„Das Problem bei politischem Selbstmord besteht darin, dass man weiterlebt, um ihn zu bereuen.“ (Winston Churchill)
Den Ökonomen bleibt auch nichts erspart. Erst erwischt sie die Finanzkrise auf dem falschen Fuß. Der finanzielle Sektor wurde bis dato von der Volkswirtschaftslehre stiefmütterlich behandelt. Von diesem rufschädigenden Schock hat sich der ökonomische Mainstream bis heute nicht erholt. Und nun auch noch Donald Trump. Mit seinen hemdsärmligen handelspolitischen Muskelspielen stellt er einen alten Glaubenssatz der Ökonomie unverblümt in Frage. Das Prinzip der komparativen Vorteile, eine der wenigen ökonomischen Theorien, die nach Paul Samuelson wahr und nicht trivial ist, soll nicht mehr gelten. Trump und seine ökonomischen Leichtmatrosen behaupten frech, Freihandel stelle nicht alle beteiligen Länder besser. Ein neuer Protektionismus („America first“) sei für Länder eine echte Alternative. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass diese drastische Wende in der Handelspolitik genau zwei Jahrhunderte nach dem epochalen Werk „On the Principles of Political Economy and Taxation“ (1817) von David Ricardo vollzogen wird.
Strukturwandel
Die ungelöste Finanzkrise und der neue Protektionismus haben eines gemeinsam. Wie schon zu Zeiten der Großen Depression war auch in der Finanzkrise der Strukturwandel die treibende Kraft. Damals starb der Agrarsektor. Heute liegt der industrielle Sektor im Sterben. Eine weltweit sehr expansive Geld- und Fiskalpolitik hat diese Entwicklung lange maskiert. Mit der Lehman-Pleite fiel der Schleier. Sichtbar wurde ein weit fortgeschrittener struktureller Wandel. Der inter-sektorale Strukturwandel meint es nicht gut mit dem industriellen Sektor. Das trifft vor allem (weiße) Männer hart. Die Zukunft gehört Dienstleistungen. Bei den personenbezogenen Dienstleistungen profitieren primär Frauen. Der intra-sektorale Wandel vernichtet massenhaft Routine-Tätigkeiten. Das schmerzt vor allem einfache Arbeit, tut aber immer öfter auch der Mittelschicht empfindlich weh. Unter dieser Entwicklung leidet vor allem Industriearbeiter.
Globalisierung
In den USA hat der industrielle Sektor seit Anfang der 70er Jahre fast 1/3 der Arbeitsplätze verloren. Kein Wunder, dass dort die Unzufriedenheit besonders groß ist. Zwar wurde der Verlust durch neue Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor mehr als ausgeglichen. Der Transfer vom männlich dominierten Industriesektor in den weiblich beherrschten (personenbezogenen) Dienstleistungssektor ist aber nicht gelungen. Das war und ist der Ansatzpunkt der Kampagne von Donald Trump, die ihn wider Erwarten ins Weiße Haus gespült hat. Schuld daran sei die Globalisierung argumentiert das Trump-Lager. Die weltweite Konkurrenz hätte mit unlauteren Praktiken die Arbeitsplätze gestohlen. Es sei deshalb an der Zeit, die ausländische Konkurrenz in die Schranken zu weisen. Zölle auf Importe, Subventionen für Exporte und nicht manipulierte Wechselkurse seien die Mittel, weltweit wieder faireren Wettbewerb zu installieren.
Technischer Fortschritt
Es ist unter Ökonomen ein alter Hut: Angebot und Nachfrage treiben den sektoralen Strukturwandel. Mit steigendem Wohlstand verlagert sich die Nachfrage weg von Industriegütern hin zu Dienstleistungen. Und der technische Fortschritt hilft den Anbietern von Industrieprodukten, Güter effizienter zu produzieren. Bei personenbezogenen Diensten sind die Produktivitätsfortschritte weniger ausgeprägt. Beide Entwicklungen tragen dazu bei, dass der Industriesektor immer weniger zur Wertschöpfung und Beschäftigung beiträgt. Globalisierung beschleunigt die Entwicklung der Produktivität. Die meisten Ökonomen sind allerdings der Meinung, dass der Verlust an industrieller Beschäftigung weniger auf weltweit offenere Märkte, sondern vor allem auf den technischen Fortschritt zurückzuführen ist. Wer also partout verlorengegangene industrielle Arbeitsplätze zurückholen will, sollte auch deshalb nicht auf handelspolitischen Protektionismus setzen.
Protektionismus
Der im kanadischen Toronto lehrende Ökonom Daniel Trefler hat Protektionismus mit einem Heizlüfter in einem Iglu verglichen. Erst wird es wärmer und behaglicher, dann allerdings bricht einem das Dach über dem Kopf zusammen. Der strukturelle Wandel lässt sich so nicht aufhalten. Das gilt selbst dann, wenn die Globalisierung auf dem Altar rentensuchender Interessengruppen geopfert wird. Dafür sorgt schon der technische Fortschritt. Der Preis einer solchen gefühligen Politik ist für eine Volkswirtschaft hoch. Er übersteigt die kurzfristigen Erträge für einige wenige bei weitem. Vor allem die Konsumenten verlieren. Die Preise steigen, die Auswahl sinkt. Darunter leiden Konsumenten mit niedrigem Einkommen besonders. Eine protektionistische Handelspolitik tut auch dem Wachstum nicht gut. Weltweit optimierte Angebotsketten werden gekappt, die Gefahr eines Handelskrieges nimmt zu. Damit verlieren alle. Protektionismus à la Trump ist ökonomischer Selbstmord auf Raten.
Mobilität
Struktureller Wandel und marktliche Ungleichheit sind der Preis für mehr materiellen Wohlstand. Was ist zu tun, wenn man den Fortschritt nicht behindern und Populisten, wie Donald Trump, das Feld nicht kampflos überlassen will? Es spricht nichts für eine Politik gegen den Markt, wie sie die neuen Protektionisten weltweit propagieren. Notwendig ist eine Politik mit dem Markt. Der sektorale Transfer von alten Industrie- zu neuen Dienstleistungsarbeitsplätzen muss effizienter werden. Das erfordert mehr berufliche, räumliche und mentale Mobilität. Männer müssen auch bereit sein, „pink collar“-Arbeitsplätze zu akzeptieren. Unabdingbar ist daneben dreierlei: Mehr Investitionen in Humankapital machen Arbeitnehmer mobiler, beruflich, räumlich und sozial. Mehr unternehmerische Freiheit schafft die dringend notwendigen neuen Arbeitsplätze in einer Volkswirtschaft. Mehr wirksame Hilfe für die Verlierer des Strukturwandels immunisiert besser gegen Populisten.
Hinweis: Eine kürzere Fassung dieses Beitrages ist als Leitartikel in der Ausgabe 4/2017 der Fachzeitschrift WiSt erschienen.
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