sollen die Nutzer der Reservewährung zahlen. Sie vergessen allerdings zu erwähnen, dass es der Dollar als Reservewährung den USA erleichtert, die Haushalts- und Handelsbilanz-Defizite kostengünstiger zu finanzieren, an den Kapitalmärkten enorme Macht zu sichern und den Dollar als Waffe in Form von Wirtschaftssanktionen einzusetzen. Die USA sind in einem Dilemma: Mit Blick auf die Industrie ist der Dollar zu stark – aber mit Blick auf den Kapitalmarkt darf er nicht zu schwach werden (Gerald Braunberger).

Donald Trump nahestehende Ökonomen entwickelten einen subtileren währungspolitischen Plan (Mar-a-Lago Accord), wie man den Dollar gezielt abwerten könne. Die Grundidee: Wen ausländische Gläubiger den Dollar nutzen, sollen sie dafür bezahlen. Sie müssen eine Gebühr entrichten. So sollten etwa ausländische Halter von US-Staatsanleihen angehalten werden, ihre Bestände in solche mit langer Laufzeit (100 Jahre) und niedriger oder keiner Verzinsung umwandeln. Weniger Anleihen würden jährlich fällig, die Gläubiger hätten weniger Mittel, die sie reinvestieren können. Der Dollar würde schwächer. Das Haushalts- und Handelsbilanz-Defizit ließe sich leichter und sicherer finanzieren. Da kein ausländischer Gläubiger eine solche Transaktion freiwillig durchführt, sollen Zölle auf Importe oder ein angedrohter Entzug von militärischem Schutz den Druck auf das Ausland erhöhen. Wer die Gebühren für die Nutzung des Dollar zahlt, erhält einen Rabatt bei den Zöllen oder wird voll umfänglich von den USA militärisch geschützt. So weit der Plan. Ob er funktioniert, ist allerdings eine andere Frage.  

Was Donald Trump verteidigungspolitisch plant, liegt noch im strategischen Nebel. Klar ist allerdings, militärischer Schutz durch die USA wird künftig eine kostenpflichtige Dienstleistung. Wer von den USA militärischen Schutz will, bekommt ihn, muss allerdings dafür bezahlen; wer nicht oder nicht ausreichend zahlt, erhält auch keinen oder weniger Schutz. Das trifft vor allem die Europäer, die bisher Trittbrett fuhren. Sehr deutlich wird diese Haltung bei der amerikanischen Militärhilfe für die Ukraine. Trump will sie nur weiter unterstützen, wenn sie dafür bezahlt. Die Trump’sche Forderung, wonach amerikanische Unternehmen den ersten Zugriff auf die Hälfte der ukrainischen Rohstoffe haben, zeigt wohin verteidigungspolitisch die Reise gehen soll. Sicherheitsgarantien für die Ukraine will er nur geben, wenn die Europäer mit einer Friedenstruppe, also „boots on the ground“, Gewehr bei Fuß stehen. Auf die NATO kommen schwere Zeiten zu. Es geht nicht mehr nur um die 2 %, es geht um (viel) mehr.

Können die Pläne funktionieren?

Donald Trump handelt nicht planlos. Den medialen Lärm, den er verbreitet, die erratischen Schwankungen, die er produziert, den strategischen Nebel („flooding the zone“), den er erzeugt, führen in die Irre. Er hat einen Plan. Es spricht allerdings vieles dafür, dass er scheitern wird. Handelspolitisch hängt Donald Trump einem merkantilistischen Irrtum nach. Er interpretiert Defizite in der Handelsbilanz falsch. Sie sind kein Indikator, dass die USA übervorteilt werden (hier). Und Donald Trump ist besessen von Zöllen. Das ist grober Unfug. Zölle sind in jeder Hinsicht ein untaugliches Instrument der Handelspolitik. Grundsätzlich „gewinnt die Makroökonomie immer“ (Richard Baldwin). Die Aufwertung des Dollar neutralisiert die Wirkungen der Zölle auf die Handelsbilanz. Kommt es zur Vergeltung des Auslandes, gilt das umso mehr (hier). Zölle schaden allen, auch der amerikanischen Wirtschaft. Sie unterbrechen internationale Lieferketten. Die Vorteile des internationalen Handels erodieren. Besonders schädlich sind Zölle auf Zwischenprodukte. Die steigenden Kosten der importierten Zwischenprodukte treffen die Produktionsprozesse amerikanischer Unternehmen unmittelbar. Donald Trump verschärft die negativen Wirkungen von Zöllen, weil er Unsicherheit sät, welche Zölle kommen, ob sie kommen, wann sie kommen, wie hoch sie sind und ob sie wieder zurückgenommen werden. Wie sollen unter diesen Bedingungen, Unternehmen sich entscheiden zu investieren?

Eine protektionistische Handelspolitik ist auch währungspolitisch für die USA heikel. Hätte sie Erfolg, gefährdete sie die Stellung des Dollar als Reservewährung. Gelänge es Trump mit einer restriktiven Zollpolitik das Handelsbilanz-Defizit zu verringern, wäre der Erfolg allerdings flüchtig. Die im Ausland umlaufende Menge an Dollar würde sinken. Das Angebot an weltweiter Liquidität ginge zurück (Triffin-Dilemma). Der „originäre“ Aufwertungseffekt höherer Zölle würde verstärkt, das amerikanische Handelsbilanz-Defizit stiege wieder an. Für die Handelsbilanz wäre wenig gewonnen. Negativ würde für die USA zu Buche schlagen, dass sie ihre eigene Reservewährung sabotierten. Die „seigniorage“ aus dem Dollar als Reservewährung würde sinken. Für die USA würde es schwieriger, andere Länder finanziell wirksam zu sanktionieren. Vor allem aber würde es für die USA teurer, die Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren. Die USA kämen wohl nicht umhin, das für das Leistungsbilanz-Defizit ursächliche Haushalts-Defizit anzugehen (hier). Das ist allerdings politisch unpopulär, auch in den USA. Darum drückt sich Donald Trump.

