Gastbeitrag
Was 1923 uns heute lehrt
Der Staat und das Komplexitätsproblem

Trotz Hyperinflationen zeigt sich: Die ordnungspolitische Lektion wurde nie gelernt

Am 15. November jährt sich die Einführung der Rentenmark und damit das Ende der vorletzten deutschen Hyperinflation zum einhundertzweiten Mal. 1 Rentenmarkt ersetzte 1 Billion Papiermark. Die Hyperinflation gilt als Trauma, als Mahnung vor Geldmengenexzessen. Doch diese Deutung greift zu kurz. Die Inflation war mehr als ein monetäres Phänomen – sie war ein fundamentales Staatsversagen, das bis heute unterschätzt wird.

Im November 1923 kostete 1 Dollar 4,2 Billionen Mark. Gerald D. Feldman, dessen monumentale Studie The Great Disorder“ als Standardwerk gilt, zeigt: Der Staat zerstörte systematisch die Grundlagen wirtschaftlicher Koordination. Preise verloren ihre Informationsfunktion. Verträge wurden wertlos. Eigentumsrechte lösten sich auf. Was zusammenbrach, war nicht nur eine Währung, sondern ein Ordnungssystem.

Die übliche Erzählung konzentriert sich auf Reparationen und die Notenpresse. Aber Feldman macht deutlich: Der Staat war strukturell überfordert. Er versuchte, durch inflationäre Politik wirtschaftliche und soziale Probleme zu „lösen“ – Kriegskosten, Wiederaufbau, Soziallasten, Ruhrkampf. Jede Intervention erzeugte neue Verwerfungen, auf die mit weiteren Interventionen reagiert wurde. Ein Teufelskreis aus Anmaßung und Scheitern.

Manche Wirtschaftshistoriker wie Carl-Ludwig Holtfrerich relativierten die Inflation später als „Wirtschaftsschmiermittel“, andere hielten sie für alternativlos angesichts der politischen Zwänge der Weimarer Regierung. Doch der entscheidende Schluss wurde nie gezogen: Ein derart katastrophaler Fehler ist nur durch Zentralisierung möglich. Ein dezentrales Geldsystem – beispielsweise Free Banking mit konkurrierenden Geschäftsbanken – hätte keinen einzelnen Akteur befähigt, eine ganze Volkswirtschaft zu ruinieren. Die Konzentration der Geldschöpfung in einer Hand schuf erst das Missbrauchspotential.

Komplexität schlägt Bürokratie

Warum versagte der Staat? Weil er einer Aufgabe gegenüberstand, die seine strukturellen Fähigkeiten überstieg. Ludwig von Mises analysierte 1944 in Bürokratie“[1] den Wesensunterschied: Behörden sind für klar abgegrenzte, überschaubare Probleme konzipiert. Sie können Kompliziertes bewältigen – etwa Baustatik oder Brandschutz –, aber nicht Komplexes.

Wirtschaft ist ein komplexes dynamisches System: nicht-linear, interdependent, mit zahllosen Feedbackschleifen. Komplexe Systeme, und das ist jede Wirtschaft, jede Gesellschaft jenseits der Familie, haben charakteristische Eigenschaften: Sie sind mehr als die Summe ihrer Teile. Sie produzieren emergente Phänomene, die nicht aus den Einzelelementen ableitbar sind. Sie reagieren nicht-linear auf Interventionen. Kleine Ursachen können große Wirkungen haben, große Anstrengungen verpuffen. Feedbackschleifen verstärken oder dämpfen Effekte in unvorhersehbarer Weise. Genau deshalb versagt zentrale, hierarchische Steuerung systematisch.

Das benötigte Wissen ist nicht vorhanden und abrufbar, sondern entsteht erst im Prozess – dezentral, durch Versuch und Irrtum, in Millionen Entscheidungen. Friedrich August von Hayek nannte dies ein „Entdeckungsverfahren“. Die Koordination erfolgt durch Preise, die als Signale fungieren und „uns sagen, was wir zu tun haben“.[2] Oft ist das etwas anders als wir geplant hatten. Preise aggregieren dezentrales, oft implizites Wissen, das keine Zentrale je erfassen könnte.

Die Hyperinflation zerstörte diese Signale. Plötzlich koordinierte nichts mehr. Bauern horteten Lebensmittel, Unternehmen stellten die Produktion ein, Bürger tauschten Sachwerte gegen Brot. Die spontane Ordnung brach zusammen – nicht weil der Markt versagte, sondern weil der Staat die Grundlagen des Marktes vernichtete. Das System reagierte mit Chaos, weil die Koordinationsmechanismen ausfielen.

