Deutschland ist eine Mieternation – und das nicht aus Überzeugung, sondern weil die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen es nahelegen. Während in anderen Ländern Wohneigentum als Teil des sozialen Aufstiegsversprechens verstanden und aktiv unterstützt wird, herrscht in Deutschland politische Gleichgültigkeit. Politische Maßnahmen wie die Sonderabschreibungen für den Neubau zielen auf Investoren ab – während Selbstnutzer systematisch übersehen werden. Stattdessen werden neue Hürden geschaffen, wie etwa durch das Aufteilungsverbot in Großstädten, das mit dem so genannten BauTurbo verabschiedet werden soll. Ein Grund für die politische Vernachlässigung des Themas liegt möglicherweise im schlechten Image vergangener Förderungen. Die Eigenheimzulage galt vielen als ineffizient und teuer, das Baukindergeld als Streuschuss. Auch ideologische Vorbehalte – etwa die Vorstellung, Wohneigentum sei nur für Wohlhabende relevant – spielen eine Rolle. Hinzu kommt der Fokus auf Mieterschutz, der insbesondere im linken politischen Spektrum stark ausgeprägt ist. Doch diese Sichtweise übersieht, dass gerade Haushalte mit mittleren Einkommen den Zugang zu Eigentum verlieren – und mit ihnen ein zentrales Bindeglied der Gesellschaft. Wohneigentum ist kein romantisches Ideal, sondern ein gesellschaftliches Fundament: für Altersvorsorge, Vermögensbildung, Stabilität, Teilhabe und regionalen Ausgleich.
Eigentum: Die große Leerstelle der Wohnungspolitik
In keinem anderen EU-Land leben so viele Menschen zur Miete wie in Deutschland – 55 Prozent der Haushalte. Und obwohl die 2010er Jahre durch historisch niedrige Zinsen und im Vergleich zur Miete attraktive Eigentumspreise geprägt waren, sank die Wohneigentumsquote sogar weiter. Warum?
Es liegt nicht am fehlenden Wunsch nach Eigentum – sondern am fehlenden Zugang. Wer in Deutschland eine Wohnung kaufen möchte, muss zwischen 20 und 30 Prozent des Kaufpreises vorab aufbringen – für Grunderwerbsteuer, Notar, Maklerprovision und Eigenkapital. Bei durchschnittlichen Immobilienpreisen bedeutet das schnell über 60.000 Euro. Diese Summe können aber nur rund 15 Prozent der Mieterhaushalte aufbringen, bei jungen Familien sind es sogar weniger als 12 Prozent.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass junge Haushalte auf Ihre Eltern angewiesen sind. Wenn die Eltern Wohneigentum besitzen, können sie es beleihen und ihren Kindern einen Kredit geben. Oder sie können Kindern anderweitig Eigenkapital zur Verfügung stellen. Ohne vermögende Eltern ist es dagegen selbst für gutverdienende jüngere Haushalte kaum möglich, das erforderliche Kapital aufzubringen – ein vernichtender Befund mit Blick auf die Chancengerechtigkeit.
Die Hürden liegen also weniger im monatlichen Budget als in der fehlenden Liquidität. Viele könnten eine Eigentumswohnung finanzieren – aber sie schaffen es gar nicht soweit zu kommen, da ihnen das Kapital fehlt.
Eigentum ist Altersvorsorge – und flexibler als man denkt
Dabei wird Eigentum dringend gebraucht, zum Beispiel als Altersvorsorge. Schließlich gerät die gesetzliche Rente unter Druck: Der Anteil der über 67-Jährigen an der Bevölkerung wird bis 2040 auf über 40 Prozent steigen. Das Rentenniveau wird also weiter sinken müssen. Private Vorsorge ist somit notwendig – aber klassische und stark regulierte Rentenprodukte bieten kaum noch attraktive Erträge. Gerade vor dem Hintergrund wahrscheinlich wieder sinkender Zinsen sind Immobilien besonders wertvoll: Sie sichern den Wohnraum, sparen Mietkosten und bieten notfalls Beleihungs- oder Verkaufsoptionen im Alter. Und anders als bei Rentenprodukten bleibt das Kapital im Haushalt – es wird vererbt oder flexibel genutzt.
