Die deutsche Industrie ist weiterhin stark von Vorprodukten aus China abhängig. Wir haben etwa sechs Tausend Importwaren aus China analysiert und zeigen, bei welchen Gütern die Abhängigkeit Deutschlands besonders hoch ist. Neben der Produktion dürfte ein Handelskrieg mit der Volksrepublik auch die Investitionstätigkeit stark einschränken. Denn viele der aus China importierten Waren fließen als Investitionen in die deutsche Wirtschaft.
Die chinesischen Lieferketten werden für Deutschland immer wichtiger
Seit China den Export seltener Erden kontrolliert, ist sichtbar geworden, wie abhängig Deutschland von diesen Rohstoffen ist – und von den mit ihnen produzierten Waren wie Permanentmagneten. Auch die Autoindustrie ist auf Lieferungen von Vorprodukten wie Halbleitern aus China angewiesen. Diese Abhängigkeit ist über die letzten 25 Jahre stetig gestiegen (Abb. 1). Mittlerweile beinhaltet jedes Produkt, das in Deutschland für den Export hergestellt wird, etwa 2% Wertschöpfung aus China. Für jede aus dem Export eingenommenen 100 Euro fließen also zwei Euro nach China. Das klingt zunächst nicht nach viel. Allerdings hat sich der Anteil in den vergangenen zwanzig Jahren etwa vervierfacht. Außerdem verbergen sich hinter diesem Anteil viele Vorprodukte, die nur schwer ersetzbar sind und dennoch für komplexe Waren wie Autos wichtig sind.

Wir analysieren, bei welchen Produktgruppen China die Lieferketten besonders stark dominiert.
Die Abhängigkeit bei Elektrotechnik ist besonders hoch
Grundsätzlich spricht man von Abhängigkeit im ökonomischen Sinne, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Zum einen müssen die Importe für Konsumenten oder Produzenten wichtig sein – wie Medikamente oder Halbleiter. Zum anderen können sie kurzfristig nicht durch andere Bezugsquellen oder ähnliche Produkte ersetzt werden. Während sich die Bedeutung der Waren für den Alltag und die Produktion noch durch eigene Erfahrung einschätzen lässt (Weihnachtsschmuck aus China ist weniger essentiell für den Alltag als Medikamente und Computer), ist das bei der Ersetzbarkeit schwieriger. Schließlich könnten Waren aus anderen Ländern oder aus deutscher Produktion einen Ersatz darstellen. Außerdem könnten Konsumenten und Firmen auf verwandte Produkte ausweichen.
Um die Abhängigkeit einzugrenzen, analysieren wir die Importe von knapp sechs Tausend Waren, die Deutschland aus China einführt. Je höher das absolute Importvolumen bei einem Produkt ist, desto essentieller dürfte es für Deutschland sein. Je höher der Anteil Chinas am Importvolumen dieses Produkts ist, desto schwieriger könnte der Ersatz der Waren aus anderen Ländern sein. Abb. 2 zeigt jene Importwaren aus China, bei denen die Abhängigkeit am höchsten sein dürfte [1].

Insgesamt dominiert China vor allem die Elektrotechnik. Deutschland importiert beispielsweise aus der Volksrepublik jeweils bis zu zehn Milliarden US Dollar pro Jahr an Laptops und Smartphones, bzw. Telefontechnik und deckt damit einen Großteil seines Bedarfs. Zudem stammen etwa 65% der Smartphones sowie 84% der importierten Laptops aus China. Aber nicht nur in der Unterhaltungselektronik sind die chinesischen Importe wichtig. Auch viele Waren wie Touchscreens, Batterien, Radiotechnik, Computertechnik, Lautsprecher, Monitore und andere Elektronikwaren stammen mehrheitlich aus der Volksrepublik und werden in der deutschen Industrie benötigt. Neben der Elektronik spielen chinesische Lieferanten auch bei Permanentmagneten, bestimmten Antibiotika und anderen organischen Chemikalien und den Rohstoffen Graphit und Magnesium eine sehr bedeutende Rolle.
China dominiert bei Elektrotechnik den gesamten Weltmarkt
Nun könnten deutsche Importeure Waren aus China durch Waren aus anderen Ländern ersetzen. Das würde die Abhängigkeit bei den analysierten Produkten im Fall der Fälle deutlich reduzieren. Allerdings zeigt unsere Analyse auch, dass China nicht nur einen hohen Anteil an den deutschen Importen hat, sondern auch an allen weltweiten Importen [2]. So stammen nicht nur 84% der von Deutschland importierten Laptops aus China, sondern auch etwa 72% der weltweit importieren Laptops. Von den 37 oben analysierten Warengruppen exportiert China bei etwa zwei Drittel der Produkte mindestens die Hälfte der global gehandelten Waren. Deutsche Importeure dürften also kaum auf alternative Bezugsquellen zugreifen können – vor allem dann nicht, wenn auch andere Länder gleichzeitig versuchen, beispielsweise chinesische Laptops zu ersetzen.