Die aktuelle Ignoranz

Hundert Jahre später dominiert eine ähnliche Ignoranz. Alle fordern Reformen: weniger Bürokratie, bessere Infrastruktur, mehr Innovation. Doch fast immer richtet sich der Appell an den Staat. Er soll’s richten – durch bessere Planung, klügere Experten, mehr Investitionen.

Die Debatte bleibt symptomorientiert: Zölle, Energiepreise, Fachkräftemangel. Was fehlt, ist das Verständnis für den grundlegenden Unterschied zwischen Organisation und spontaner Ordnung, zwischen Anordnung und Koordination, zwischen bürokratischer Planung und evolutionärer Problemlösung.

Ein aktuelles Beispiel: Der Draghi-Report sollte die EU zukunftsfähig machen. Nach einem Jahr wurden nur gut 10 Prozent der umfangreichen Maßnahmen realisiert.[3] Viele Worte, wenige Taten, was auch nicht überrascht, wenn man die Anreizstrukturen politischen Handelns betrachtet. Politiker operieren in Vier-Jahres-Zyklen, denken in Koalitionsarithmetik, belohnt wird nicht das abstrakte Gemeinwohl, sondern die Vergabe sichtbarer Vorteile an identifizierbare Gruppen. Langfristige, systemische Verbesserungen für viele zahlen sich nicht aus.

Peter Boettke hat die Formel der „3p mal 3i“ entwickelt: Prices, Property, Profit/Loss erzeugen Information, Incentives, Innovation. Ohne die drei P gibt es keine drei I.[4] Das ist nicht Ideologie, sondern Funktionslogik komplexer Systeme. Preise aggregieren dezentrales Wissen. Eigentum setzt Anreize für langfristige Planung. Gewinne und Verluste sorgen für Feedback und Korrektur.

Und der Staat? Welche entsprechende Formel kennzeichnet ihn? Gesetze, Hierarchie, Budget? Diese erzeugen Gehorsam, Berechenbarkeit, Ausführung, aber keine Innovation, keine Anpassungsfähigkeit, keine Selbstkorrektur. Der Staat kann verwalten, was bekannt ist. Er kann Regeln setzen für gegebene Probleme. Aber er kann nicht entdecken, was noch unbekannt ist. Er kann nicht koordinieren, was Millionen dezentrale Akteure besser koordinieren. Wirtschaft und Gesellschaft sind Ordnungen, die sich nicht steuern lassen wie eine Organisation, sei es eine Armee, Behörde oder ein Unternehmen.

Inflationäre Gesetzgebung

Heute ist die Geldmenge vergleichsweise stabil, aber die Gesetzgebung inflationär. Deutschland produziert jährlich Tausende Seiten neuer Vorschriften, die EU noch mehr. Jede Regulierung ist ein Eingriff in Preissignale, Vertragsfreiheit, Eigentumsrechte. Mietpreisbremse, Energiepreisdeckel, Lieferkettengesetz, ESG-Taxonomien – alles Versuche, komplexe Prozesse hierarchisch zu steuern, politisch umzulenken.

Die Folgen gleichen strukturell jenen von 1923: Koordination bricht zusammen. Unternehmen warten ab, Investitionen stocken, Innovationen unterbleiben. Die Wirtschaft erstarrt nicht an Geldmangel, sondern an Regelüberfluss. Holtfrerich zeigte in seiner Studie zur deutschen Inflation: Interventionismus erzeugt eine Interventionsspirale. Jeder Eingriff schafft Probleme, die nach weiteren Eingriffen rufen. Die vermeintliche Lösung wird selbst zum Problem.

Wilhelm von Humboldt schrieb vor über 200 Jahren über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates.[5] Diese Grenzen sind nicht moralisch, sondern epistemisch: Der Staat kann nicht wissen, was Millionen Bürger wissen. Er kann nicht koordinieren, was nur Preise koordinieren können. Er kann nicht innovieren, was nur Wettbewerb hervorbringt. Die Anmaßung von Wissen, vor der Hayek 1974 in seiner Nobelpreisrede[6] warnte, ist heute Alltag.

Die vergessene Achse

Die öffentliche Debatte wird von Links-Rechts beherrscht. Doch die entscheidende Achse ist eine andere: dezentral oder hierarchisch, evolutionär oder konstruktivistisch, Koordination oder Anordnung, Entdeckung oder Planung.

