„It is an illusion to believe that the youth unemployment problem in Europe can be solved by spending a couple of billion euros. There is no alternative to fundamental structural reforms, particularly in the crisis countries.“ (Klaus F. Zimmermann)
Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der Arbeitslosigkeit. Es spukt seit langem in Nord und Süd, besonders heftig aber in den Krisenländern. Die Arbeitslosigkeit erreicht immer neue Höchststände. Besonders hart trifft es junge Arbeitnehmer. Die Gefahr einer Generation ohne Zukunft wächst. Das wäre ökonomisch und politisch fatal. Europa würde weiter diskreditiert. Diese Misere ruft die Retter auf den Plan. Nachdem die Politik das Problem jahrzehntelang vor sich her geschoben hat, muss es nun, wie bei den Rettungsaktionen des Euro, schnell gehen. Die Politik will helfen, wieder einmal mit Geld, das sie nicht hat. Mit 24 Mrd. Euro in den nächsten vier Jahren soll die Jugend Europas gerettet werden.
Strukturelle Probleme
Die Arbeitslosigkeit errreicht in Europa immer neue Höchststände. Vor allem die südlichen Problemländer sind von der Misere betroffen. In Griechenland ist mehr als jeder Vierte ohne Arbeit. Das sind Werte wie in der Großen Depression. Besonders bitter ist es für die Jugend. Ihre Arbeitslosenraten erreichen ständig neue Rekordwerte. Sie überspringen vielerorts die 50 %-Marke. Allerdings sind diese Werte nicht zum Nennwert zu nehmen. Bei der Berechnung werden die Jugendlichen ausgeklammert, die in beruflicher und (hoch)schulischer Ausbildung sind. Berücksichtigt man diese, dann halbieren sich die Werte der Jugendarbeitslosigkeit. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie skandalös hoch sind.
Nachhaltige Erfolge im Kampf gegen die Misere auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche treten erst ein, wenn die allgemeine Beschäftigung wieder spürbar ansteigt. Die Arbeitslosigkeit in Europa ändert schon seit einiger Zeit ihren Charakter. Der zyklische Teil schmilzt stetig ab, die strukturelle Komponente wächst ständig. Es ist deshalb völlig richtig, wenn weitere Strukturreformen angemahnt werden. Die expansive Geld- und Fiskalpolitik ist weitgehend wirkungslos. Die Geldpolitik der EZB treibt zwar die Aktienkurse, baut aber Arbeitslosigkeit nicht ab und erhöht das inflationäre Potential. Trotz erster Erfolge ist das Tempo der Strukturreformen in den Krisenländern noch immer zu gering.
Besser oder billiger
Es ist eine ökonomische Binsenweisheit, Arbeit muss besser oder billiger werden, wenn sie wieder stärker von Unternehmen nachgefragt werden soll. Das gilt für alle Arbeitnehmer, männliche und weibliche, hoch qualifizierte und weniger qualifizierte, junge und alte. Der langwierigere Weg läuft über mehr Investitionen in Humankapital. Besser berufliche Ausbildung ist eine schwierige Sache. Nicht überall gelingt sie gut. Vom dualen Berufsbildungssystem in Deutschland können die Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit einiges lernen. Ein solches System lässt sich aber nicht von heute auf morgen erfolgreich installieren. Es erfordert Anpassungen in den Betrieben, neue schulisches Lehrformen und vertrauensvolle Kooperationen von Schule und Betrieb.
Die Erfolge einer solchen Politik der besseren beruflichen Ausbildung zeigen sich allerdings erst mit einiger zeitlicher Verzögerung. Damit die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen nicht weiter ansteigt, bleibt nur der Weg, die „junge“ Arbeit billiger zu machen. Die Entlohnung muss der noch relativ geringen Produktivität angepasst werden. Eine sichtbare Barriere auf diesem Weg sind relativ hohe Mindestlöhne in Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit. Das beste Beispiel ist Frankreich. Ein Mindestlohn, der uneingeschränkt auch für Jugendliche gilt, verschlechtert das Ertrags-Kosten-Kalkül der Unternehmen bei der Beschäftigung junger Arbeitnehmer. Was sozial gut gemeint sein mag, schließt Jugendliche von der Beschäftigung in privaten Unternehmen aus.
