Der griechische Philosoph Parmenides lehrte, dass Sprache Denken ist. Demnach steht Sprachverwirrung für verwirrtes Denken – und verwirrtes Denken wiederum (ver)führt zu falschem Handeln und ungewollten Ergebnissen. Der „Doublespeak“ – bekannt geworden durch Eric Arthur Blair (1903 – 1950), alias George Orwell – ist eine besonders augenfällige Sprach- und Denkverwirrung. Doublespeak wurde vom Begriff „Doublethink“, den Orwell in seinem Buch 1984 verwendet, abgeleitet (1977, S. 35):
„His mind slid away into the labyrinthine world of doublethink. To know and not to know, to be conscious of complete truthfulness while telling carefully constructed lies, to hold simultaneously two opinions which cancelled out, knowing them to be contradictory and believing in both of them, to use logic against logic, to repudiate morality while laying claim to it, to believe that democracy was impossible and that the Party was the guardian of democracy, to forget, whatever it was necessary to forget, then to draw it back into memory again at the moment when it was needed, and then promptly to forget it again, and above all, to apply the same process to the process itself ““ that was the ultimate subtlety: consciously to induce unconsciousness, and then, once again, to become unconscious of the act of hypnosis you had just performed. Even to understand the word “doublethink“ involved the use of doublethink.“
Der Euphemismus ist eine Form des Doublespeak: eine sprachliche Beschönigung, eine bewusste Verzerrung der Wahrheit. Euphemismen werden bekanntlich verwendet, um Handlungen, deren Folgen den Interessen anderer Gruppen zuwiderlaufen, zu legitimieren. Sie stellen „Manipulation der Sprache“ und „Manipulation durch Sprache“ dar.
Seit dem Ausbruch der internationalen Finanzmarktkrise haben Euphemismen in der Politik der „Krisenbekämpfung“ Hochkonjunktur – insbesondere in der Geldpolitik und ihrer Kommentierung durch geldpolitische Experten. Nur einige Beispiele seinen an dieser Stelle genannt:
- Wenn zum Beispiel von „alternativloser Politik“ gesprochen wird (etwa im Zuge der mit Steuergeldern finanzierten Eigenkapitalhilfen für Banken), so dient das dazu, staatliche Maßnahmen, denen die Steuerzahler (vermutlich) nicht zustimmen, unter den gegebenen Bedingungen als die einzig richtigen zu rechtfertigen.
- Eine Geldpolitik als “Quantitative Easing“ zu bezeichnen, erschwert oder macht es gar unmöglich, die wahre Konsequenz einer solchen Politik zu erkennen: Dass es sich nämlich um ein Ausweiten der Geldmenge handelt, die ökonomisch nichts anderes ist als eine Inflationspolitik.
- Gleiches gilt für den Begriff „Liquiditätsschwemme“. Er vernebelt, dass es die Zentralbanken sind, die die Geldmengen ungebührlich stark ausweiten und den Geldwert schwer schädigen; während die Ursache der „Geldmengenausweitung“ benennbar ist – die Zentralbank –, so ist dies nicht beim Begriff der „Liquidität“ nicht der Fall, weil der Begriff unbestimmt ist.
- Der Ausdruck „unkonventionelle Geldpolitik“ taucht die Aktionen der Zentralbanken in gutes Licht: Denn „konventionell“ steht für überkommen und althergebracht, während „unkonventionell“ mutiges und kreatives Handeln suggeriert.
- Das Kategorisieren einer Bank als „systemrelevante Bank“ qualifiziert sie für den Erhalt von staatlicher Stützung – und erlaubt so (widerspruchsfrei) das Ausreichen von staatlichen Privilegien an die Eigen- oder Fremdkapitalgeber dieser Bank (auf Kosten Dritter).
