Unternehmenskooperationen: Wettbewersbfördernde Strategien mittelständischer Unternehmen

Nicht nur die großen Konzerne in der Automobil- und in der Pharmaindustrie oder in der Luftfahrt vereinbaren Netzwerke und Allianzen. Längst haben sich kooperative Strategien auch in der mittelständischen Wirtschaft verbreitet und durchgesetzt. EU-weit arbeiten heute fast zwei Drittel aller mittelständischen Unternehmen mit mindestens einem Partner enger zusammen, mit dem früher Transaktionen über Märkte abgewickelt wurden.

 

Kooperative Ökonomie

Unterschiedlichste Formen nehmen solche Allianzen, Partnerschaften oder Netzwerke an. Zugrunde liegen ihnen Kooperationsverträge, die implizit oder formell sein können, manchmal durch Kapitalbeteiligungen  ergänzt werden oder es werden Joint Ventures gegründet. Man kann von einer Epoche der Kooperationen sprechen, von der Entwicklung in eine „Kooperative Ökonomie“. Dabei ist es nicht so, dass plötzlich der Wettbewerb seine Bedeutung verloren hätte. Ebenso ist nicht eine Welle des Altruismus über die Unternehmen gekommen.

Die Zusammenarbeit folgt schlicht einem ökonomischen Kalkül: Können mit einer Kooperation unternehmerische Ziele besser erreicht werden als alleine, liegt eine solche nahe, freilich nur dann, wenn die Berücksichtigung von Kosten und Risiken, die mit einer Kooperation verbunden sind, immer noch einen positiven Nettosaldo ergibt: Wirtschaftliche Ergebnisse, die alternativ nicht erreicht werden könnten. Dabei geht es bisweilen sogar um die Sicherstellung der wirtschaftlichen Existenz. Gesamtwirtschaftlich kann durch Kooperationen immer dann der Unternehmenswettbewerb sogar gefördert oder erhalten werden, wenn auf diese Weise ein Marktaustritt von Unternehmen  verhindert wird. Zunehmend wird der Wettbewerb zwischen Unternehmen heute abgelöst durch die Konkurrenz zwischen Netzwerken und Allianzen.

Kooperationslogik

Die aktuellen Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen bringen es mit sich, selbst dann über Kooperationen nachzudenken, wenn sie es vorziehen, Abhängigkeit zu vermeiden  und Entscheidungen lieber alleine zu treffen. Doch der Anpassungsdruck auf kompetitiven Märkten steigt, die Internationalisierung schreitet voran, die Produktlebenszyklen werden kürzer, die Informations- und Kommunikationstechnologie macht eine unternehmensgrenzenüberschreitende Verteilung der Wertschöpfung möglich. Daneben sind die Kunden wechselbereiter geworden und staatliche Deregulierungs- und Privatisierungsaktivitäten machen den Aufbau von neuen Wertschöpfungsketten notwendig. Kooperationen kennen bei aller Vielfalt zwei Stossrichtungen, nämlich „Marktanteile gewinnen“ und „Kosten senken“. Letztlich läuft es auf eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und/oder des Unternehmenswertes hinaus.

Darin besteht die Kooperationsrente, Ergebnisse, die ohne Kooperationen nicht erreicht werden könnten. Kooperationsrenten entstehen über unterschiedliche Kanäle: Größenvorteile erreichen (economies of scale), die Vielfalt von Leistungen und Lösungen erhöhen (economies of scope), verteiltes Wissen kombinieren (economies of skills), die Geschwindigkeit erhöhen (economies of speed), innovativer werden (economies of innovate) und Risiken reduzieren (economies of risks). Kooperationen sind ein Vehikel für die Verwirklichung solcher Effekte. Sie können additiv sein, also ähnliche Unternehmen zusammenbringen und so vor allem auf die Vorteile wirtschaftlicher Größe abstellen. Daneben existieren komplementäre Kooperationen von Unternehmen, die sich voneinander unterscheiden, aber ergänzen.