Selbstgenutzte Immobilien bieten eine Krisenresilienz, wie sie Aktien oder Anleihen nicht haben. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie Inflation oder Rezession bewähren sich Immobilien als verlässlicher Anker. Wohneigentum ist daher nicht nur Wohnraum – es ist eine Rückversicherung gegen Altersarmut.
Eigentum ist Vermögensbildung – gegen wachsende Ungleichheit
Deutschland hat nicht nur eine niedrige Eigentumsquote, sondern auch eine hohe Vermögensungleichheit. Das durchschnittliche Nettovermögen von Eigentümern ist siebenmal so hoch wie das von Mietern. Im Rentenalter beträgt der Unterschied sogar das Achtfache. Wohneigentum erzwingt langfristiges Sparen durch Tilgung – ein Mechanismus, der bei Mietern schlicht fehlt.
Zugleich sind Selbstnutzer gegen Mietsteigerungen geschützt, was ihnen Spielräume für weiteres Sparen lässt. Und sie haben häufig bessere Zugangschancen zum Kapitalmarkt, da sie Sicherheiten besitzen. Kurz: Wer Eigentum besitzt, baut Vermögen auf – wer es nicht kann, bleibt zurück. Die Eigentumslücke ist damit eine zentrale Gerechtigkeitslücke. Studien zeigen eindrucksvoll, dass in Ländern mit hoher Wohneigentumsquote die Vermögensverteilung deutlich gleichmäßiger ist.
Eigentum schützt vor Verdrängung – besser als jedes Gesetz
In vielen Städten wächst die Sorge vor Gentrifizierung. Obwohl das Mietrecht in Deutschland vergleichsweise stark ist, kommt es immer wieder zu Verdrängungen. Mietsteigerungen, Modernisierungen oder Eigentumsumwandlungen setzen gerade Haushalte mit geringeren Einkommen unter Druck.
Wohneigentum schafft hier eine dauerhafte Lösung. Wer Eigentümer ist, kann nicht verdrängt werden – egal, wie sehr sich das Quartier wandelt. Eigentum ist damit der wirksamste Schutz vor unfreiwilligem Wohnortwechsel – deutlich effektiver als jede Milieuschutzsatzung oder soziale Erhaltungssatzung.
Eigentum schafft regionale Stabilität – statt Konzentration in Metropolen
Die Wohneigentumsquote ist in ländlichen Räumen deutlich höher als in den Großstädten. Das liegt nicht nur an niedrigeren Preisen, sondern auch an den Wohnformen – Einfamilienhäuser sind dort häufiger und für Selbstnutzer attraktiver. In den Städten dominieren dagegen Mehrfamilienhäuser, die häufig von Investoren gehalten und vermietet werden.
Der Trend zur Urbanisierung ist global – doch er bringt Nebenwirkungen mit sich: steigende Mieten, Verkehrsprobleme, soziale Spannungen. Ländliche Regionen dagegen verlieren Bevölkerung, Kaufkraft und Perspektiven. Wohneigentum kann hier ein Mittel sein, um Regionen jenseits der Metropolen zu stärken. Denn wo Eigentum möglich ist, entstehen Bindung, Engagement und Stabilität. Gleichzeitig wird so der Druck auf die Städte gemindert.
Eigentum ist Teilhabe – und schafft damit Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft
Die soziale Marktwirtschaft lebt nicht nur von ordentlichen Löhnen, sondern auch von Beteiligung. Aktienbesitz ist in Deutschland wenig verbreitet, betriebliche Beteiligungsmodelle sind rar. Immobilienbesitz ist für viele die realistischste Form, am wachsenden Kapitalstock teilzuhaben – und an den Wertsteigerungen der Städte, der Regionen, der Gesamtwirtschaft.
In vielen Ländern – von Großbritannien über die Niederlande bis in die USA – ist Wohneigentum ein Kernbestandteil der Teilhabe. In Deutschland hingegen wurde dieses Ziel aus dem Blick verloren. Dabei ist klar: Wer Eigentum hat, fühlt sich stärker zugehörig. Eigentum stiftet Identität, Perspektive und Stolz.