In Deutschland und Europa herrscht eine parteiübergreifende Allianz des Etatismus. Unterschiedliche Farben, gleicher Kern – auch jenseits der Brandmauer. Diese Allianz verschleiert, dass die Blockaden in der Systemlogik liegen: Ein Staat, der sich in alle Lebensbereiche ausdehnt, wird überall mittelmäßig bis schlecht, nicht weil Menschen in Behörden schlechter sind, sondern weil Behörden strukturell ungeeignet sind für komplexe, dynamische Aufgaben.

Alexander Rüstow forderte im Oktober 1932 auf einer Tagung des Vereins für Socialpolitik „Selbstbeschränkung als Grundlage der Selbstbehauptung“.[7] Der Staat müsse sich zurückziehen, um stark zu werden. Für Rüstow lag eindeutig ein Fall von Staatsversagen vor. Der Weimarer Staat war schwach, weil er allzuständig war, seine Kräfte überspannt hatte und so zur Beute der Interessengruppen wurde. Das ist keine neoliberale Propaganda, sondern Organisationstheorie: Konzentration auf Kernkompetenzen, Abgabe komplexer Aufgaben an selbstorganisierende Systeme.

Ordnungspolitik: Theorie ohne Praxis

Ordnungspolitik ist heute praktisch tot, weil sie nie als das verstanden wurde, was sie eigentlich ist: angewandte Komplexitätstheorie. Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Ludwig Erhard warnten nicht vor Wohlfahrt, sondern vor der Illusion, Wirtschaft sei steuerbar wie eine Fabrik. Sie verstanden Europa als einen Hort der Freiheit, die Soziale Marktwirtschaft als Arrangement aus Ordnungsrahmen, Wettbewerb und sozialem Ausgleich – nicht als Rechtfertigung für Interventionismus, Industriepolitik, Planification.

Zwar war Ordnungspolitik jahrzehntelang an Universitäten präsent – aber wurde sie je wirklich verstanden? Wurde sie je konsequent praktiziert? Schon in den 1950er Jahren wich die Praxis entschieden vom ordnungspolitischen Ideal ab.[8] Ordnungspolitik blieb Sonntagsrede, während werktags interveniert wurde. Selbst die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft sahen ihre Prinzipien schon früh verwässert. Ludwig Erhard beklagte bereits Ende der 1950er Jahre die Abkehr von ordnungspolitischen Grundsätzen. Und später sollte der langjährige (18 Jahre) Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Otto Schlecht die Soziale Marktwirtschaft dem politischen Wind anpassen.[9]

Das Problem liegt tiefer: Ordnungspolitik wurde als normatives Konzept gelehrt – als Werte, als Haltung, als politisches Programm. Aber ihr analytischer Kern, das Verständnis für die Funktionsweise komplexer Systeme, für die Grenzen hierarchischer Steuerung, für die Überlegenheit dezentraler Koordination, blieb zumindest öffentlich unterbelichtet. Ordnungspolitik braucht Komplexitätstheorie als Fundament. Ohne dieses Verständnis verkommen ordnungspolitische Prinzipien zu Leerformeln, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden können und wurden.

Die Lehre von 1923: Der Staat versagt systematisch bei Komplexität. Er kann Regeln setzen für spontane Ordnungen: Eigentumsschutz, Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht. Aber er kann sie nicht ersetzen, nicht planen, nicht steuern. Die institutionellen Rahmenbedingungen sind entscheidend, nicht die konkreten Eingriffe.

Die trügerische Lösung von 1923

Krisenmomente öffnen Möglichkeitsfenster. 1923 folgte auf die Katastrophe die Währungsreform, dann die relative Stabilisierung der sogenannten Goldenen Zwanziger. Die Rentenbank war als öffentlich-rechtliches Kreditinstitut keine rein staatliche Institution, sondern auch privatwirtschaftlich fundiert, getragen von Landwirtschaft, Industrie und Handel. Das Vertrauen kehrte zurück, weil die Verantwortung dezentralisiert wurde. Oder doch nicht?

Denn die „Lösung“ von 1923 folgte letztlich doch dem zentralistischen Muster. Es entstand erneut ein Zentralbanksystem, sogar ein modernes, aber mit fatalen Folgen. 1939 verwandelte Hitler die Reichsbank auch formal in eine „Reichshauptkasse“, eine reine Geldausgabestelle für die Aufrüstung.[10] Das Direktorium hatte zuvor die massive Aufrüstung klaglos unterstützt, Hjalmar Schacht mit den Mefo-Wechseln sogar einen direkten, relevanten Beitrag geleistet. Die strukturelle Möglichkeit zum Missbrauch blieb bestehen.

