Es ist anregend, die Frage der Staatsverschuldung endlich auch unter ethischem Aspekt zu diskutieren und zu prüfen, ob die katholische Soziallehre dafür Maßstäbe liefern kann. Ich will allerdings (nicht zuletzt aus Gründen einer Debatte) Daniel Koch (vgl. BLOG-Beitrag vom 27.06.2011) energisch widersprechen.
- Es scheint mir reichlich übertrieben, die katholische Soziallehre als „strikt philosophisch argumentierendes Gedankengerüst“ aufzuhübschen. Das tut dem Amalgam unterschiedlicher Denker und Deuter (von Papst Pius X. bis Oswald von Nell-Breuning und Epiogonen) dann doch zuviel der Ehre an.
- Der Versuch, Prinzipien (eine Matrix macht es auch noch nicht besser) der katholischen Soziallehre zu isolieren, zeigt nicht nur, wie wenig aussagekräftig (will sagen: unverbindlich allgemein) diese sind. Sondern mehr noch: Die Ableitung zur Staatsverschuldung (zu der sich die katholischen Denker, auf die Koch sich bezieht, offenbar nicht direkt geäußert haben) bleibt beliebig und bringt schließlich nicht mehr hervor als die üblichen politischen Argumente der Konservativen („kommende Generationen nicht belasten“ etc.). Am Ende wird dann doch das Kind (fast) mit dem Bade ausgeschüttet und werden Staatsschulden mehr oder weniger ganz verworfen.
- Eine theologische Ideengeschichte, die weiter zurück geht als nur bis zu den Wurzeln der katholischen Soziallehre im 19. Jahrhundert, kann indessen die spannungsvolle Ambivalenz der theologischen Rhetorik zur Staatsverschuldung aufzeigen. Das kanonische Zinsverbot blieb dabei stets wirkmächtig (weil bekanntlich Geld kein Geld zeugen kann), wurde zugleich aber – insbesondere seit der Renaissance – stets auf pfiffige Weise unterlaufen. Gerade dies aber ist (wie man bei Deirdre McCloskey u.a. nachlesen kann) Quell des „European Miracle“ (Eric Jones) und Grund der Wohlstandsentwicklung geworden. Staatsschulden, richtig designt, sind also gar nicht so schlecht wie sie aus der gegenwärtigen griechischen Verfallskultur heraus betrachtet aussehen, auch wenn diese Aussage derzeit ziemlich häretisch daher kommt. Die katholische Lehre (und Praxis) hat sich scheinheilig gegen Zins und Kredit gerichtet, diese Lehre aber stets auch umgangen: denn schließlich brauchte auch die Kirche viel Geld und suchte dafür Gläubiger. Es ist an der Zeit, endlich den wirtschaftlichen Nutzen der katholischen Scheinheiligkeit zu belobigen. Das ist allemal aufregender als die an den theologischen Fakultäten scheintot gepflegte Soziallehre wiederbeleben zu wollen.
Eine ausführlichere Abhandlung des Autors über die positiven Effekte der Staatsverschuldung findet sich hier.
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Ich zitiere von Ihrem geposteten Link:
„Gewiss, auch Schulden sind nichts anderes als die Steuern von morgen: Doch in guten Händen generiert der Kredit künftigen Wohlstand und Wachstum, welche dann die Steuerquellen um so kräftiger sprudeln lassen. “
Nun was wenn der Kredit nicht in guten Händen ist? Und was wenn der Staat sich wie hier in Deutschland durch Inflation höhere Einnahmen schafft?
Woran messen Sie ob ein Kredit gut schlecht ist? Auf einem Markt ist es „klar“ wenn der Kredit „locker“ bedient werden kann aber wo gibt es diesen Maßstab für Bürokratien? Woran misst man einen „guten“ Kredit des Staates?
Rainer Hank meint es nicht so. Er „lobt“ die Staatsverschuldung, um zu provozieren.
Ich halte es mit Robert Barro: „It’s the spending, stupid – not the deficit“
Es gibt in der derzeitigen Verfassung der Staatshaushalte kaum Gründe die Staatsverschuldung zu „loben“. Denn man findet genügend Gründe, die gege eine weitere Verschuldung sprechen: von der Belastung zukünftiger Generationen über die sinkenden Handlungsspielräume durch steigende Zinsbelastungen bis hin zu zwangsläufigen Steuererhöhungen aufgrund starker Schuldenbelastung. Eine Haushaltskonsolidierung ist für Deutschland unumgänglich.
Zum Thema „Haushaltskonsolidierung“ haben Ralph Brügelmann und Rolf Kroker eine aufschlussreiche Analyse erstellt, zu finden unter: http://insm.de/dms/insm/textdokumente/Publikationen/Texte-zur-Sozialen-Marktwirtschaft/SoMaWi_Haushaltskonsolidierung.pdf
@Norbert Berthold. So betrachtet könnte man von Ironie sprechen aber das war mir beim Lesen nicht aufgefallen.