Regulierte Arbeitsmarkt
Eine weitere Barriere auf dem Weg zu mehr „junger“ Beschäftigung ist der Kündigungsschutz. Die Länder des Südens haben allesamt einen rigiden Kündigungsschutz. Den Arbeitsplatzbesitzern gelingt es seit langem, einen Schutzwall um ihre Arbeitsplätze aufzubauen. Damit werden die Arbeitsmärkte stark segmentiert. Wer drin ist, hat gute Chancen, auch drin zu bleiben. Wer draußen ist, hat wenige Möglichkeiten, rein zu kommen. Das beste Beispiel ist Spanien. Ältere Arbeitnehmer haben einen relativ sicheren Arbeitsplatz. Die Lasten schwankender Beschäftigung müssen primär von den Arbeitnehmern ohne Kündigungsschutz getragen werden. Zeitarbeit und Arbeitslosigkeit ist deren Schicksal. Besonders betroffen sind junge Arbeitnehmer.
Die Arbeitsmärkte in Europa leiden an einer zu geringen Mobilität der Arbeitnehmer. Das gilt räumlich und beruflich für erwachsene und jugendliche Arbeitnehmer. Nicht nur in den Krisenländern differiert die Jugendarbeitslosigkeit regional. Nach wie vor ist auch die Ausbildung in MINT-Berufen defizitär. Das „Hotel Mama-Syndrom“ ist unter Jugendlichen des Südens weit verbreitet. Italien ist ein markantes Beispiel. Von räumlicher Mobilität ist nicht viel zu sehen. Das muss sich grundlegend ändern. Notwendig wären moderne Varianten internationaler Wanderjahre in der Ausbildung und danach. Die Wittenstein AG hat mit dem Projekt „Pioniere auf der Walz“ diese Tradition wieder belebt.
Adäquater Ordnungsrahmen
Es braucht nicht unbedingt massenhaft Steuergeld, um Jugendliche in Arbeit zu bringen. Ein adäquater Ordnungsrahmen auf den Arbeitsmärkten bewirkt oft Wunder. Ein Problem bleibt aber. Unternehmen investieren nur in Humankapital von Jugendlichen, wenn es sich rechnet. Eine Investition in allgemein verwertbares Humankapital lohnt aber oft nicht. Die Gefahr der Abwanderung zu anderen Unternehmen macht die Investition riskant. Staatlich finanzierte Einstellungs-Gutscheine können dieses Problem verringern. Jugendliche können die Gutscheine bei Unternehmen ihrer Wahl einlösen, die sie adäquat ausbilden. Damit kann sich die Waage von unternehmerischen Kosten und Erträgen einer Ausbildung zugunsten der Erträge neigen.
Aber auch in diesem Fall muss der Staat nicht notwendigerweise Geld in die Hand nehmen. Das Risiko, dass sich unternehmerische Investitionen in Humankapital für das ausbildende Unternehmen nicht lohnen, lässt sich auch ordnungspolitisch adäquater lösen. Das Lehrgeld früherer Zeiten ist keine befriedigende Lösung. Kapitalmärkte stellen die entsprechenden Mittel nicht zufriedenstellend zur Verfügung. Die Einführung von Ablösesummen wäre allerdings ein adäquates Mittel. Der auszubildende Betrieb erhält für den Fall, dass ein von ihm ausgebildeter Arbeitnehmer den Betrieb verlässt, eine Ablöse vom aufzunehmenden Betrieb. Damit sinkt das Risiko von Fehlinvestitionen. Der Anreiz auszubilden, steigt gerade für den Mittelstand.
Fazit
Der Albtraum weiter explodierender Arbeitslosigkeit in Europa muss ein Ende haben. Das gilt für jede Art von Arbeitslosigkeit, besonders aber für die wachsende Jugendarbeitslosigkeit. Gelingt es nicht, diese tickende Zeitbombe zeitnah zu entschärfen, geraten Individuen, Wirtschaft und Gesellschaft in schwere Wasser. Die Folgen sind individuell höchst unerfreulich, weil sie gerade bei Jugendlichen ökonomisch lebenslange Narben hinterlassen. Sie sind für die Ökonomie drastisch, weil sie die Europäische Währungsunion endgültig zum Einsturz bringen. Und sie sind gesellschaftlich katastrophal, weil sie das Potential haben, sozial wie ein Sprengsatz zu wirken. Der Weg zu politischem Extremismus und einer Spaltung der Gesellschaft ist nicht mehr weit.
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4 Antworten auf „Gespenstische (Jugend)Arbeitslosigkeit in Europa
Helfen Ablöse und Wanderjahre?“