Selbständigkeit, Dezentralität  und virtuelle Größe

Genau genommen gelingt es mit Kooperationen zwei widersprüchliche Anforderungen zu erfüllen, die der Wettbewerb heute von Unternehmen fordert, nämlich einerseits im Hinblick auf Kosten und Marktanteile Größe und Vielfalt zu bewerkstelligen, andererseits aber die Anreizvorteile kleinerer, aber selbständig bleibender Unternehmen zu nutzen. Letztere bringen es mit sich, auf lokale Informationen und Risikoeinschätzungen zurückzugreifen, Kommunikationsvorteile mit den Kunden aufzubauen und in ihren Zielgruppen fest verankert zu sein. Anders als bei Akquisitionen und Verschmelzungen können Kleinheit und Größe, Effizienz und Verankerung erreicht werden. Es geht also um „virtueller Größe“ selbständig bleibender Unternehmen. Dies hat Kooperationen zu einem sehr populären Geschäftsmodell gemacht. Während die meisten Kooperationen Ergebnisse eines strategischen Kalküls sind, kommen manche auch deswegen zustande, weil das Kapital für eine Akquisition fehlt oder weil Wettbewerbsbehörden eine Fusion nicht genehmigen. Auf diese Weise soll wenigstens ein Teil der Synergiepotenziale gehoben werden.

Strategische Bedeutung und Managementkomplexität

Die strategische Bedeutung von Kooperationen hat für die Unternehmen inzwischen ebenso zugenommen wie die Anforderungen an ihr Management. Dominierten noch vor einem Jahrzehnt überschaubare Ausgestaltungen kleinerer Kooperationen, eine geringe Unsicherheit sowie ein bescheidener Beitrag zum Unternehmensergebnis, bilden Kooperationen heute häufig  den Kern von Unternehmensentwicklungsstrategien und sind  von einer hohen strategischen Bedeutung. Ein Beispiel ist etwa die gemeinsame Forschung und Entwicklung von Unternehmen der Pharma-Industrie. Die Kooperationen werden größer, was die Anzahl der Unternehmen betrifft und ebenso die einbezogenen Funktionen und Leistungen. Häufig geht es um komplexe Systeme und Lösungen. Vor diesem Hintergrund ist es herausfordernder geworden, gute Kooperationsverträge zu schreiben und eine Kooperation erfolgreich zu managen.

Erfolgsfaktoren

Nicht alle Kooperationen verkörpern Erfolgsstorys. Die Erfolgsvoraussetzungen sind inzwischen jedoch weitgehend bekannt. Werden nur einzelne herausgegriffen, geht es natürlich immer darum, die richtigen Partner zu finden und klare Spielregeln und Aufgabenteilungen zu vereinbaren und darauf zu achten, dass die Chemie zwischen den Beteiligten passt. Es gilt eine gute Governance zu verankern. Ist diese Aufgabe gelöst, stellt sich die nächste: Eine Kooperation – einmal gegründet – darf nicht sich selbst zu überlassen werden, sondern es gilt, diese gut zu managen. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine gelungene Kooperation. Die meisten gescheiterten Kooperationen können darauf zurückgeführt werden, dass Fehler im Kooperationsmanagement gemacht wurden. Die ist nicht anders als bei Verschmelzungen.

Stabilität und Flexibilität

Der Erfolg einer Kooperation und die Qualität des Kooperationsmanagements hängen entscheidend davon ab, wie gut es gelingt zwei inhärent widersprüchliche  Anforderungen in den Griff zu bekommen. Kooperationen müssen anpassungsfähig sein, da sich ihr Umfeld dynamisch entwickelt. Flexibilität ist also erforderlich. Doch zusätzlich geht es darum, die Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg und mit mehreren Beteiligten zu bewältigen. Dies erfordert eine Stabilisierung des Innenlebens einer Kooperation. Die Empirie zeigt, dass der gemeinsame wirtschaftliche Erfolg die beiden Anforderungen kompatibel macht. Bleibt dieser aus, werden die widersprüchlichen Anforderungen die Kooperation sehr schnell an ihre Grenzen bringen. Stabilität und Flexibilität der Kooperation sind bereits bei ihrer Ausgestaltung wichtig und ebenso bei ihrer Entwicklung. Für beides ist das Kooperationsmanagement zuständig und verantwortlich.