China könnte Investitionen in Deutschland stark behindern
Mit der obigen Analyse zeigt sich eine klare Abhängigkeit bei bestimmten Produkten. Allerdings bleibt offen, wie sich ein Mangel bei diesen Produkten in Deutschland genau äußern würden.
Grundsätzlich werden in jeder Volkswirtschaft Waren auf verschiedene Art und Weise verwendet: Chinesische Produkte können sowohl direkt als Endprodukte (wie Weihnachtsschmuck oder fertige Maschinen) konsumiert oder investiert werden oder als Zwischenprodukte zu Konsumprodukten, Kapitalgütern oder Exporten weiterverarbeitet werden. Wir messen mit sogenannten „Input-Output-Tabellen“, wie hoch insgesamt der Anteil der chinesischen End- und Zwischenprodukte an den Verwendungsformen der Waren in Deutschland ist [3]. Demnach ist China für alle deutschen Wirtschaftsbereiche in den letzten 25 Jahren deutlich wichtiger geworden (Abb. 4). Dabei dürfte der Ausschlag im Jahr 2022 und der darauffolgende Rückgang vor allem darauf zurückgehen, dass die Exportpreise Chinas im Nachgang der Pandemie sehr stark schwankten. Insgesamt dürfte die Bedeutung Chinas in den letzten fünf Jahren insgesamt stabil geblieben sein.
Darüber hinaus zeigt sich eine deutlich höhere Abhängigkeit bei der Konsum- und Investitionsnachfrage als in der Produktion. Von 100 Euro, die in Deutschland in Form von Waren konsumiert oder investiert werden, stammen etwa 7 Euro aus China. Das geht auch darauf zurück, dass bei Konsum und Investitionen sowohl Vor- als auch Endprodukte aus China einfließen. Bei der Produktion von Exportgütern fließen dagegen per Definition nur chinesische Vorprodukte ein.
Vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung ausgerufenen „Investitionsoffensive“ ist die hohe Abhängigkeit von China besonders prekär. Denn ein Handelskrieg und Mangel von Investitionsgütern würden die Bemühungen der Bundesregierung mindestens stark ausbremsen.

Ein Handelskrieg mit China würde Deutschland hart treffen
Sollte es zu einem Handelskrieg zwischen der EU und China kommen, wäre die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Ein kompletter Ausfall wichtiger Vorprodukte aus China dürfte zu einer schärferen Lieferkettenkrise führen als nach dem Ausbruch von Corona. Noch härter wären die Auswirkungen beim privaten Konsum und bei Investitionen – auch weil die Preise deutlich steigen würden.
Abhängigkeit hat aber auch eine zeitliche Dimension. Langfristig können Unternehmen eigene Produktionskapazitäten aufbauen und die Konsumenten auf alternative Waren ausweichen. Am besten wissen letztendlich die deutschen Importeure und Produzenten selbst, welche Lieferketten abhängig von China sind und ob Alternativen bestehen. Die Unternehmen werden entscheiden müssen, ob bereits jetzt die Sicherung alternativer Lieferquellen sinnvoll ist. Die Europäische Kommission sollte zudem weiterhin die Subventionspolitik Chinas beobachten und gegebenenfalls auf einen verzerrten Handel mit Ausgleichszöllen (Anti-Dumping-Zöllen) wie bei Elektroautos reagieren. Die Bundesregierung könnte das Recycling oder – wenn möglich – die heimische Produktion von wichtigen Rohstoffen fördern.
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[1] Von den 5600 Importwaren auf der Klassifizierungsebene von 6-Stellen des „Harmonized Systems“ filtern wir jene 106 Waren, bei denen entweder das Importvolumen im Jahr 2024 höher lag als 100 Millionen US-Dollar und China mindestens 50% der Importe darstellt oder das Importvolumen zwischen 10 und 100 Millionen lag und China mindestens 80% der importierten Waren liefert. Von diesen 106 Waren wählen wir 37 essentielle Warengruppen aus, bzw. fassen einzelne Gruppen zusammen. Die zwei Gruppen „metallische“ oder „nicht-metallische“ Permanentmagneten beispielsweise fassen wir zu Permanentmagneten zusammen.
[2] Als Approximation für den Weltmarkt verwenden wir die Importe der 40 größten Volkswirtschaften. Sie dürften etwa drei Viertel des Weltmarkts ausmachen. Wir verwenden dieselbe Auswahl von Produkten für Chart 3 wie für das Chart zuvor.
[3] Wir verwenden die Input-Output-Tabellen der OECD, die bis zum Jahr 2022 reichen. Für die Jahre 2023 und 2024 extrapolieren wir die Abhängigkeit anhand der Importtrends von Konsum-, Zwischen- und Kapitalgütern. Die Wertschöpfung aus China beinhaltet sowohl die direkt importierte Wertschöpfung als auch indirekt über Drittländer importierte Wertschöpfung aus China.
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