- Ein besonders illustratives Beispiel gibt die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer Pressemitteilung vom 10. Mai 2010. Dort heißt es: „Angesichts der derzeit außergewöhnlichen Marktsituation hat der EZB-Rat beschlossen, 1. Interventionen an den Märkten für öffentliche und private Schuldverschreibungen im Euro-Währungsgebiet (Programm für die Wertpapiermärkte) durchzuführen, um die Markttiefe und -liquidität in den gestörten Marktsegmenten sicherzustellen.“ Zum einen sind diese „Interventionen“ nichts anderes als staatliche Preiskontrollen für Anleihekurse (ausgewählter Emittenten). Zum anderen werden die Preiskontrollen mit „gestörten Marktsegmenten“ begründet. Doch gestört war der Markt zu keinem Zeitpunkt, auch während der Krise nicht: Vielmehr passten die Anleihepreise (und damit, uno actu, die Zinsen), die der freie Markt gebildet hat, einer Reihe von hoch verschuldeten Regierungen nicht.
Die Sprach- und Denkverwirrung durch geldpolitische Experten schwächt die korrigierenden Gegenkräfte einer schädlichen Politik. Denn die Sprachverwirrung macht es für die breite Öffentlichkeit schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die Effekte, die von den geldpolitischen Maßnahmen ausgehen, in ihrer (gesamten Langfrist)Wirkung zu bewerten. Zudem kommt es zu einer – wohl kaum geplanten – explosiven Eigendynamik.
Wenn eine einmal begonnene falsche Geldpolitik immer weiter fortgeführt wird, weil sich kein korrigierender Widerstand gegen sie formiert, geraten immer größere Teile der Bevölkerung in die Abhängigkeit der falschen Politik. Besonderes deutlich wird das mit Blick auf das Anwachsen des Staates. Der Staatsapparat kann sich vor allem deswegen immer weiter ausdehnen zu Lasten der Privatwirtschaft, weil der Staat die Hoheit über die Geldproduktion besitzt und Geld per Kreditvergabe „aus dem Nichts“ in Umlauf bringt.
Die wachsenden Ausgaben des Staates durch selbst geschaffenes Geld – die mittlerweile weit über das hinausgehen, was Steuerzahler (freiwillig) bereit sind, aus ihren Einkommen an den Staat zu übertragen – bringen immer grösser Teile der Bevölkerung in die (häufig sogar selbstgewählte) Abhängigkeit des Staates: ob nun in Form von staatlicher Altersvorsorge, Gesundheitswesen, Bildung oder Sicherheit, oder als Bezieher von staatlichen Aufträgen oder als Arbeitnehmer im Regierungsapparat.
Bis die Abhängigkeit so groß geworden ist, dass es im Fall eines drohenden Staatsbankrotts zum sprichwörtlichen Drucken von immer mehr Geld kommt – also einer Politik der Hyperinflation –, um dem Übel, das durch zu viel Kredit und Geld geschaffen wurde, zu entkommen. Die Inflationspolitik ist, wenn sie eingeleitet wird, von der breiten Öffentlichkeit jedoch meist nicht als solche erkennbar – woran der Doublespeak der geldpolitischen Experten keine geringe und entschuldbare Rolle spielt – und die, würden ihre Konsequenzen im Vorfeld erahnt, (vermutlich) keine mehrheitliche Unterstützung durch die Bevölkerung erfahren würde.
Sprach- und Denkverwirrung in den Fragen des Geldwesens – ob nun bewusst oder unbewusst propagiert – führen zum Rückfall in die Inflationspolitik.
- Kurz kommentiert
Verbietet den Zentralbanken, Aktien zu kaufen - 12. September 2016 - Auf dem Weg in eine Welt ohne Renditen - 19. Juli 2016
- Frieden braucht Eigentum - 28. Mai 2016
Und hier ein Beispiel aus der Welt in und nach „Financial Reform“ :
http://financialservices.house.gov/Media/file/hearings/111/Kemper%20-%20Commerce%20Bank%208.23.10.pdf