Ökonomen haben gute Argumente dafür, weshalb ein System von Beteiligungslöhnen volkswirtschaftlich sinnvoll sein kann. Diese Argumente sprechen allerdings für eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer – nicht für eine Kapitalbeteiligung.
Das Konzept der Beteiligungslöhne wurde ursprünglich von dem Harvard-Ökonomen Martin Weitzman entwickelt, dem es vor allem auf die Beschäftigungswirkungen dieses Instruments ankam. Seine Argumentation lässt sich wie folgt erläutern: Nach dem Lehrbuch der Arbeitsmarktökonomie werden die Unternehmen ihre Nachfrage nach Arbeitskräften so lange ausweiten, wie der Arbeitsertrag einer zusätzlich eingestellten Arbeitskraft mindestens so hoch ist wie ihr Arbeitslohn. Diese sogenannte marginale Arbeitskraft trägt also nichts mehr zum Gewinn des Unternehmens bei, während die zuvor eingestellten Arbeitskräfte, deren Arbeitsertrag höher liegt, dem Unternehmen mehr einbringen als sie kosten.
Bei diesem Marginalkalkül setzt das Beteiligungslohnmodell an: Wenn die Arbeitnehmer bereit sind, auf einen Teil ihres fest vereinbarten Lohnes zu verzichten, falls sie dafür durch einen Gewinnbeteiligungsanspruch mindestens kompensiert werden, kommt es zu einer Ausweitung des Angebots an Arbeitsplätzen. Denn die Gewinnbeteiligung hat auf das Marginalkalkül der Arbeitgeber keinen Einfluss, während der für die Arbeitsnachfrage maßgebliche, fest vereinbarte Lohn niedriger ist als zuvor.
Für die Arbeitgeber liegt der Reiz des Modells in den Anreiz- und Motivationswirkungen, die von einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg ausgehen. Für den einzelnen Arbeitnehmer ist das Modell umso vorteilhafter, je höher der Gewinn des Unternehmens, in dem er tätig ist, ausfällt. Für die Arbeitnehmer als Gruppe ist das Modell vorteilhaft, wenn die Gewinnbeteiligung für alle gemeinsam größer ist als der Abschlag beim Fixlohn. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass sich die Tarifparteien auf ein solches Modell im Verhandlungswege verständigen könnten. Der volkswirtschaftliche Nutzen dabei wäre vor allem die Ausweitung der Arbeitsnachfrage.
Ein Kapitalbeteiligungslohn hätte diese beschäftigungsfördernde Wirkung nicht, da er ja ein fest vereinbarter, gewinnunabhängiger Lohnbestandteil wäre. Jenes Modell wäre bestenfalls beschäftigungsneutral, und zwar dann, wenn die Arbeitnehmer bereit wären, ihren regulären Lohn in voller Höhe um den Kapitalbeteiligungslohn zu senken. Ansonsten würde er wie eine Erhöhung der Lohnnebenkosten wirken und die Arbeitsnachfrage der Unternehmen reduzieren. Auch die Motivationsförderung würde entfallen – zumindest dann, wenn die Kapitalbeteiligung nicht einzelbetrieblich, sondern über einen Fonds erfolgen würde.
Zudem erfordert die Kapitalbeteiligung – im Unterschied zur Gewinnbeteiligung – einen beträchtlichen bürokratischen Aufwand. Erstens müsste es den Arbeitnehmern für eine bestimmte Frist verwehrt werden, ihre Kapitalbeteiligung aufzulösen. Zweitens müssten den Kapitalverwaltern strenge Regeln zur Kapitalanlage auferlegt werden, um einen Missbrauch des Fonds zur staatlichen Investitionslenkung zu verhindern. Und drittens müssten die Steuergesetze zur Vermögensbeteiligung verändert werden, wodurch neue Subventionstatbestände enstünden und das Steuerrecht noch unübersichtlicher würde.
Im Kern geht es den politischen Akteuren bei den Beteiligungslöhnen um eine Veränderung der Einkommensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer. Die Kapitalbeteiligung ist dafür aber nur bedingt geeignet, denn die Lohnsumme insgesamt darf bei diesem Modell gar nicht steigen, wenn ein Sinken der Arbeitsnachfrage vermieden werden soll. Damit wird sich auch an der Einkommensverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nichts ändern. Die Einkommensverteilung ändert sich auch nicht dadurch, dass die Arbeitnehmer jetzt einen Teil ihres Lohnes in Form von Kapitalanteilen ausgezahlt bekommen.
Die Gewinnbeteiligung führt dagegen dazu, dass die Lohnsumme insgesamt steigt. Der einzelne Arbeitnehmer erhält zwar im Gegenzug für die Gewinnbeteiligung einen niedrigeren fixen Lohn, so dass sich die Lohnsumme pro Kopf nicht wesentlich ändern dürfte. Da aber die Absenkung des Fixlohnes die Arbeitsnachfrage stimuliert, wird die Lohnsumme aller Beschäftigten zusammengenommen steigen. Dadurch werden die bei den Arbeitgebern verbleibenden Unternehmensgewinne sinken – es kommt also zu einer echten Umverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Den politischen Bestrebungen der Koalitionsparteien zur Förderung der Idee der Beteiligungslöhne ist im Interesse des deutschen Arbeitsmarktes gutes Gelingen zu wünschen. Zugleich ist ihnen jedoch auch ökonomische Einsicht zu wünschen, damit die Beteiligungslöhne nicht zu weniger, sondern zu mehr Beschäftigung führen, damit die politisch gewollten Verteilungswirkungen auch tatsächlich eintreten und damit ein neues bürokratisches Fondsmonster vermieden wird.
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