Insbesondere in der jüngeren Generation gibt es großen Frust über die fehlende Zugänglichkeit von Wohneigentum. Social Media ist voll von Memes, in denen beklagt wird, dass es heute viel schwieriger ist Wohneigentum zu erwerben als in früheren Zeiten. Dieser Frust sät Misstrauen in das wirtschaftliche System, und sollte daher nicht ignoriert werden.
Was die Politik tun muss
Die Politik darf das Thema Wohneigentum nicht länger ignorieren. Es geht dabei nicht um kostspielige Förderprogramme – sondern um intelligente Lösungen für ein strukturelles Liquiditätsproblem.
1. Nachrangdarlehen ausweiten
Ein Modell aus Schleswig-Holstein zeigt, wie es gehen kann: Haushalte können bis zu 40 Prozent des Kaufpreises über ein Nachrangdarlehen finanzieren, ohne Einkommensgrenzen. Die Rückzahlung ist flexibel, die Ausfallquote minimal. Solche Programme sollten bundesweit etabliert werden, um gerade jungen Haushalten den Einstieg ins Eigentum zu erleichtern. Allerdings kann das Nachrangdarlehen in Schleswig-Holstein nicht zur Finanzierung der Erwerbsnebenkosten eingesetzt werden, hier besteht also noch Verbesserungsbedarf.
2. Hypothekenversicherung einführen
Die Niederlande haben mit der „Nationale Hypotheek Garantie“ ein erfolgreiches Modell: Die Versicherung springt bei Arbeitslosigkeit oder Scheidung ein – und ermöglicht so Finanzierungen mit geringem Eigenkapital. Schließlich stellt die Versicherung auch für die Banken eine zusätzliche Sicherheit dar. Auch in Deutschland könnte ein solches Modell aufgebaut werden, beispielsweise über die KfW.
3. Erwerbsnebenkosten strecken
Ein weiteres Hindernis sind die Erwerbsnebenkosten, insbesondere die Grunderwerbsteuer. In einigen Bundesländern beträgt die Grunderwerbsteuer mittlerweile 6,5 Prozent, in allen Bundesländern bis auf Bayern gab es seit 2005 Erhöhungen. Wenn die Bundesländer diese nicht senken können, sollte es zumindest ermöglicht werden, sie über ein staatliches Darlehen zu strecken – damit sie nicht aus dem Ersparten, sondern aus dem Einkommen bezahlt werden kann. Der bessere Weg ist aber freilich eine Absenkung bzw. ein Freibetrag für Ersterwerber.
4. Steuerliche Benachteiligung beseitigen
Selbstnutzer zahlen ihre Immobilie aus versteuertem Einkommen – Vermieter hingegen können Zinsen und Abschreibungen absetzen und häufig nach 10 Jahren steuerfrei verkaufen. Diese steuerliche Asymmetrie gehört auf den Prüfstand, denn Eigentum darf nicht strukturell benachteiligt werden. In vielen Ländern wird vor diesem Hintergrund den Selbstnutzern etwa ein niedrigerer Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer eingeräumt.
Schlussfolgerung: Eigentum ist mehr als Wohnen
Die Debatte über den Wohnungsmarkt darf sich nicht länger allein am Mietmarkt ausrichten. Natürlich braucht es Mietwohnungen – aber es braucht auch Zugang zu Eigentum. Und dieser Zugang darf nicht an überbordenden Anforderungen an die Ersparnisse scheitern, hier bedarf es einer anderen politischen Prioritätensetzung.
Wenn wir als Gesellschaft Chancengleichheit, Stabilität und Teilhabe ernst nehmen, dann müssen wir den Erwerb von Wohneigentum wieder in den Mittelpunkt der Wohnungspolitik rücken. Es geht nicht um Subventionen für Reiche – es geht um Gerechtigkeit für die Mitte und jüngere Haushalte. Eigentum ist kein Relikt vergangener Zeiten, sondern eine Zukunftsinvestition – für jeden Einzelnen und für unser Gemeinwesen.
Blog-Beiträge zum Thema:
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