Wo es Steueroasen gibt, da muß es auch eine Steuerwüste geben, so lautet ein Bonmot, dessen Urheberschaft nicht mehr zweifelsfrei zu klären ist. Die Oasen werden nun ein wenig trockener, und paradoxerweise glauben ausgerechnet die Verwalter der Wüste, daß ihnen dies zu neuer Blüte verhelfen wird. Die Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Luxemburg und andere scheinen bereit zu sein, ihr Bankgeheimnis mehr oder weniger zu lockern. Im Fall der Schweiz beispielsweise ist schon viel über den Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug geschrieben worden. Bisher leistet die Schweiz ausländischen Steuerfahndern keinerlei Amtshilfe bei Steuerhinterziehung (wenn also etwa ein Steuerpflichtiger einen Eintrag in seiner Steuererklärung „vergißt“), wohl aber in Fällen von Steuerbetrug (wenn zum Beispiel Dokumente gefälscht werden, um die Steuerlast zu mindern). In der Zukunft ist auch das Konto des gewöhnlichen Steuerhinterziehers in der Schweiz nicht mehr sicher; seine Kontodaten können an die deutschen Behörden übermittelt werden, sobald diese einen begründeten Verdacht anmelden. Ähnliche Entwicklungen dürften wir demnächst auch in den anderen genannten Niedrigsteuerländern beobachten.
Ob es in der Schweiz allerdings wirklich so kommt, werden wir noch abwarten müssen. Die Lockerung des Bankgeheimnisses ist nämlich eine Entscheidung, die durch die Stimmbürger auf direkt-demokratischem Wege revidiert werden könnte, was nicht völlig unwahrscheinlich ist. Die Stimmbürger der Schweiz haben schließlich oft ihren ganz eigenen Willen; sie machen von ihren institutionellen Möglichkeiten zur Korrektur ihrer politischen Repräsentanten gerne Gebrauch. So stimmten sie zwar beispielsweise kürzlich im Kanton Zürich der Abschaffung steuerlicher Privilegien für reiche Ausländer zu, aber das hatte eher etwas damit zu tun, daß diese Zuzügler die lokalen Immobilienpreise in schier unbezahlbare Höhen treiben. Auf massiven Druck fremder Staaten das eigene Bankgeheimnis zu lockern, das ist hingegen eine Maßnahme, die bei den Erben von Wilhelm Tell und Arnold Winkelried kaum gut ankommen wird.
Auch aus deutscher Sicht gäbe es elegantere und erfolgversprechendere Wege, das Problem der Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Tatsächlich sind wichtige Schritte bereits erfolgt, wie etwa die Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Diese unterliegen künftig nicht mehr dem meist höheren persönlichen Einkommensteuersatz, sondern einem flachen Tarif von einheitlich 25 Prozent. Wenn wir annehmen, daß im Ausland Anlageformen gefunden werden, die nicht der EU-Zinsrichtlinie unterliegen, dann kann man durch eine erfolgreiche Steuerflucht also nunmehr Steuerzahlungen in Höhe von 25 Prozent sparen. Das ist deutlich weniger als noch vor gar nicht so langer Zeit, als man im Einkommensteuertarif noch persönliche Grenzsteuersätze von weit über 50 Prozent erreichen konnte. Damals war Deutschland tatsächlich noch eine Steuerwüste. Man kann nun die Abgeltungsteuer aus vielen Gründen kritisieren, etwa als eklatanten Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Aber die zukünftige Steuerflucht ins Ausland sollte sie durchaus reduzieren helfen: Für eine Steuerersparnis von nur noch 25 Prozent werden sich hoffentlich nur noch wenige, ganz hartgesottene Geizkrägen auf den Streß der Steuerhinterziehung und die Angst vor Entdeckung einlassen.
Man könnte diesen ersten Schritt um weitere Maßnahmen ergänzen. Um dem Fiskus bereits verheimlichte Vermögen ins Land zurück zu holen, würde sich eine Steueramnestie anbieten, die den Namen verdient, also ohne Nachforderungen auskommt. Es bliebe das Problem, daß die Steuerzahler den aktuellen Satz der Abgeltungsteuer vielleicht nur für eine Art Lockangebot halten und fürchten, daß dieser in Zukunft wieder drastisch ansteigen könnte. Um glaubhaft zu signalisieren, daß auch für die Zukunft keine schmerzhaften Steuererhöhungen geplant sind, könnte man einen nur mit Zweidrittelmehrheit zu ändernden Höchststeuersatz im Grundgesetz festschreiben. Sicher, unter dem Gesichtspunkt kurzfristiger Empfindungen von Verteilungsgerechtigkeit mag man all das kritisieren, aber es wäre eine elegante Möglichkeit, die Bemessungsgrundlage der Abgeltungsteuer in der Zukunft drastisch zu verbreitern.
