Gastbeitrag
Griechenland, Irland, Portugal: Mehr Wachstum durch Innovationen

Die Staatsschuldenkrise stellt Griechenland, Irland und Portugal (GIP) vor die Herausforderung, die öffentlichen Haushalte zu sanieren und den Finanzsektor wieder auf eine solide Basis zu stellen. Die Konsolidierung reduziert das Wachstum in den betroffenen Ländern jedoch weiter. Griechenland, Irland und Portugal brauchen also Wachstum: dies würde die Rückführung der Schuldenlast erleichtern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Länder mittelfristig wieder eine tragfähige Schuldenquote erreichen. Da die Länder im Rahmen der EWU keine Möglichkeit haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit über eine externe Abwertung zu verbessern, ist die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität eine wichtige wirtschaftspolitische Aufgabe. Neben allgemeinen Strukturreformen und Privatisierungen gilt es, die Bedingungen für Innovationen zu verbessern sowie die Gründung und das Wachstum von Hochtechnologie-Unternehmen zu erleichtern. Die drei Länder bringen dazu unterschiedliche Voraussetzungen mit.

Innovationsindex
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Patente
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Irland hat ein gut funktionierendes nationales Innovationssystem, das sich in den letzten Jahren positiv entwickelt hat. Im Bericht zum Innovation Union Scoreboard 2011 wurde Irland eine überdurchschnittliche Innovationsperformance in der Gruppe der Innovationsnachfolger attestiert. Dies ist die zweithöchste Länderkategorie von vier. Dennoch gibt es auch in Irland Probleme: So liegen die F&E-Ausgaben noch unter dem EU-Durchschnitt und weit vom Lissabon-Ziel entfernt, das F&E-Ausgaben in Höhe von 3% des BIP als Zielmarke anvisiert. Auch die Zahl der Patentanmeldungen verharrt deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Bemerkenswert ist zudem die Schieflage bei den unternehmerischen Forschungsaktivitäten zugunsten der in Irland ansässigen ausländischen Großunternehmen. So entfallen 70% der unternehmerischen F&E-Ausgaben auf ausländische Unternehmen; drei Viertel davon aus den USA. Multinationale Unternehmen (MNE) nehmen also noch immer eine Sonderstellung ein. Die Innovationstätigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist hingegen relativ schwach.

Portugal hat in den letzten zehn Jahren eine dynamische Entwicklung seines Innovationssystems verzeichnen können, liegt jedoch im EU-Vergleich noch deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Das Land wird im Innovation Union Scoreboard 2011 als moderater Innovationsstandort bewertet. Die F&E-Ausgaben der Unternehmen (in % des BIP) liegen nach wie vor deutlich unter dem EU-Schnitt. Portugal hat noch einen weiten Weg vor sich, um die Schwächen des Innovationssystems auf der Ebene der Unternehmen zu reduzieren. Bei den Patentanmeldungen fällt Portugal weit unter den EU-Schnitt zurück. Die Übersetzung von Forschungsergebnissen in konkrete Anwendungen, die sich patentieren lassen, scheint schwierig. Obwohl das portugiesische Innovationssystem in der letzten Dekade deutliche Fortschritte gemacht hat, fordert die EU weitere Anstrengungen, innovative Unternehmen aus den Segmenten der Hoch- und Mitteltechnologie anzusiedeln. Dazu braucht es auch verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten, z.B. über Venture Capital. Schwächen im portugiesischen Innovationssystem finden sich außerdem im Bereich der Bildung. Zwar liegen die öffentlichen Ausgaben für Bildung leicht über dem EU-Durchschnitt von 5% des BIP. Dies führt aber nicht zu einem hohen Bildungsniveau der Bevölkerung insgesamt: Sowohl im Bereich der Sekundarausbildung als auch bei den Hochschulen befindet sich der Anteil der Absolventen im EU-Vergleich immer noch auf einem niedrigen Niveau. Dieser Umstand erweist sich als Hemmnis für die Produktion hochwertiger Güter und Dienste und behindert die Innovationstätigkeit grundlegend.

FuE
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Griechenlands nationales Innovationssystem weist viele Schwächen auf. So wird Griechenland zwar wie Portugal in die Gruppe der Moderate Innovators eingeordnet, findet sich allerdings im Ranking noch hinter Portugal. Der EU Innovation Competitiveness Report betont den aufholenden Charakter der griechischen Innovationstätigkeit mit starker Abhängigkeit von importierten Technologien und Know-How. Im Gegensatz zu Portugal lässt sich in den letzten Jahren nur eine leichte Verbesserung des Umfelds ausmachen. Eine Schwäche liegt bei den gesamtwirtschaftlichen F&E-Ausgaben. Besondere Defizite gibt es auf der Ebene der Unternehmen, wie z.B. der sehr geringe Anteil der F&E-Ausgaben der Unternehmen oder die niedrige Zahl der Patentanmeldungen belegen. Zudem konzentrieren sich die F&E-Investitionen der Unternehmen auf wenige Wirtschaftszweige. Maßnahmen zur Förderung des griechischen Innovationssystems hängen stark von der Finanzierung durch EU-Strukturfonds ab. Allerdings ist die Absorptionsfähigkeit des Forschungs- und Innovationssystems für Fördermittel gering: dies weist auch darauf hin, dass es zu wenig förderwürdige Projekte gibt.

Alle drei Länder haben also besondere Schwächen bei der Forschungs- und Innovationstätigkeit der Unternehmen. Wo sollte die Politik nun konkret ansetzen, um die Rahmenbedingungen für Innovationen zu verbessern? Eine zentrale Herausforderung ist, die F&E-Aktivitäten innovativer KMU zu stärken. Eine bessere Vernetzung von KMU mit wissenschaftlichen Instituten hilft, Forschungspartnerschaften zu etablieren. Zudem sollten Unternehmensnetzwerke gestärkt werden, z.B. durch den Aufbau von Technologiezentren. Auch die Entwicklung unternehmerischen Know-Hows ist wichtig. Zudem gilt es, die Vernetzung der Unternehmen untereinander zu erhöhen. Der Aufbau von Institutionen, die im Bereich der anwendungsorientierten F&E arbeiten, hat hohe Priorität. Eine Strategie zur Verbesserung der Innovationsbedingungen sollte besonderes Augenmerk auf das Thema Bildung legen. Dies gilt insbesondere in Portugal, wo der Rückstand im Bereich der Sekundar- und Tertiärausbildung sehr groß ist. Auch in Griechenland ist die Steigerung der Zahl der Hochschulabsolventen ein wichtiger Baustein der Bildungspolitik. Weitere Ansatzpunkte finden sich in einer qualitativen Verbesserung der Aus- und Weiterbildung und einem besseren Zuschnitt der Ausbildungsinhalte auf die beruflichen Anforderungen. Eine größere Zahl an Hochschulen und spezialisierten Ausbildungsinstituten wäre dabei hilfreich.

Tertiäre Bildung
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Für die politisch Verantwortlichen gibt es also zahlreiche Handlungsfelder. Dabei geht es aber nicht nur um finanzielle Unterstützung und die Verbesserung der Infrastruktur für Innovationen, sondern auch um die Verbesserung der regionalpolitischen Kompetenzen in der Verwaltung, die Entwicklung von Förderkonzepten und -projekten oder die Effizienz des Bildungswesens.

In welchen Branchen dürfte Innovationsförderung in GIP nun auf fruchtbaren Boden fallen? Auch hier zeigt der Vergleich der drei Krisenländer, dass die Ausgangslage im Hinblick auf die Innovationstätigkeit und die Branchenstruktur in Irland sehr viel besser als in Portugal oder Griechenland ist. Irland profitiert dabei auch von dem kräftigen Zustrom ausländischer Direktinvestitionen im Hochtechnologie-Segment in den 1990er Jahren. Die bereits bestehenden komparativen Vorteile bei IT-Dienstleistungen, Medizintechnik oder Pharmazie bieten gute Voraussetzungen, die Innovationstätigkeit und die Vernetzung der Unternehmen bei Innovationsprozessen weiter zu fördern. Prioritäten der Politik sollten darin liegen, lokale KMU zu integrieren und die Basis für unternehmerische Innovationstätigkeit zu verbreitern. Das Land hat gute Chancen auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurück zu kehren.

Portugal hat mit einem Schwerpunkt in der Automobilindustrie und ihren Zulieferbetrieben aber auch mit kleinen Hochtechnologiebranchen, wie der IT oder der Pharma-Branche, Ansatzpunkte, um die Innovationstätigkeit und die Höherentwicklung der Branchen voranzutreiben. Besondere Anstrengungen sind im Bildungssektor notwendig, da sich das relativ geringe Qualifikationsniveau der Arbeitnehmer als Hemmnis für das Produktivitätswachstum erwiesen hat. Die Orientierung an Clustern hilft, die zur Verfügung stehenden knappen Fördermittel bestmöglich einzusetzen. Im Hinblick auf den intensiven globalen Wettbewerb um die Produktionsstandorte in einigen der bedeutendsten Branchen Portugals hat die Steigerung von F&E-Aktivitäten und Produktivität hohe Priorität.

