In der Krise versuchen sowohl China als auch die USA durch keynesianische Wirtschaftspolitik ihre nationalen Champions zu stärken. Durch expansive Geld- und Fiskalpolitik werden US-amerikanische Finanzinstitute und chinesische Exportunternehmen von ihren Regierungen an der Weltspitze gehalten. Die beiden Kontrahenten leisten sich in einer Art Gleichgewicht unbeabsichtigte Schützenhilfe, was aber internationale Ungleichgewichtige und das zukünftige Krisenpotenzial erhöht.
Um ihren Finanzsektor vor dem Kollaps zu schützen, betreiben die USA seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 mittels Niedrigzinsen und Quantitative Easing eine extrem expansive Geldpolitik. Die bis 2014 „garantierten“ Niedrigzinsen der FED (Federal Open Market Committee 2012) sichern den US-Finanzinstituten eine lukrative Einnahmequelle durch zinsgünstige Refinanzierung und damit hohe Gewinnmargen im Kreditgeschäft. Zwar sind die Zinsen für die Kreditvergabe gesunken, jedoch nicht im gleichen Maße wie der Leitzins der Zentralbank. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die vom niedrigen Leitzins getriebenen Zinsgewinne aus dem Kauf von US-Staatsanleihen.
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China prangert die expansive amerikanische Geldpolitik an, da die billige US-Liquidität Regionen mit höheren Profiterwartungen – in erster Linie die Schwellenländer der Dollarperipherie – überschwemmt. Aufgrund von hohen Wachstumsraten und Aufwertungserwartungen des Renminbi ist China zu einem beliebten Zielland von spekulativen Kapitalzuflüssen avanciert. Carry Trades und Hot Money (illegale, volatile Kapitalströme) führen trotz Kapitalverkehrskontrollen zu Aufwertungs- und Inflationsdruck, was die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Exporte bedroht.
Um ihren nationalen Champion zu schützen, setzt die chinesische Wirtschaftspolitik neben Kreditsubventionen (Schnabl 2011) insbesondere auf eine reale Wechselkursstabilisierung. Die Industrie generiert nicht nur fast die Hälfte des chinesischen Bruttoinlandsprodukts, sondern auch enorme Beschäftigungseffekte. Stagniert oder sinkt das Wachstum im Industriesektor, können die im Agarsektor freigesetzten Wanderarbeiter nicht mehr absorbiert werden. Soziale Unruhen wären die Folge.
Der Großteil der industriellen Fertigung ist für den Export bestimmt, der durch den von den Kapitalzuflüssen generierten Aufwertungsdruck ausgebremst würde. Um die Aufwertung des Renminbi zu vermeiden, kauft die chinesische Zentralbank US Dollar auf dem Devisenmarkt (nominale Wechselkursstabilisierung). Dies erhöht die chinesischen Dollarreserven sowie die im Umlauf befindliche Geldmenge. Der daraus resultierende Inflationsdruck würde zusammen mit der bereits zugelassenen nominalen Aufwertung des Renminbi die chinesischen Exporte und die Industrieproduktion ausbremsen. Um dies zuverhindern, reguliert die Zentralbank über die Ausgabe von Anleihen und die Erhöhung der Mindestreserveanforderung für Banken die Geldmenge. Die Sterilisierungsmaßnahmen verhindern, dass trotz einer deutlichen nominalen Aufwertung des Renminbi (die als Entgegenkommen gegenüber den USA gesehen werden könnte) der reale Wechselkurs aufwertet. Abbildung 2 zeigt, dass basierend auf Produzentenpreisen der reale Wechselkurs des Renminbi gegenüber dem Dollar nahezu unverändert bzw. leicht abgewertet ist.
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Allerdings kommt es zu einer Fragmentierung des Finanzmarktes. Da eine marktbasierte Abschöpfung von Überschussliquidität die Zinsen erhöhen und somit zu weiteren Kapitalzuflüssen führen würde, erfolgt die Sterilisierung gegenüber einem staatlich kontrollierten Bankensektor zu Zinsen, die deutlich unter dem Marktzinsniveau liegen.