Der Druck auf die Steueroasen wird dieses Ziel wahrscheinlich nicht in gleichem Umfang erreichen können. Denn die Lockerung des Bankgeheimnisses bedeutet ja nicht etwa, daß die Schweizer Banken einmal im Quartal dem Bundesfinanzminister eine Liste mit deutschen Kontoinhabern und ihren Kontoständen übermitteln. Vielmehr muß auch weiterhin die deutsche Steuerfahnung in jedem Einzelfall einen begründeten Verdacht haben, aufgrund dessen sie im Ausland Rechtshilfe beantragen kann. Man wird also weiterhin mühsam an der Grenze zur Schweiz und nach Österreich nach klandestinen Bargeldtransfers fahnden müssen, um auf diese Weise die Verfahren erst in gang zu setzen. Erst dann bekommt man zukünftig weiterführende Informationen aus den Steueroasen etwas leichter, als dies heute der Fall ist. Man darf bezweifeln, daß dies für bereits aktive Steuerhinterzieher ein hinreichender Anreiz ist, als reuige Sünder zurückzukehren.
Zweifellos ist das verbreitete Phänomen der Steuerhinterziehung ein Ärgernis, aber diese Überlegungen zeigen, daß man auch über die Zweckmäßigkeit und Angemessenheit von Gegenmaßnahmen gründlich nachdenken sollte. Die Schweiz ist ein Land mit einer längeren, stolzeren rechtstaatlichen Tradition als sie Deutschland vorweisen kann. Die demokratischen Institutionen der Schweiz, auch ihre politische Kultur, könnten in vielen Aspekten als Vorbild für uns dienen. Es wäre wohl angemessen, auf rüpelhaftes diplomatisches Verhalten gegenüber diesem und anderen Nachbarn zu verzichten und das Problem der Steuerflucht stattdessen dort zu bekämpfen, wo man wirklich viel ausrichten kann: bei uns in der (ehemaligen) Steuerwüste.
Sie haben da etwas nicht verstanden. Frueher waren Spekulationsgewinne aus Aktiengeschaeften nach einem (noch frueher nach einem halben) Jahr steuerfrei – schliesslich sind es ja Gewinne aus bereits versteuertem Vermoegen.
Nun unterliegen diese der Abgeltungssteuer von (noch) 25%.
Nun, wichtig ist zunächst mal, daß keine Einkünfte mehr exorbitant hohen Grenzsteuersätzen um oder über 50% unterliegen. Daß Veräußerungsgewinne nun zu versteuern sind, ist natürlich ein Nachteil für diejenigen, die solche Einkünfte haben, aber es ist steuersystematisch völlig in Ordnung.
Der Punkt ist: Bietet ein Grenzsteuersatz von 25% einen großen Anreiz zur Steuerflucht, und damit die Risiken der Strafverfolgung einzugehen? Es mag ja sein, daß es Extremfälle gibt, die jetzt erst zur Steuerflucht ansetzen, weil Spekulationsgewinne nicht mehr steuerfrei sind. Aber dieser Effekt sollte leicht überkompensiert werden durch diejenigen, die von der Senkung des Grenzsteuersatzes profitieren.
Das Ganze paßt hunderprozentig in das sonstige Gebaren der Politker. Anderen in die Tasche zu greifen und wenn Die sich wehren kriminalisieren. Sich selber einmal an die eigene Nase zu fassen und ein einfaches, faires Steuersystem politisch umszusetzen, zerschellt mit jedem neuen Anlauf man darf wohl sagen immer grandioser.
Und heute heißt es bei Arzneimitteln, fragen Sie Ihren Arzt und Apotheker und bei der Steuer fragen Sie Ihren Steuerberater…
Beim einen erwarten Sie eine brauchbar Auskunft und beim Steurberater wartet nur die eine oder andere Ausführungsbestimmung.
