Europas Fußballligen im Umbruch (2)
Vom Regen in die Traufe?
Die Champions League-Reform aus sportökonomischer Sicht

 UEFA unter Druck

Nachdem während der vergangenen Jahrzehnte mehrmals Bemühungen zur Gründung einer geschlossenen, in privater Eigentümerschaft organisierten, europäischen Superliga im Profifußball forciert wurde (etwa Berthold 2018; Follert 2019; Follert und Emrich 2019; Drewes und Rebeggiani 2019), entfachten ernstzunehmende Planungen vor einigen Tagen erneut die Diskussion. Das Vorhaben dieser neuen Europäischen Superliga zerschlug sich jedoch schnell, da einige Klubs, die sich vorher dazu bekannten, nach erheblichem Druck von Seiten der UEFA, der Fans und sogar mancher Regierungschefs wieder einen Rückzieher machten (ran 2021). Die Europäische Superliga wäre, hätten die Klubs durchgehalten, für die UEFA, die bislang im europäischen Fußball als Monopolist im Hinblick auf die Organisation internationaler professioneller Fußballwettbewerbe agieren konnte, ein ernstzunehmender Wettbewerber gewesen (hierzu Follert und Daumann 2021). Tatsächlich bleibt aber das Drohpotential eines Ausstiegs namhafter Klubs. Vor diesem Hintergrund ist auch der Entwurf einer Umgestaltung der Champions League zu interpretieren, der nun auf dem Tisch liegt (https://www.sportnews.bz/artikel/fussball/europaeische-wettbewerbe/champions-league/uefa-beschliesst-champions-league-reform) und der im Folgenden analysiert werden soll.

Mögliche Auswirkungen auf nationale Ligen

Verglichen mit dem derzeitigen Modus der UEFA Champions League würde der neue Wettbewerb 36 statt 32 Teams und damit mehr Spiele beinhalten, was bei einer Präferenz der Konsumenten für die reine Anzahl an Matches als positiv angesehen werden könnte. Zudem ist geplant, den Gruppenmodus durch eine Liga zu ersetzen. Grundsätzlich finden somit mehr Spiele auf hohem spielerischen Niveau statt, wenn man beispielsweise die Marktwerte der Spieler als Näherung für die spielerischen Fähigkeiten annimmt (etwa Richau et al. 2019). Allerdings stehen diesen Vorteilen auch erhebliche Nachteile gegenüber. Diese ergeben sich insbesondere aus der aus sportökonomischer Sicht gewichtigen Reduzierung des Wettbewerbs. Dabei lebt Sport für viele Konsumenten von der Unsicherheit über den Ausgang des Wettkampfs (Daumann 2019, 103-105, wenngleich die empirischen Ergebnisse der „Uncertainty of Outcome“-Hypothese nicht eindeutig sind) und damit grundsätzlich der Ausgeglichenheit eines Spiels. Zwar wünschen sich Fans grundsätzlich, dass ihr Team als Sieger vom Feld geht, jedoch führt eine zu ausgeprägte Dominanz auch tendenziell zu einem Rückgang des Interesses. Dieser Balanceakt manifestiert sich sinnbildlich im Wahlspruch der New York Yankees: „Lord make us strong, but not too strong“ (zitiert nach Dietl und Franck 2008, 10). Durch die Vergabe finanzieller Mittel in Abhängigkeit von einer Ranglistenplatzierung, die über mehrere Perioden geführt wird, entsteht ein Matthäus-Effekt. Finanziell starke Klubs werden damit unabhängig von ihrer gegenwärtigen sportlichen Leistung noch stärker, was c.p. zu einer steigenden Ungleichheit zwischen den Mannschaften führt, wenn man annimmt, dass sich die Finanzausstattung unmittelbar auf Spielerinvestitionen auswirkt. Durch die Teilnahme an der Liga durch Wildcards, die sich ebenfalls an der mehrperiodigen Rangliste orientieren, könnte sich das Anstrengungsniveau der Top-Klubs in den nationalen Wettbewerben mindern, da ein geringerer Anreiz besteht, vordere Platzierungen in der Liga zu erzielen. So können sich Klubs, die bspw. durch Verletzungen von Spielern in der zweiten Saisonhälfte unter Druck geraten, auf den internationalen Wettbewerb konzentrieren, sofern sie nur in der relevanten Rangliste hoch genug positioniert sind, um in der kommenden Saison wieder international spielen zu können.

Man muss kein „Fußballromantiker“ sein, um zu erkennen, dass sich die Überlegungen zu einem neuen europäischen Wettbewerb in einer wachsenden Ungleichheit in der Finanzausstattung der Klubs niederschlagen werden. