Die politische Strategie gegen Exit-Optionen

Private Exit-Optionen sind der elementare Schutz des Einzelnen gegen Zwang und Willkür der Obrigkeit. Durch die Menschheitsgeschichte der Mächtigen über ihre Untertanen zieht sich wie ein roter Faden das Streben der kaiserlichen, königlichen, fürstlichen, päpstlichen, priesterlichen und politischen Herrscher nach möglichst umfassender Kontrolle über die Aktivitäten der Bewohner ihrer weltlichen und geistlichen Machtbereiche. Private Exit-Optionen domestizieren die Macht der Mächtigen, weil sie die Abwahl derer Zwangskollektive durch das Individuum ermöglichen. Sie transformieren den kontrollierten Untertanen in den selbstbestimmenden Bürger. Sie sind deshalb die elementare Basis der Freiheit. Der Fall der Berliner Mauer ist die konkrete Inkarnation des Übergangs von erzwungener Untertanen-Loyalität zur Freiheit der bürgerlichen Exit-Option.


Die weltweite Finanzkrise gebiert – im Kontrapunkt zur  Exit-Optionen erweiternden Globalisierung –  ein aufgefrischtes Verlangen der Regierenden nach  Exit-Options-Verboten: Die internationale politische Klasse entwirft Regulierungsstrategien, die auf schärfere und weltweite Regierungskontrollen der Kapitalmärkte ausgerichtet sind – ungeachtet der Tatsache, daß ihr eigenes Politikversagen die Krise signifikant ausgelöst und verstärkt hat.

Der deutsche Finanzminister – über die Bankenaufsicht selbst in deren offensichtliches Versagen involviert – postuliert: In der Welt dürfe  zukünftig kein Akteur, kein Produkt und kein Ort mehr ohne international koordinierte staatliche Kontrolle verbleiben. Dazu gehöre auch das weltweite „Austrocknen von Steueroasen“. Cum grano salis ist dies auch die kollektive Philosophie, die auf den wiederkehrenden Konferenzen zur Neuordnung des internationalen Finanzsystems vorherrscht: Lückenlose Kontrolle, No  Exit-Options any more!

Diese Strategie der totalen Staatskontrolle im Weltmaßstab stellt die neueste Kampfansage gegen das Institut der privaten Freiheit zur Exit-Option dar, also gegen den Schutz des Einzelnen vor zu viel obrigkeitlicher Paternalisierung der Regierenden. In ihrer Ausschließlichkeit enthält sie zudem vier Annahmen.

Erstens:  Die Krise sei die Folge der weltweit schrankenlosen Freiheit der privaten Kapitaldisponenten, denen zu viele Exit-Optionen offen stünden, um die bestehenden staatlichen Regulierungen zu unterlaufen. Deshalb müsse das Netz staatlicher Kontrollen weltweit enger geknüpft werden. Zweitens:  Der Staat habe in Bezug auf Regulierungsnotwendigkeiten stets das bessere Wissen gegenüber den Privaten. Drittens: Der Staat agiere gemeinwohlorientiert im Gegensatz zum eigennutzorientierten Handeln der Privaten, er sei somit in seinem Tun moralisch höherwertig positioniert als die Privaten. Und viertens: Die internationale Harmonisierung der Kontrollregeln sei dem internationalen Wettbewerb verschiedener Regulierungen, der Exit-Optionen systemimmanent einschließt,  grundsätzlich überlegen.

Diese Annahmen sind falsch oder mindestens hochproblematisch. Das läßt sich begründen.

Erstens: Die Krise ist nicht die Folge zu großer Freiheiten der privaten Kapitaldisponenten und also zu geringer Regulierungsdichte auf den internationalen Kapitalmärkten, sondern sie ist bekanntlich vor allem die Konsequenz eines signifikanten Verstoßes gegen die stabilitätsorientierten Regeln der Geldpolitik in Kombination mit der flächendeckenden  Außerkraftsetzung der guten Regeln der Kreditgewährung in Bezug auf die Balance zwischen Risiko und Haftung. „Der Staat“ ist weltweit – von der amerikanischen FED, über die Regierungen Clinton und Bush bis hin zu den deutschen Landesbanken – an allen Facetten der Misere auslösend und verstärkend beteiligt. Der Schurke im Stück sind also vor allem staatliche Exit-Optionen aus den Regeln für das gute Funktionieren der Marktwirtschaft. Nicht ein Zu Wenig an Kontrolle der Privaten, sondern ein Zu Viel des staatlichen Mißbrauchs seiner Monopolstellung ist die adäquate Diagnose. Deshalb bedarf es keiner strikteren Regulierungsdichte, sondern adäquatere Regeln für anreizkompatibles Verhalten der Privaten. Anreizkompatibilität enthält aber stets die Freiheit der Wahl, also der Exit-Option.