Die Idee, ausländische Nutzer des Dollar zur Kasse zu bitten, ist eine Schnapsidee. Sie scheitert schon daran, dass die USA die Gebühren dafür nicht durchsetzen können. Die Zollpolitik ist keine Hilfe, sie wird scheitern. Damit fällt sie als Druckmittel aus, um die Nutzer der Reservewährung zur Zahlung zu bewegen. Vor allem aber, die Vorteile der internationalen Nutzung des Dollar sind für die USA so groß, dass sie schwerlich darauf verzichten werden. Einiges deutet darauf hin, dass die US-Regierung die Ideen von Stephen Miran nicht ernsthaft verfolgt. Mit einem digitalen Dollar will sie neuerdings der Erosion des Dollar als Reservewährung entgegenwirken. Er soll als privater Dollar-Stablecoin auf den Markt kommen, durch US-Staatsanleihen abgesichert und von großen Tech-Unternehmen, wie etwa Meta, in Umlauf gebracht und bewirtschaftet werden. Damit schlägt Donald Trump zwei Fliegen mit einer Klappe: Er wirkt der Erosion des Dollar als Reservewährung entgegen und erleichtert die Finanzierung der riesigen Haushals- und Leistungsbilanzdefizite. Eine gezielte Abwertung des Dollar (Mar-a-Lago Accord) erreicht er allerdings nicht.

Der amerikanische Plan, vor allem die europäischen NATO-Mitglieder stärker zur Kasse zu bitten, ist nicht neu. Schon Barack Obama hat ihn geäußert, Joe Biden hat ihn wiederholt, Donald Trump scheint nun Nägel mit Köpfen machen zu wollen. Lange haben die Europäer die amerikanischen Präsidenten nicht ernst genommen. Das scheint sich jetzt zu ändern. Die Forderung, die Verteidigungsausgaben auf 2 % des BIP anzuheben, ist der Preis für den militärischen Schutz der Amerikaner. Donald Trump spricht nicht mehr über 2, sondern über 3, 4 oder gar 5 %. Von der Anhebung der Verteidigungsausgaben profitieren die USA direkt und indirekt. Direkt, weil amerikanische Truppen stärker durch europäische Streitkräfte ersetzt werden. Indirekt, weil die verstärkten Waffenkäufe der Europäer vor allem in den USA getätigt werden. Der höhere Preis für die militärische Dienstleistung der USA trägt dazu bei, dass die Europäer einen eigenen Schutz, mit mehr Truppen und europäischem Material, aufbauen wollen. Machen die Europäer tatsächlich ernst, erodiert das sicherheitspolitische Druckmittel der USA. Europa wird handels- und währungspolitisch weniger erpressbar.

Fazit

Donald Trump hat zwar (handelspolitisch) nicht alle Tassen im Schrank. Ganz planlos ist sein oft erratisch wirkendes Handeln aber nicht. Ob allerdings die Pläne aufgehen, ist eine andere Frage. Handelspolitisch will er verhindern, dass die USA über den Tisch gezogen werden. Währungspolitisch will er ausländische Nutzer des Dollar als Reservewährung zur Kasse bitten. Verteidigungspolitisch will er den militärischen Schutz anderer durch die USA kostendeckender gestalten. Alle die Pläne funktionieren aber nicht. Handelspolitisch ist Donald Trump (merkantilistisch) besessen von den amerikanischen Handelsbilanzdefiziten. Sein zollpolitischer Wahn kommt alle, auch die USA teuer zu stehen. Eine Gebühr für die internationale Nutzung des Dollar ist für die USA wie ein Schuss ins eigene Knie. Sie würden den „einzigartigen“ Vorteile einer dominanten weltweiten Reservewährung sabotieren. Eine globale Finanzkrise wäre unvermeidlich. Verteidigungspolitisches Trittbrettfahrer-Verhalten vor allem der Europäer zu verringern, hat dagegen was. Vielleicht zwingt es die EU endlich, militärisch auf eigenen Füßen zu stehen. Baut Europa einen eigenen Schutzschirm auf, ist es sicherheitspolitisch weniger von den USA abhängig. Das geschieht zwar nicht von heute auf morgen. Wenn es aber soweit ist, ist Europa auch ökonomisch weniger von Typen wie Donald Trump erpressbar. Nur: Billig wird das nicht!

Blog-Beiträge zu Trumponomics:

Norbert Berthold (JMU, 2025): Der zollpolitische Furor des Donald Trump. Wie sollte Europa darauf reagieren?

Norbert Berthold (JMU, 2025): Die seltsame Ökonomie des Donald Trump. Angebotspolitik, Zölle und Abschiebungen

Norbert Berthold (JMU, 2025): Donald Trump bekämpft das falsche Defizit. Handel, Zölle, Verschuldung

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