Am 23. April dieses Jahres titelte das Handelsblatt „Extragehalt für Spitzensportler soll mehr Medaillen bringen“: „Die Stiftung Deutsche Sporthilfe will die besten Athleten des Landes mit stärkeren finanziellen Anreizen zu Höchstleistungen antreiben. Künftig erhalten vielversprechende deutsche Spitzensportler eineinhalb Jahre vor Beginn der Olympischen Spiele jeweils 1500 Euro zusätzlich im Monat“ (o. V., 2009, S. 20).
Vor diesem Hintergrund drängen sich aus ordnungsökonomischer Sicht zwei Fragen auf:
- Soll der Staat den Spitzensport fördern?
- Wenn ja, wie sieht die adäquate Fördermaßnahme aus?
ad 1): In einem marktwirtschaftlichen System ist der Koordination über Märkte Vorrang einzuräumen. Die Notwendigkeit einer staatlichen Intervention bedarf aus ordnungsökonomischer Sicht einer Begründung. Diese erfordert zum einen den Nachweis von Markt- oder Wettbewerbsstörungen etwa in Form öffentlicher Güter, externer Effekte oder natürlicher Monopole. Zum anderen ist im Anschluß zu überprüfen, ob für deren Beseitigung eine vertragstheoretische Legitimation vorliegt: Es muß also untersucht werden, ob in der Vergangenheit bereits Maßnahmen von staatlicher Seite in ähnlichen Situationen ergriffen worden sind und ob diese als gesellschaftlich akzeptiert gelten können (Grossekettler 1987).
Im Spitzensport spielen im wesentlichen zwei Marktversagensformen eine Rolle (Daumann 2003): öffentliche Güter und externe Effekte. So attestiert das Bundesministerium des Inneren dem Spitzensport die Funktion einer „gesamtstaatlichen Repräsentation“, die nicht-rivale und nicht-ausschließbare Nutzenbestandteile aufweist. So freut sich offenbar jeder Bundesbürger über eine Goldmedaille, die bei den Olympischen Spielen von deutschen Athleten gewonnen wird. Fakt ist jedoch, daß die betreffenden Athleten von diesen Medaillen etwa über die sich im Anschluß ergebenden Werbeverträge am meisten profitieren. Das vermeintlich produzierte öffentliche Gut ist somit eher ein Nebenprodukt. Zudem dürften sich – abhängig von der jeweiligen Sportart – unterschiedlich große Teile der Bevölkerung mit einer derartigen sportlichen Leistung identifizieren, bei weitem jedoch nicht alle. Darüber hinaus resultiert mitunter aus der Aufdeckung von Doping, das inhärenter Bestandteil des Sports ist, eine „negative“ Repräsentationswirkung. Insofern kann die Eigenschaft eines öffentlichen Gutes bei sportlichen Siegen allenfalls in internationalen Wettbewerben als schwache Begründung einer staatlichen Intervention dienen.
Die vom Spitzensport ausgehenden relevanten positiven Externalitäten sind indirekter Natur und bestehen darin, daß durch erfolgreiche Athleten der Breitensport an Zulauf gewinnt („Boris-Becker-Effekt“). Im Breitensport ergeben sich augenscheinlich wiederum direkte externe Effekte etwa in Form des Gesundheitsförderungseffekts oder des Aufbaus sozialen Kapitals; deren Existenz ist jedoch umstritten und sie können durch andere Fördermaßnahmen gezielter erreicht werden. Zudem könnten durch Doping oder andere Verwerfungen im Sport auch gegenteilige Wirkungen erzielt werden. Insofern kann auch hiermit eine staatliche Intervention zugunsten des Spitzensports allenfalls sehr schwach begründet werden.
Auch die vertragstheoretische Legitimation steht auf tönernen Füßen: Zwar interveniert der Staat auf unterschiedlichen Ebenen sehr stark in den Spitzensport, aber eine umfassende gesellschaftliche Akzeptanz für derartige Eingriffe kann nicht festgestellt werden. Insgesamt ergibt sich damit eine äußerst dünne Begründung für eine staatliche Intervention zugunsten des Spitzensports.
ad 2): Akzeptiert man die Argumentation als ausreichend für eine staatliche Intervention, stellt sich die Frage nach adäquaten Maßnahmen.
Eine Förderung des Spitzensports kann zum einen direkt oder indirekt erfolgen: Während im erstgenannten Falle einzelne Sportler respektive Mannschaften unterstützt werden, kommt die indirekte Sportförderung den Rahmenbedingungen für die Produktion von sportlichen Leistungen zugute. So werden hier beispielsweise Sportverbände oder -vereine unterstützt, Sportanlagen bereitgestellt usw. Sowohl die direkte als auch die indirekte Förderungen können wiederum monetär oder nicht-monetär ausgestaltet sein.
In Deutschland findet sich ein Mix der verschiedenen Förderungsformen, die zudem nicht zentral koordiniert werden (Langer 2006; Eckl & Wetterich 2006). So werden etwa durch die Bundeswehr Athleten direkt unterstützt. Die Mittel des Innenministeriums (ca. 220 Millionen EUR im Haushaltsjahr 2009) fließen in die indirekte Sportförderung. Die Sportförderung der Bundesländer und der Kommunen ist regelmäßig indirekt ausgestaltet: Hier werden meist der Bau von Sportanlagen oder lokale Vereine begünstigt. Empfänger von Förderleistungen müssen dem System des selbstverwalteten Sports angehören. Anbieter außerhalb dieses Systems (kommerzielle Anbieter wie Fitneßstudios oder Gesundheits-Center) können an den staatlichen Unterstützungen nicht partizipieren. Im bundesdeutschen Förderungssystem dominiert das indirekte Element; wettbewerbliche Prozesse, in denen Innovationen etwa in Form neuer Organisationsformen, besserer Sichtung, produktiverer Trainingsmethoden etc. hervorgebracht werden, werden durch dieses System eher unterbunden. Das bestehende System erweist sich somit als kaum adäquat.
Wenn das Ziel der Sportförderung im Bereich des Spitzensports auf die Erringung von Siegen in internationalen Wettbewerb gerichtet ist, die zumindest ansatzweise die Eigenschaft eines öffentlichen Gutes haben und aus denen evtl. auch positive externe Effekte resultieren, liegt es nahe, die Förderung komplett an diese Siege zu koppeln. Aus ordnungsökonomischer Sicht konsequent wäre somit eine staatliche Förderung im Spitzensport, die sich gänzlich darauf beschränkte, Medaillen bei den Olympischen Spielen oder bei bedeutenden internationalen Wettbewerben mit einem staatlichen Preisgeld zu belohnen. Der Staat würde damit einzig das öffentliche Gut finanzieren; die Ausgestaltung des Produktionsprozesses bliebe dem Wettbewerb überlassen. In einem derartigen Prozeß würden sich unterschiedliche Produktionsstrukturen herausbilden, die das damit verbundene unternehmerische Risiko übernehmen würden. Hierbei könnten durchaus klassische Vereine, die auf eine ausdifferenzierte Jugendarbeit setzen, mit Sportunternehmern wie Nick Bollettieri in Konkurrenz treten. Erreicht würde also mit einer derartigen wettbewerbsadäquaten Förderung, daß nur der Erfolg vergolten würde und daß der Weg dorthin einem Trial-and Error-Prozeß vorbehalten bliebe, in dem sich erfolgreiche Sportmodelle durchsetzen würden.
Literatur:
Daumann, Frank (2003), Staatlicher Handlungsbedarf bei Doping im Hochleistungssport?, in: ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 54. Jg., S. 243 – 268.
Eckl, Stefan & Wetterich, Jörg (2006): Kommunale Sportförderung in Deutschland, in: Eckl, Stefan; Wetterich, Jörg (Hrsg.): Sportförderung und Sportpolitik in der Kommune, Münster et al., S. 15–112.
Grossekettler, Heinz (1987), Der Beitrag der Freiburger Schule zur Theorie der Gestaltung von Wirtschaftssystemen, Münster.
Langer, Mathias (2006): Öffentliche Förderung des Sports. Eine ordnungspolitische Analyse, Tübingen.
o. V., Extragehalt für Spitzensportler soll mehr Medaillen bringen, Handelsblatt, 23.4.09, S. 20
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Die Stiftung Deutsche Sporthilfe ist keine staatliche Institution, sie bekommt nicht einmal Geld vom Staat. 65% der Einnahmen stammen aus Spenden, 20% aus Zuweisungen der Lotterie und 15% aus dem Verkauf von Zuschlagsmarken (Briefmarken).
Im Übrigen fördert die Stiftung gerade keine Sportarten, bei denen man mit Werbeverträgen reich wird, bei denen die evtl. lockenden Werbeverträge im Falle des Sieges also gerade kein Anreiz sind, die Erwerbsarbeit zugunsten des Sports zurückzufahren. Die von der Stiftung geförderten Sportler gehen wohl regelmäßig einer nicht mit dem Sport assoziierten Erwerbsarbeit nach, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Im Falle des Dopings muss der Sportler die Fördergelder der letzten zwei Jahre zurückerstatten.