Der unterbewerte reale Wechselkurs ist gleichbedeutend mit einer Exportsubvention (Schnabl 2011, Greenwood 2008). Die interventionistische Politik verschiebt Arbeitslosigkeit ins Ausland. Die subventionierten chinesischen Billigprodukte verdrängen im amerikanischen Industriegütersektor Hersteller und Arbeitsplätze. Um die Interessen der heimischen Industrie auf internationaler Ebene zu vertreten, klagt die US-Regierung immer wieder gegen chinesisches Preisdumping bei der Welthandelsorganisation (WTO 2012).
Die gegenseitigen Vorwürfe scheinen sich allerdings auf reines Schattenboxen zu beschränken. Denn obwohl die US-Industrie und der chinesische Finanzsektor durch die keynesianische Wirtschaftspolitik des Gegenübers geschädigt werden, befinden sich die beiden Länder in einer Art perversem Gleichgewicht. In den USA profitiert der Finanzsektor (und die Industrie leidet); in China gewinnt die Industrie (während der Finanzsektor fragementiert wird).
Ein Abweichen der USA von diesem Gleichgewicht ist unwahrscheinlich, da ein Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik den Finanzsektor schädigen würde. Den wirtschaftlichen und politischen Eliten, die dem Finanzsektor nahe stehen, würden lukrative Gewinne genommen. Die kostspieligen Rettungsaktionen und Renten im Finanzsektor werden nicht allein durch den US-Steuerzahler, sondern zu großen Teilen vom chinesischen Sparer finanziert. Die ständigen Devisenmarktinterventionen zwingen China in eine große Nachfrage nach US-Staatsanleihen. Diese trägt zu niedrigen Zinsen am langen Ende und damit zur Aufrechterhaltung des kriselnden US-Finanzsystems und der steigenden US-Staatsverschuldung bei. Die günstigen chinesischen Importgüter hemmen den Preisanstieg in den USA und sichern so die geldpolitische Expansion der Fed bei niedriger Inflation. In diesem Sinne profitiert die USA sowohl von der eigenen, als auch von der chinesischen keynesianischen Wirtschaftspolitik.
Doch auch ein chinesisches Abweichen vom Gleichgewicht ist unwahrscheinlich. Der Verlust der internationalen Vormachtstellung des Exportsektors würde zu Arbeitsplatzverlusten führen und die politische Legitimation des kommunistischen Regimes erodieren. Um dies zu verhindern, wird Chinas nationaler Champion bedingungslos gestützt.
Deshalb ist nicht zu erwarten, dass eine der beiden Regierungen von ihrer auf die heimischen Märkte ausgerichtete keynesianische Politik in naher Zukunft abweichen wird. Aber es verschärfen sich die strukturellen Verzerrungen und das Leistungsbilanzungleichgewicht in beiden Ländern. Dies schafft Potential für weitere, noch größere Krisen. Um diese Gefahr zu bannen, müssten sich die USA und China aus dem verzerrten Gleichgewicht internationaler Arbeitsteilung lösen und zu einer koordinierten langfristig orientierten Wirtschaftspolitik übergehen. Kernpunkte wären der Ausstieg aus der US-Niedrigzinspolitik in Kombination mit dem chinesischen Ausstieg aus der realen Wechselkursbindung.
Literatur:
Federal Open Market Committee (2012): Press Release, March 13, 2012.
Greenwood, John (2008): The Costs and Implications of PBC Sterilization, Cato Journal, Vol. 28, No. 2.
Schnabl, Gunther (2011): Strukturelle Verzerrungen im Währungskrieg. In: Wirtschaftsdienst, 91. Jg., Heft 2.
World Trade Organization (2012): Dispute settlement.
Hinweis: Kristina Spantig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig.
- USA – China: Zwei Keynesianer im (Un)Gleichgewicht - 23. Juni 2012
- Hayek versus Keynes Reloaded - 24. Juni 2011
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