In Griechenland ist die Wirtschaftsstruktur noch stark von Industriebranchen aus dem Segment der Niedrigtechnologie und von einfachen Dienstleistungen geprägt. Dazu zählen z.B. die Nahrungsmittelproduktion, Transportdienstleistungen oder der Tourismus. Die Bedeutung der (mittleren) Hochtechnologie ist gering; einen der wenigen Ansatzpunkte gibt es z.B. im Bereich der Pharmabranche. Der Weg zu einer Entwicklung schnell wachsender Branchen mit hohem Produktivitätswachstum ist also weit.

Ein innovationspolitischer Ansatz, der seinen Schwerpunkt primär auf die Hochtechnologie legt, greift in Griechenland und Portugal folglich zu kurz. Dies bestätigt ein Blick auf die Wirtschaftsstruktur: in Portugal beschäftigen z.B. der primäre Sektor, die Baubranche und traditionelle Dienstleistungsbranchen wie Handel und Tourismus 37% aller Arbeitnehmer. Gerade in Griechenland, aber auch in Portugal ist daher die Aufwertung traditioneller Industrie- und Dienstleistungsbranchen wichtig. Hier sind die Unternehmen gefordert, mit hoher Priorität Produktivität und Profitabilität nachhaltig zu steigern, u.a. durch Automatisierung und den vermehrten Einsatz von Informationstechnologie. Aber auch die Verbesserung der Innovationskultur in den Unternehmen selbst steht auf der Agenda.

Innovationspolitik erzielt erst mittelfristig positive Effekte. Die Krisenländer sind aber darauf angewiesen, auch auf kurze Frist das Wachstum anzukurbeln. Ausländische Direktinvestitionen können in Portugal und Griechenland eine wichtige Rolle spielen, um moderne Technologien und Managementmethoden ins Land zu holen. Dafür müssen sich die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen deutlich verbessern: eine umfassende, wirtschaftspolitische Strategie muss eine Modernisierung des öffentlichen Sektors und Wirtschaftsstrukturreformen einschließen.

Hinweis

Der vorliegende BLOG-Beitrag basiert auf

STOBBE, ANTJE und PAWLICKI, PETER (2011): Griechenland, Irland, Portugal: Mehr Wachstum durch Innovationen, EU-Monitor 89, Deutsche Bank Research.

Zum Co-Autor

Peter Pawlicki ist Soziologe und Doktorand am Institut für Sozialforschung in Frankfurt.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag
Griechenland, Irland, Portugal: Mehr Wachstum durch Innovationen“

  1. Ich weiß garnicht wo ich anfangen soll die Irrtümer der Verfasser zu korrigieren! Wenn man einem Land wie Griechenland oder Portugal sagt, der Staat müsse mehr investieren in Innovation, dann ist das so, als ob man einer Katze mit gebrochenem Bein empfiehlt über einen Zaun zu springen. Diese Länder sind komplett pleite! Die haben noch nicht einmal das Geld um ihre Rentner zu bezahlen!

    Das Problem ist an einer anderen Stelle zu suchen. Wenn zum Beispiel Taxi-Lizenzen vereerbt werden können, so besteht für den Nachwuchs kein Anreiz sich gut auszubilden! Auf ähnlichem Wege werden auch Stellen im öffentlichen Dienst vergeben. Das Problem ist der abgeschlossene Arbeitsmarkt! Und dies lässt sich nicht von heut auf morgen ändern. Erzählen Sie mal einem Beamten, er solle sich weiterbilden! Griechenland hat ja noch nicht einmal eine funktionierende Steuerverwaltung! Glauben Sie mir, das Thema Innovation steht dort zur Zeit ganz unten auf der Tagesordnung, zu recht! Innovationen erfordern Risikobereitschaft bei Investoren. Um aus Innovationen vermarktbare Produkte herstellen zu können brauchen Investoren Planungssicherheit. Denn der Zeithorizont, um von einer Investition zu einer Innovation zu einem Produkt zu kommen ist sehr lang. Wenn in solch korrupten Ländern Investoren damit rechnen müssen, daß der Staat unangekündigt die Hand aufhält, steigen die Kosten und damit sinkt die zu erwartende Rendite (ins Negative). Auf diesem Weg wird jedwede Innovation schon vor dem eigentlichen Gedanken daran zu nichte gemacht. Und das selbst wenn es die dafür notwendigen, gut ausgebildeten Arbeitskräfte gäbe. Die sind aber zur Zeit auf dem Weg gen Norden!

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