Die tiefere Lehre: Zentralisierung von Geldschöpfung schafft Missbrauchspotential, unabhängig von den Absichten der Akteure. Eine dezentrale Lösung hätte bedeutet, dass kein einzelner Akteur die Macht gehabt hätte, eine ganze Volkswirtschaft zu ruinieren. Die Diversifikation hätte Systemrisiken reduziert. Der Wettbewerb hätte Anreize für solides Geldwesen gesetzt.[11]

Doch dieser Schluss wurde nicht gezogen. Stattdessen etablierte sich nach 1945 erneut ein zentralistisches System, zunächst unter alliierter Kontrolle, später mit der relativ erfolgreichen Bundesbank, dann mit der EZB. Die institutionelle Anfälligkeit blieb. Nur die politischen Rahmenbedingungen verhinderten bisher eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes. Allerdings wurde bei der Finanz- und Staatsschuldenkrise ab 2007 erneut deutlich: Macht wurde zentralisiert, während Wissen dezentral verfügbar ist.[12]

Heute: Monetär stabil, ordnungspolitisch zerrüttet

Heute erleben wir das Paradox: Die Geldwertstabilität ist noch weitgehend gewährleistet, wenn auch die anti-sozialen Folgen der Geldpolitik mit Kaufkraftverlust und finanzieller Repression viele Menschen hart treffen, aber die ordnungspolitische Stabilität erodiert. Der Staat maßt sich an, Transformationen zu planen, Märkte zu lenken, Preise zu setzen, Innovationen zu steuern. Expertengremien sollen wissen, was Millionen Marktteilnehmer nicht wissen können. Das ist nicht nur anmaßend, es ist strukturell zum Scheitern verurteilt.

Was also tun? Die gängigen Antworten verharren im Alten: mehr Effizienz, neue Reformkommissionen, zusätzliche Programme. Sie setzen weiter auf denselben Staat mit derselben Steuerungslogik, der längst an seiner bürokratischen Sklerose leidet.

Der wirkliche Ausweg liegt in Entpolitisieren und Ermöglichen:

  • Kernaufgaben identifizieren und stärken: Wo muss der Staat handeln? Sicherheit, Recht, Eigentum, Kerninfrastruktur, dort, wo keine spontane Ordnung entstehen kann, wo echte öffentliche Güter vorliegen. Diese Aufgaben professionell erfüllen.
  • Komplexe Aufgaben abgeben: Wirtschaftslenkung, Innovationsförderung, soziale Koordination – zurück an Gesellschaft und Markt. Nicht jede Aufgabe kann zentral oder staatlich gelöst werden. Dezentrale, vielfältige Lösungen sind überwiegend überlegen.
  • Subsidiarität ernst nehmen: Dezentral vor zentral, kommunal vor national, national vor europäisch. Die unterste handlungsfähige Ebene entscheidet. Wettbewerb zwischen Lösungen statt Einheitszwang.
  • Feedbackmechanismen schaffen: Haftung für Entscheidungen, Reversibilität von Gesetzen, Experimentierklauseln. Der Staat muss lernen können durch Versuch, Irrtum und Korrektur. Feedbacklose Systeme funktionieren nicht, sie scheitern.
  • Reform des Staatsdienstes: Fähigkeitsorientierung, Austausch zwischen Staat und Privat, weniger starre Hierarchien, weniger Aufgaben, weniger Behörden, weniger Staatsbedienstete. Fokus auf Qualität, nicht Quantität.
  • Dezentralisierung der Geldordnung: Das Geldmonopol ist strukturell anfällig für Missbrauch. Alternative Geldsysteme zulassen, Wettbewerb ermöglichen, Free Banking als Option diskutieren statt tabuisieren.

Die eigentliche Frage lautet nicht, wann endlich Reformen kommen. Sondern: Wie werden wir zu einem Staatsgebilde, das weniger Fehler produziert, weniger überfordert ist und in dem mehr gelingt? Jeder Mensch, jedes Unternehmen, jede Organisation weiß, was nach einer Phase der Schwäche und mangelnder Leistung zu tun ist: zurück zu den Kernaufgaben, diese professionell erledigen und auf Nebenschauplätze verzichten. Für den Staat gilt nichts anderes.