Kampfbegriffe, die aus dem Arsenal fiskalischer Waffenkammern stammen und deren Einsatz allein dazu dient, das natürliche Recht des Individuums auf den größten Teil des Selbsterwirtschafteten zu untergraben sowie die wirtschaftlichen Leistungsträger im Denken der „vereinigten Neidgenossenschaft“ zu kriminalisieren, dürfen auf liberalen Seiten nicht unwidersprochen stehenbleiben. Besonders scharfe Munition mit beeindruckender gesellschaftlicher Streuwirkung sind Wörter wie „Steuerhinterziehung“, „Steuerflucht“, „verheimlichte Vermögen“ oder „hartgesottene Geizkrägen“. Die unkritische Benutzung solchen Vokabulars verrät gerade jene Gesinnung, die ins Elend der aktuellen Krise geführt hat und im folgenden ungeheuren Flurschaden anrichten wird.
Nun, wir sollten doch auf dem Teppich bleiben. Wir leben nicht in einem Schurkenstaat, insofern gibt es auch keinen Anlaß, Steuerhinterziehung zum heroischen Widerstandsakt tapferer Individualisten umzudeuten. Das Leben ist kein Ayn-Rand-Roman.
Das Zitat geht wohl auf den Liechtensteiner Adam zurück:
http://fdog.wordpress.com/2008/02/20/wo-steueroasen-sind-mus-auch-eine-steuerwuste-sein/#more-2067
Die Attacke auf die Schweiz wird folgenlos bleiben:
http://fdog.wordpress.com/2009/03/14/aus-der-steueroase-wird-keine-fata-morgana/
Die Komplexität und Ungerechtigkeit des deutschen Steuerrechts rechtfertigt es, über kreative Gestaltung die Steuerpflicht zu reduzieren. Die Grenze zur „Hinterziehung“ ist gleichzeitig willkürlich und fließend.
Hätte Zumwinkel statt der Stiftung in Liechtenstein im Schweizer Kanton Zug eine Aktiengesellschaft mit dem Zweck der Vermögensverwaltung gegründet und diese in der Steuererklärung angegeben, hätte er keine Steuern zahlen müssen, solange er die Gewinne der Gesellschaft nicht entnimmt. Und die wäre eine Schweizerische Institution und für die gilt – man ahnt es kaum – das Schweizer Bankgeheimnis weiterhin.
„Bietet ein Grenzsteuersatz von 25% einen großen Anreiz zur Steuerflucht, und damit die Risiken der Strafverfolgung einzugehen?“
Nach meiner beruflichen Erfahrung in einer bekannten europäischen „Steueroase“ ist die Besteuerung von Kapitaleinkünften für viele Steuerflüchtlinge eher ein zweitrangiger Grund, ihr Erspartes vor dem Fiskus zu verstecken. Ein großer Teil der Bankkunden in Steueroasen will vor allen Dingen unversteuerte Einkünfte „waschen“. Dagegen kann wohl auch die Abgeltungsteuer nichts ausrichten… Im Übrigen entsteht für jede europäische Steueroase, die ihr Bankgeheimnis aufgibt, eine neue anderswo auf der Welt. Im Moment ist Dubai schwer in Mode….
@ztingrae: Nein, die Abgeltungsteuer alleine kann sicherlich nichts dagegen ausrichten, aber in Kombination mit einer Steueramnestie könnte sie, wie erwähnt, dann durchaus einen Anreiz bieten, bisher unversteuerte Einkünfte zu legalisieren. Kann, muß nicht. Letztendlich ist das vor allem auch eine Frage, welche Erwartungen die Betroffenen mittel- und langfristig bezüglich der deutschen Finanzpolitik haben.
@euckens erbe: Sicher, es gibt Fälle in denen man ein Finanzgericht braucht, um festzustellen, ob es noch legale Steuervermeidung oder schon illegale Steuerhinterziehung ist. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, wenn Leute unbemerkt ihr Geld ins Ausland transferieren und die Kapitalerträge fortan dem Fiskus verheimlichen, ist es aber doch ziemlich eindeutig.
@euckenserbe: Ohne in die technischen Details einsteigen zu wollen – ganz so einfach ist das mit der Kapitalgesellschaft in der Schweiz nicht. Der Fiskus hat Mittel und Wege, die Einkünfte solcher Gesellschaften im Inland zu besteuern…