Daß Finanzstabilität kein Problem ist, das sich noch auf nationalstaatlicher Ebene managen läßt, ist spätestens seit der Finanzkrise ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Das Phänomen der Globalisierung, also der weltweiten Verflechtung und Verdichtung globaler Beziehungen, vorangetrieben durch den technischen Fortschritt im Bereich der Kommunikations- und Transporttechnologien, hat nicht nur Auswirkungen auf den Bereich der Politik oder Wirtschaft. Auch der Sport unterlag in den letzten 20 Jahren einem Wandel, obwohl spätestens mit Anbeginn des Konzepts der Olympischen Spiele (1896) von ersten internationalen Tendenzen gesprochen werden kann (Bour und Gouget, 2006).
Daß die Globalisierung vor dem Sport keinen Halt gemacht hat, lässt sich am folgenden Beispielen verdeutlichen: Die Austragung zahlreicher internationaler Sportevents stellt mittlerweile keine Besonderheit mehr dar. So finden die Olympischen Sommerspiele dieses Jahr in London statt, die kommende Fußball-WM (2014) in Brasilien (Dilger, 2012). Der Trainer der deutschen Basektballnationalmannschaft, Svetislav Peic, kommt aus Serbien (Völker, 2012), dagegen spielt der wohl bekannteste deutsche Basketballspieler, Dirk Nowitzki, in den USA für die Dallas Mavericks. Radsport wird in erster Linie von fünf Großsponsoren finanziert, die aus Russland (Rohstoffmagnat Igor Makarov), der Schweiz (Hörgeräteunternehmer Andy Rihs (BMC)), Luxemburg (Trek-Gründer Flavio Becca) und Australien (GreenEdge-Gründer Gary Ryan) stammen (Mustroph, 2012). Aber auch die Schattenseiten des Sports sind von globalem Ausmaß, so nutzten deutsche Sportmediziner scheinbar das gleiche Dopingmittel, das beim kanadischen Sprinter Ben Johnson 1988 in Seoul nachgewiesen wurde (Kistner, 2012).
Starken Einfluß auf die voranschreitende Globalisierung der Sportbranche hatte zum einen die Wohlstandsmehrung nach dem Zweiten Weltkrieg: Der damit einhergehende Anstieg von Freizeit führte zu einem Konsumanstieg in der Sportbranche. Zum anderen ermöglichten neue Informations- und Kommunikationstechnologien den Anstieg an TV- bzw. Radioübertragungen weltweiter Sportevents (Andreff, 2008). Im Wirtschaftsraum der EU (damals noch EU-25) generierte der Sportbereich im Jahr 2003 eine Wertschöpfung von 407 Mrd. Euro. Damit nähert sich die Sportbranche der Größenordnung der Finanzdienstleistungsbranche. Betrug der Anteil des Sports am BIP 2000 noch 1,5%, bezifferte er 2008 hingegen schon 3,65% (Lopatka, 2008). Der globale Markt für Fußball wird auf 250 Mrd. Euro geschätzt, der für Sportkonsumgüter auf 150 Mrd. Euro. Angenommen wird, daß der globale Markt für Doping immerhin 6 Mrd. Euro beträgt. Fanden 1912 noch 20 Sportgroßereignisse pro Jahr statt, waren es im Jahre 2005 schon 1000. Spätestens mit dem Bosman-Urteil, 1995, globalisierte sich auch der Arbeitsmarkt im Fußball, das Cotonou-Abkommen von 2000 führte schließlich zu einer Arbeitsmarktglobalisierung auch anderer Sportarten (Andreff, 2008). Nicht nur für Industrieländer sind Sportevents bzw. Sport eine wesentliche Komponente in der Politik geworden, auch Schwellen- und Entwicklungsländer investieren immer mehr in sportlichen Erfolg (Nauright, 2006). In bezug auf die Sportgüterindustrie läßt sich feststellen, daß nationale Grenzen nicht mehr von Bedeutung sind. Die Produktion von Sportgütern, die auch im Freizeitbereich verwendet werden können (wie bspw. Sportschuhe), wird dabei vielfach von Schwellenländern übernommen, equipmentintensive Güter hingegen, werden weitestgehend in Europa bzw. den USA hergestellt (Andreff, 2006).
