„Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen.“ (Ludwig Erhard (2009 [1957])
Im Euroraum geht die Deflationssorge um – befördert durch den jüngsten Rückgang der Konsumentenpreise: Im Dezember 2014 fielen sie um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch deutet das wirklich schon auf Deflation hin?
In den gängigen Lehrbüchern wird Deflation als ein andauernder Rückgang der Preise auf breiter Front verstanden. Wenn die Konsumentenpreise fallen, ist das noch keine Deflation, solange andere Preise – wie zum Beispiel die von Aktien oder Häusern – weiter ansteigen.
Fallende Konsumentenpreise würde ebenfalls keine Deflation bedeuten, wenn „Einmaleffekte“ (zum Beispiel fallende Rohstoffpreise) am Werke sind, die alle Preise nur zeitlich begrenzt, aber nicht dauerhaft absenken.
Die entscheidende Frage, die es mit Blick auf die Deflationssorge zu beantworten gilt, lautet daher: Was bestimmt den Verlauf der Güterpreise in der Volkswirtschaft – also die Entwicklung des Preisniveaus – im Zeitablauf?
Hier lässt sich eine klare Antwort geben: In einer Geldwirtschaft wird das Preisniveau durch Geldangebot und Geldnachfrage bestimmt. Übersteigt beispielsweise die nachgefragte Geldmenge die angebotene Geldmenge, so sinken die Güterpreise.
Denn steigt die Geldnachfrage, dann bieten die Marktakteure vermehrt Güter an. Das steigende Güterangebot senkt die Güterpreise ab. Die Güterpreise sinken ebenfalls, wenn die angebotene Geldmenge abnimmt relativ zur nachgefragten Geldmenge.
In beiden Fällen sorgen sinkende Güterpreise für einen Ausgleich zwischen der nachgefragten Geldmenge und der angebotenen Geldmenge.
Bedeutsam ist nun, dass die nachgefragte Geldmenge nicht unabhängig ist von der angebotenen Geldmenge. Schließlich halten die Menschen Geld, weil die Marktakteure der Meinung sind, dass das Geld Kaufkraft hat.
Wenn die Marktakteure allerdings erwarten, dass die Kaufkraft des Geldes (weiter) abnehmen wird, werden sie ihre Geldnachfrage (weiter) einschränken – und im Gegenzug ihre Nachfrage nach anderen Gütern ausweiten.
In einem ungedeckten Papiergeldsystem kann die Zentralbank die Geldmenge jederzeit in jeder gewünschten Höhe ausweiten – und dadurch kann sie die Geldnachfrage und damit letztlich auch das Preisniveau der Volkswirtschaft beeinflussen.
Die Zentralbank kann die Geldmenge auf vielen Wegen ausweiten. Der bekannteste ist die Kreditvergabe: Banken erhalten von der Zentralbank Kredit, die sie in die Lage versetzt, ihrerseits die Kredit- und Geldmenge auszuweiten.
Die Zentralbank kann aber auch die Geldmenge direkt ausweiten, indem sie zum Beispiel Anleihen und Devisen aufkauft und mit neu geschaffenem Geld bezahlt. Sie kann desweiteren „Konsumgutscheine“ ausgegeben, die sich bei Banken in neu geschaffenes Geld eintauschen lassen.
Oder die Zentralbank sorgt dafür, dass sprichwörtlich neu geschaffene Geldscheine über dem Währungsraum abgeworfen werden (dies ist das „Helikoptergeld“). Die Möglichkeiten, im ungedeckten Papiergeldsystem die Geldmenge zu vermehren, sind schier grenzenlos.
Die Zentralbank kann – und daran sollte kein Zweifel bestehen – die Geldmenge so stark ausweiten, bis die Geldhalter die „Flucht aus dem Geld“ antreten – wie es beispielsweise geschehen ist Anfang der 1920er Jahre in der Weimarer Republik.
Die Deutsche Reichsbank weitete die Geldmenge immer stärker aus, indem sie immer mehr Staatsanleihen monetisierte. Die Menschen begannen daraufhin, ihre Geldnachfrage einzuschränken, weil sie sahen, dass die Kaufkraft des Geldes zusehends schwand.
Sie tauschten ihr Geld gegen Güter ein. Die steigende Güternachfrage ließ die Güterpreise so stark ansteigen, dass die Reichsmark letztlich ihre Kaufkraft verlor, was für die damaligen Reichsmarkbesitzer zum Totalverlust wurde.
Ob es Inflation oder Deflation gibt, ist in einem ungedeckten Papiergeldsystem eine politische Entscheidung. Die Wahrscheinlichkeit, dass es beispielsweise Deflation im Euroraum geben wird, ist denkbar gering.
Zumal die EZB von den Regierungen bereits de facto die Carte Blanche erhalten hat, die Geldmenge nach Gutdünken ausweiten zu können. Es wäre währungsgeschichtlich erstaunlich, wenn sie nicht davon Gebrauch machen würde.
Währungsgeschichtlich zeigt sich jedoch leider auch, dass die ungehemmte Macht zur Geldmengenvermehrung früher oder später missbraucht wird, dass dem Halter von ungedecktem Papiergeld Inflation, nicht Deflation, drohen.
- Kurz kommentiert
Verbietet den Zentralbanken, Aktien zu kaufen - 12. September 2016 - Auf dem Weg in eine Welt ohne Renditen - 19. Juli 2016
- Frieden braucht Eigentum - 28. Mai 2016
2 Antworten auf „Übertriebene Deflationssorge“