Kooperationsmanagement

Ein effektives Kooperationsmanagement begleitet die Kooperation vom ersten Gedanken an eine Kooperation bis zur tagtäglichen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Interne Investitionsprogramme sind am Beginn gegen Akquisition und Fusion sowie gegen das Eingehen einer Kooperation abzuwägen. Erfolgt eine Entscheidung für eine Kooperation, sind wichtige Fragen zu beantworten: Was soll mit der Kooperation erreicht werden? Will das Unternehmen tatsächlich eine Partnerschaft eingehen und kann es dies? Existieren Schnittstellen, an der eine Erfolg versprechende Zusammenarbeit ansetzen kann? Zu klären ist, welche Anforderungen Kooperationspartner und Kooperationsformen zu erfüllen haben sowie welche jeweils zur Verfügung stehen. Erst dann sollte es zur Auswahl geeigneter Partner kommen, mit denen Kooperationsverhandlungen begonnen werden sollen.

Kooperationsgovernance

Diese enden  mit der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages oder der Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft. Nun sind die Ziele der Kooperation festzulegen. Wird dies vernachlässigt, fehlt der Ansatzpunkt für eine Erfolgskontrolle. Wichtig ist die Vereinbarung von Spielregeln für die Zusammenarbeit sowie eine Arbeitsteilung der beteiligten Unternehmen. Es sind Fragen zu klären, wie in der Kooperation, einzelne Leistungen zu bewerten sind, wie gemeinsame Gewinne aufzuteilen und Innovationen zu verwerten sind. Es sind Entscheidungen darüber zu treffen, wie Informationsflüsse verlaufen, wie kommuniziert wird und wer die Funktion des „Kooperationsmanagers“ dann konkret ausfüllt.

Übereinstimmung muss über notwendige Infrastrukturen geschaffen werden, so über die IT und über Organisationsstrukturen für gemeinsame Mitarbeiterteams. Nach der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags beginnt seine Umsetzung, das Herunterbrechen der Kooperation auf alle betroffenen Geschäfts- und Unternehmensbereiche, das Schnittstellenmanagement und viele operative Entscheidungen. Eine Kooperation benötigt nicht nur formelle Spielregeln. Weiche Faktoren wie Vertrauen und eine Toleranzkultur erleichtern die Zusammenarbeit außerordentlich.

Erfolgskontrolle und Erfolg

Ein wichtiger Bestandteil des Kooperationsmanagements ist die Erfolgskontrolle, die die wirtschaftlichen Ergebnisse mit der Erreichung der Kooperationsziele vergleicht. Aus der Erfolgskontrolle ist abzuleiten, ob die Kooperation weitzuführen, zu vertiefen, zu verändern oder aufzulösen ist. Dabei geht es nicht nur um das Controlling von Prozessen und Ergebnissen, sondern auch der Einhaltung der Spielregeln und um die Kommunikation der Ergebnisse an die Partnerunternehmen. Dafür ist an den Kooperationszielen anzusetzen. Die Lebensdauer einer Kooperation ist nur bedingt ein Indikator für ihren Erfolg. Manche Kooperationen werden zur Verwirklichung definierter Projekte und festgelegter Ziele vereinbart. Damit ist ihre Dauer von vorneherein begrenzt. Kooperationen funktionieren dann am besten, wenn sich die Beteiligten immer wieder die Kooperationslogik in Erinnerung rufen: Durch eine Kooperation können Ergebnisse erreicht werden, die alleine nicht möglich wären. Diese sind jedoch nicht kostenlos zu haben, sondern sie erfordern die Einschränkung unternehmerischer Freiräume.

Gesamtwirtschaftliche Effekte

Es versteht sich von selbst, dass die Zunahme von Unternehmenskooperationen die volkswirtschaftliche Arbeitsteilung verändert und dass sie Einfluss auf die Industrie- und Branchenstruktur haben, ebenso auf die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen und Volkswirtschaften. Nicht von ungefähr werden Kooperationen immer häufiger zu Ansatzpunkten für wirtschaftspolitische Maßnahmen. Man denke an die staatliche Förderung von Cluster oder an die Kooperationsempfehlungen zum Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen der Telekommunikation oder an die Kooperationsauflagen in der Entwicklung der Elektromobilität. Selbstverständlich bilden Wettbewerbsrecht und –politik  einen wichtigen Rahmen für Unternehmenskooperationen.

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