Sport ist also ein globales Gut! Ist Sport auch ein globales öffentliches Gut? Und ist vor diesem Hintergrund ein Staatseingriff nötig?
Wie allgemein bekannt ist, zeichnet sich ein öffentliches Gut einerseits durch Nichtausschließbarkeit im Konsum (keine Person kann vom Konsum ausgeschlossen werden) und andererseits durch Nichtrivalität beim Konsum (gleichzeitige Nutzung von verschiedenen Individuen möglich) aus. Bei öffentlichen Gütern kann unter Umständen ein Markteingriff von Nöten sein, da potentielle Nachfrager eine sogenannte Trittbrettfahrerposition einnehmen: Sie nutzen das Gut zwar, aber zahlen keinen Preis für die Benutzung, sondern hoffen darauf, daß andere Akteure das Gut produzieren. Dies kann zu Marktversagen führen: Das Gut wird privatwirtschaftlich nicht mehr produziert (Daumann, 2011).
Mit dem Bedeutungsanstieg von Umweltproblemen und der Frage der Nachhaltigkeit wurde der Begriff des globalen öffentlichen Guts (global public goods) geprägt und das Konzept der öffentlichen Güter auf die globale Dimension ausgeweitet. Die Wohlfahrt des Individuums bzw. der Gesellschaft hängt nicht mehr nur vom Zugang zu öffentlichen Gütern auf nationalstaatlicher Ebene ab, sondern von der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter (z.B. die zu Beginn beschriebene Finanzmarktstabilität). Globale öffentliche Güter zeichnen sich dabei, neben den Kriterien der Nichtausschließbarkeit und der Nichtrivalität, dadurch aus, daß sie mehr als einer Ländergruppe nutzenstiftend sind, einem großen Spektrum der Bevölkerung zur Verfügung stehen und nicht die heutige Generation auf Kosten der zukünftigen Generationen begünstigen (Deneulin und Townsend, 2007).
Liegt nun ein derartiges globales öffentliches Gut im Sport vor?
Sport, der national ausgeübt wird, sei es in Form eines Wettkampfs, einer Serie von Wettkämpfen (Liga etc.) oder sei es als reine Freizeitbeschäftigung, hat keine direkten Auswirkungen auf andere Regionen und erfüllt damit nicht das Kriterium „global“. Anders könnte es mit internationalen Wettkämpfen (Kontinental- und Weltmeisterschaften, Olympische Spiele etc.) aussehen. Deren Produktionsprozeß zeichnet sich dadurch aus, daß Produktionsfaktoren wie Athleten, Sportprodukte und Sportstätten kombiniert werden, um eine Unterhaltungsdienstleistung zu produzieren. Diese Dienstleistung läßt sich auf verschiedene Art und Weise vermarkten. Die wesentlichen Nachfrager sind Vor-Ort-Zuschauer, Medien und Sponsoren. Im Hinblick auf die Vor-Ort-Zuschauer liegt innerhalb bestimmter Grenzen (Stadionkapazität) Nichtrivalität vor. Allerdings kann potentiellen Zuschauern der Genuß dieser Unterhaltungsdienstleistung verwehrt werden, so daß Ausschließbarkeit gegeben ist. Von daher liegt in diesem Bereich kein öffentliches Gut vor.
Medien müssen, um das Vorprodukt „sportlicher Wettkampf“ weiter verarbeiten zu können, die entsprechenden Verwertungsrechte an diesem Vorprodukt erwerben. Auch diese Rechte können verwehrt und die mediale Nutzung unterbunden werden, weswegen auch hier die Ausschließbarkeit gegeben ist. Also auch auf dem Markt für Übertragungsrechte wird demnach kein öffentliches Gut gehandelt (Anmerkung: Dies kann sich auf dem nachgelagerten Markt durchaus verändern, wenn beispielsweise das TV-Signal terrestrisch und unverschlüsselt übertragen wird).
Ähnlich sieht es auf dem Markt für Sponsoring-Rechte aus. So sind diese Rechte zu erwerben, um in den Genuß der Vorteile des Sponsorings zu kommen. Liegen diese Rechte nicht vor, kann das Ausnutzen der Veranstaltung zu Sponsoring-Zwecken unterbunden werden, wie dies etwa bei vielen gescheiterten Versuchen des Ambush-Marketing deutlich wird.