Zweitens: Der Staat hat nicht das bessere Wissen in Bezug auf die optimalen Regulierungs-Standards. Der Suchprozeß nach besserem Regulierungswissen gelingt über die Freiheit der Marktteilnehmer, durch Exit-Optionen bessere Lösungen finden zu können.

Drittens: Der Staat hat gegenüber den Privaten keine höhere Moral. Der vielzitierte Begriff der „Gier“ wird in der Krise ausschließlich – auch und gerade von der politischen Klasse – mit dem Gewinnstreben der Privaten assoziiert, nicht aber zugleich mit einem „gierigen“ Streben der Regierungsakteure nach Wiederwahl. Public Choice und die Empirie lehren uns, daß sich private und staatliche Akteure in ihren Handlungsmotiven der Eigennutzorientierung grundsätzlich nicht unterscheiden. Der Staat hat gegenüber den Privaten mithin keine höhere Moral. Im übrigen sollte der moralphilosophisch kluge Adam Smith zitiert werden: Es kommt eigentlich nicht auf das Motiv des Bäckers, sondern auf das Ergebnis an, ob der Kunde das Preis-Leistungsverhältnis seiner Brötchen akzeptiert oder die Exit-Option zu einem anderen Bäcker wählt.  So muß der Bürger als Prinzipal auch mit der Politiker-Gier nach Wiederwahl umgehen können.

Viertens: Die Affinität der Regierungshandelnden zur strategischen Eliminierung von Exit-Optionen durch  internationale Einheitskontrolle, also durch Harmonisierung – oder gar Zentralisierung – von Institutionen, ist kein neues Phänomen. Sie wird in der Europäischen Union zunehmend zum Problem, und sie wird durch die Finanzkrise massiv verstärkt: Die Finanzmärkte müßten, so die Botschaft, durch staatenübergreifende Einheitskontrollen, für die es kein nationales Ausweichen geben dürfe,  reguliert werden.

Aber  in einer Welt heterogener institutioneller nationaler Arrangements und Präferenzen kann es keine international verbindliche Einheitslösung der Kontrolle zur Realisierung des Ziels der Finanzmarktstabilität in allen Ländern geben. Exit-optionslose Einheitlichkeit versperrt die Realisierung und Suche nach sowie den Vergleich mit anderswo besseren Regulierungslösungen. Sie zementiert den regulativen Status-quo und bereitet deshalb schon die nächste Krise vor, weil die Statik der Regulierungen stets hinter der Dynamik der Märkte hinterherhinkt. Mithin gibt es die Notwendigkeit international nicht-einheitlicher Kontrollstandards oder, anders gewendet, die Notwendigkeit der nationalen Freiheit zur Exit-Option gegenüber der Forderung nach Kontrolleinheitlichkeit auf den internationalen Konferenzen: Stability begins at home.

Politische Strategien gegen Exit-Optionen sind freiheitsberaubende Wege zum protektionierten Stillstand. Das gilt generell. Die Konsequenz aus der Krise muß deshalb das Gegenteil sein.

Eine Antwort auf „Die politische Strategie gegen Exit-Optionen“

  1. Danke besser kann man es nicht formulieren. Wir sollen uns auf Gedeih und Verderb denjenigen ausliefernt die maßgeblich an diesem Schlamassel mitgearbeitet haben.

    Besonders schlimm wird es wenn sich die Politiker dann als „Retter“ aufspielen. Sie berauben uns gewohnheitsmässig seit Jahrzehnten, möchte man aber was dagegen tun geht das nur wenn einem ein „persönlicher“ Schaden entstanden ist. Versuchen Sie einfach mal irgendetwas gegen das unsägliche Enteignungsgesezt (verbrämt als FmStg) zu unternehmen…..

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