Die eigentliche Lehre

Die Hyperinflation lehrt nicht nur: „Hütet euch vor der Notenpresse“. Sie lehrt: Hütet euch vor der Anmaßung, komplexe Ordnungen steuern zu können. Der Staat von 1923 scheiterte nicht an bösem Willen, sondern an struktureller Überforderung. Er versuchte, ein komplexes dynamisches System hierarchisch zu lenken und zerstörte es dabei.

Hundert Jahre später steht Deutschland wieder vor der Frage: Mehr Staat oder bessere Ordnung? Mehr Planung oder mehr Freiheit? Mehr Experten oder mehr Experiment?

Die Antwort liegt nicht in Reform-Illusionen, sondern in einem anderen Staatsverständnis: Der Staat als Rahmengeber, nicht als Akteur. Als Schiedsrichter, nicht als Spieler. Als Ermöglicher, nicht als Lenker. Ein Staat, der stark sein will, muss den Menschen nicht nur Freiräume lassen, sondern ihr Eigentum und Einkommen sichern und nur dort eingreifen, wo sie es selbst nicht schaffen – und dann auch nur, wenn er es nachweislich besser macht.

Dieser gelingende Staat ist andersherum konzipiert: Die Menschen haben als Bürger, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Unternehmer, soziale Wohltäter, Künstler und Erfinder per se Vorfahrt. Der Staatsapparat hält sich stets zurück und bietet allenfalls Hilfe zur Selbsthilfe, als neutrale Instanz. Ein Staat, der Freiräume „lässt“, hat seine Rolle missverstanden. Freiheit ist das Erste. Staatliche Zuständigkeit das Abgeleitete, beschränkt auf das, was nur der Staat kann, beschränkt darauf, Spielregeln zu sichern, ohne selbst Spieler zu werden.

Alles andere ist Anmaßung. Die Folge ist dann eine Diskrepanz zwischen zentralisierter Macht und dezentralisiertem Wissen. Das ist die zeitlose Lehre von 1923, die den Weg in die Zukunft weist.


[1] Ludwig von Mises: Bürokratie, englische Erstauflage Bureaucracy, Yale University Press, New Haven 1944, deutsche Übersetzung, Academia Verlag 2. Auflage Sankt Augustin 2004.

[2] Friedrich August von Hayek: Der Strom der Güter und Leistungen“, in: ders.: Die Anmaßung von Wissen, hrsg. von Wolfgang Kerber, Tübingen 1996, S. 130 – 147.

[3] EPiC: Draghi Observatory & Implementation Index: Only 1 in 10 Measures Implemented, https://thinkepic.eu/draghi-observatory-implementation-index-only-1-in-10-measures-implemented/

[4] Peter Boettke verwandte die Formel in einem Gespräch mit Russ Roberts auf Econtalk: On Austrian Economics in Econtalk, 10.12.2007. Link: https://www.econtalk.org/boettke-on-austrian-economics/

[5] Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, Stuttgart 2002.

[6] Hayek Nobelpreisrede Friedrich von Hayek, ?e Pretence of Knowledge. Prize Lecture: Lecture to the memory of Alfred Nobel, 11. 12. 1974.

[7] Alexander Rüstow: Die staatspolitischen Voraussetzungen des wirtschaftspolitischen Liberalismus, Diskussionsrede auf der Tagung des Vereins für Socialpolitik über „Deutschland und die Weltkrise“ in Dresden am 28. September 1932, in: Rede und Antwort, 249-258.

[8] Michael von Prollius: Mehr Marketing als Prinzipientreue. Die Soziale Marktwirtschaft entsprach weder Erhards Intention noch neoliberalen Prinzipien. List Forum (2021). https://doi.org/10.1007/s41025-021-00216-5

[9] Michael von Prollius: Christian Otto Schlecht, Ökonom und Staatssekretär, in: Baden-Württembergische Biographien Bd. VII, hg. v. Fred Ludwig Sepainter, Stuttgart 2019, 471-475.

[10] Siehe dazu das (neue) Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939, insbesondere die Präambel und die §§ 1 und 2.

[11] Michael von Prollius: Eine Währungsordnung des Rechts, der Haftung und des Wettbewerbs, Working Paper Forum Freie Gesellschaft, Fürstenberg 2020. https://forum-freie-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2020/03/FFG_Working-Paper_20200318_Wettbewerswährungen.pdf

[12] Siehe Arnold Kling: Unchecked and Unbalanced. How the discrepancy between knowledge and power caused the financial crisis and threatens democracy, Hoover Studies in Politics, Economics, and Society, Lanham u.a. 2010.

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