Alles in allem ist somit die Unterhaltungsdienstleistung, die auf den betrachteten drei Märkten gehandelt wird, kein öffentliches Gut. Gleichwohl könnten aus der Produktion und Verwertung dieser Unterhaltungsdienstleistung externe Effekte resultieren. So ergeben sich aus Siegen eines Athleten oder eines Teams Prestige- oder Imagegewinne für das Land, für das er oder das Team antritt. Diese externen Effekte haben teilweise Eigenschaften öffentlicher Güter. Wenn beispielsweise die DFB-Auswahl den Weltmeistertitel nach Hause bringt, dann dürfte das den ein oder anderen Bundesbürger erfreuen. Hierbei ist tatsächlich weder eine Möglichkeit zum Ausschluß gegeben noch liegen Rivalitäten im Konsum vor. Da es sich aber bei diesem Phänomen – und die damit verbundene Abgrenzung von anderen konstituiert dieses Phänomen gerade – um ein regional begrenztes handelt (in den Niederlanden dürfte sich die Freude über einen deutschen WM-Titel vermutlich eher in Grenzen halten), ist auch hier kein globales öffentliches Gut zu identifizieren.
Damit kann festgehalten werden, daß der Sport kein globales öffentliches Gut darstellt; eine entsprechende supra-nationale Intervention erübrigt sich damit.
Literatur:
Andreff, W. (2006): The sports good industry, in: Andreff, W., Szymanski, S. (eds.) (2006): Handbook on the Economis of Sport, 27-39, Cornwall.
Andreff W. (2008): Globalization of the sports economy. Rivisetta di Diritto ed economia dello sport, 4 (3), 13-32.
Bour J-F., Gouget, J-J. (2006): Sport and globalization: sport as a global public good, in: Andreff, W., Szymanski, S. (2006): Handbook on the Economis of Sport, 744-753, Cornwall.
Daumann, F. (2011): Grundlagen der Sportökonomie, 25-75, Tübingen.
Deneulin, S., Townsend N. (2007): Public goods, global public goods and the common good. International Journal of Social Economics, 34 (1/2), 19-36.
Dilger, G. (2012): Ein provokanter General. Die Tageszeitung (05.03.2012), Zugriff am 09.03.2012 unter: http://taz.de/Fussball-WM-2014-in-Braslien/!89023/
Kistner T. (2012): Deutsche auf Ben Johnsons Spuren. Süddeutsche Zeitung (24.02.2012), Zugriff am 09.03.2012 unter http://www.sueddeutsche.de/sport/2.220/doping-in-der-sportmedizin-auf-ben-johnsons-spuren-1.1292230
Lopatka (2008): Europa wird sportlich. Zugriff am 09.03.2012 unter: http://www.oevp-burgenland.at//bb_guessing/index.php?akt=beitrag&nr=6975
Mustroph, T. (2012): Eine echte Musterbranche. Die Tageszeitung (02.03.2012), Zugriff am 09.03.2012 unter: http://taz.de/Nein-keine-Krise-im-Radsport/!88861/
Nauright, J. (2004): Global Games: Culture, Political Economy and Sport in the Globalized World of the 21st Century. Third World Quaterly 25 (7), 1325-1336.
Völker, M. (2012): Der Otto Rehagel des Basketballs. Die Tageszeitung (07.03.2012), Zugriff am 09.03.2012 unter: http://taz.de/Neuer-alter-Bundestrainer-Pesic/!89145/
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Das Trittbrettfahrer-Problem ist doch Schwachsinn.
Wenn ich private Fernsehsender schaue und die dort beworbenen Produkte nicht kaufe, bin ich auch ein Trittbrettfahrer. Privates Fernsehen wird trotzdessen noch produziert. Wikipedia gibt es auch, obwohl die meisten nie gespendet haben etc.
Wenn jemandem ein Produkt so wichtig ist, dass er dafür bezahlt und jemand anderes es dann ohne Mehrkosten ebenfalls benutzt, entsteht kein Schaden, im Gegenteil.