In meinem Beitrag vom 28. Januar 2025 habe ich auf diesem Blog das Bürokratieproblem diagnostiziert (hier). Eine Folgewirkung des Problems ist, dass Deutschland im internationalen Wettbewerbsranking an Boden verliert und erneut als der „kranke Mann Europas“ gilt. Trotz erster Entlastungsschritte durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV hat die Ampel-Regierung erhebliche neue Belastungen hinterlassen. Die kommende Bundesregierung muss daher entschlossen handeln. Aber lassen die ersten lesbaren Anzeichen diese Entschlossenheit auch erkennen?
In dem letzten Quartalsbericht des German Business Panel (vgl. German Business Panel 2025) sind noch einmal die konkreten mikroökonomischen Auswirkungen bürokratischer Belastungen in Deutschland deutlich geworden. Dort haben 54 Prozent der Unternehmen angegeben, dass sie aufgrund dieser Belastungen in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen nicht umgesetzt haben, 41 Prozent haben Produktneuentwicklungen ausgesetzt und 28 Prozent haben Projekte gar ins Ausland verlagert. Hier verdeutlicht sich noch einmal: Die zweifellos überbordende Bürokratie in Deutschland ist eine Investitions- und Innovationsbremse und damit schädlich für das Wirtschaftswachstum, um das es derzeit ohnehin nicht gut bestellt ist.
Ein erster Blick auf die bisherigen Weichenstellungen der mutmaßlich kommenden Bundesregierung zeichnet ein ambivalentes Bild. Prominent ist das Thema durchaus, wobei das, wie im Folgenden gezeigt wird, weniger überraschend ist. Wenn jedoch konkrete Maßnahmen in die Debatte vordringen, handelt es sich eher um enttäuschendes more of the same.
Versprechungen allerorten
Politstrategisch ist Bürokratieabbau zunächst ein dankbares Thema. Aufbau haben in der Regel immer nur vergangene Regierungen betrieben, und Bürokratie wird in praktisch allen Teilen der Gesellschaft als Belastung empfunden. Darüber hinaus reicht es häufig, lediglich im Abstrakten zu operieren, mit anekdotischer Evidenz von absurden Beispielen zu berichten und Besserung zu geloben. Applaus ist einem sicher. Kein Politiker würde in der Öffentlichkeit offen für einen konsequente Bürokratieaufbau werben.
Zumindest mit markigen Worten wurde im Vorfeld der Wahl und auch der nun laufenden Koalitionsverhandlungen nicht gegeizt. Noch während der Ampel-Regentschaft hat der wahrscheinlich kommende Bundeskanzler in einer Generaldebatte vom September 2024 im Bundestag verlauten lassen: „Unser Land erstickt in Bürokratie. Wir würden sofort alle Gesetze stoppen, die diesen wahnsinnigen Bürokratieaufwand immer noch weiter erhöhen.“ (Deutscher Bundestag 2025, Pl.-Pr. 20/118, S. 14536). Auch eine Wahlprogrammanalyse des Bund der Steuerzahler Deutschland e. V. (2025) hat folgerichtig ergeben, dass jede der zur Bundestagswahl angetretenen relevanten Parteien in der einen oder anderen Art Bürokratieabbau gefordert hat.
Was soll getan werden?
Es lässt sich nicht verhehlen, dass das Thema tatsächlich eine gewisse Priorität erhalten hat, schließlich wurde im Rahmen der laufenden Koalitionsverhandlungen eine eigene Arbeitsgruppe „Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung“ gegründet. Zwar ist hier noch viel im Fluss, aber die bisherigen Arbeitsergebnisse deuten in die richtige Richtung. Dort ist von grundlegenden Strukturreformen, dem Ende des Silo-Denkens und einer ambitionierten Modernisierungsagenda die Rede. Zudem soll der Staat vom Bürger her gedacht werden.
Die Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen um 20 Prozent gesenkt, die Wirtschaft um 25 Prozent ihrer Bürokratiekosten entlastet werden. Pro Jahr soll es außerdem mindestens ein Bürokratieabbaugesetz geben und die „One in, one out“-Regel soll zu einer „One in, two out“-Regel weiterentwickelt werden.
Was muss getan werden?
Auf dem Papier klingt das gut und – angesichts der bisherigen eher kleinschrittigen praktischen Erfahrungen im Bürokratieabbau – auch durchaus ambitioniert. Aber wie eingangs erwähnt ist das wenig überraschend. Auch künftig werden Regierungen ihre Wähler mit ähnlich wohlklingenden Abbauforderungen bezirzen.
Doch bislang ist es immer an der mutigen Umsetzung gescheitert. Bisher ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen es dieses Mal anders sein sollte. Gute Ansätze waren seit jeher oft zu zaghaft, bürokratische Entlastungen wurden durch neue Regulierungen an anderer Stelle wieder ausgeglichen, und Verwaltungsmodernisierungen verliefen im Sand. Die neue Bundesregierung muss daher beweisen, dass sie mehr als nur rhetorische Akzente setzen kann.
Die Bürokratie-Notbremse muss sofort greifen: Ein Moratorium für neue Regulierungen ist zwingend erforderlich, damit die bestehenden Belastungen nicht weiter anwachsen. Zudem muss der Bürokratieabbau messbar und überprüfbar gemacht werden – etwa durch klare Fristen und verbindliche Zielvorgaben für Ministerien und Behörden.
Vor allem aber braucht es eine konsequente Entlastung für Unternehmen und Bürger. Anstatt kleinteiliger Anpassungen muss der Staat veraltete Regelwerke grundlegend überarbeiten und unnötige Vorschriften ersatzlos streichen. Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Verwaltungsdigitalisierung, die endlich mit Tempo vorangetrieben werden muss, anstatt in Pilotprojekten und kleinteiligen Modellvorhaben steckenzubleiben.
Der Bürokratieabbau darf nicht länger ein bloßes Wahlkampfthema sein – er muss zur Leitlinie politischen Handelns werden. Wenn die neue Regierung wirklich einen wirtschaftlichen Neustart für Deutschland will, muss sie nun entschlossen handeln. Der Zeitpunkt, um mutige Reformen anzupacken, ist jetzt.
Literatur
Bund der Steuerzahler Deutschland e. V. (2025): Übersicht der Parteiprogramme. Online verfügbar unter https://steuerzahler.de/bundestagswahl/#c25297, zuletzt geprüft am 03.04.2025.
German Business Panel (2025): Unternehmenstrends im Januar 2025. GBP-Monitor. Online verfügbar unter https://backend.gbpanel.org/app/uploads/2025/01/gbp_monitor_2025_01.pdf, zuletzt geprüft am 03.04.2025.
Deutscher Bundestag (2025): Stenografischer Bericht der 118. Sitzung. Pl.-Pr. 20/118. Online verfügbar unter https://dserver.bundestag.de/btp/20/20118.pdf, zuletzt geprüft am 03.04.2025.
Serie: „Was Schwarz-Rot verspricht„
Holger Schäfer (IW): Was wird neu an der „Neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende“?
Norbert Berthold (JMU) und Jörn Quitzau (Bergos): Was Schwarz-Rot verspricht
- Was Schwarz-Rot verspricht (2)
Bürokratieabbau quo vadis? - 8. April 2025 - Wirtschaftspolitik neu ausrichten (6)
Bürokratieabbau forcieren – Staatseffizienz erhöhen - 28. Januar 2025 - Gastbeitrag
Bürokratie und ihr konsequenter Abbau - 3. Dezember 2024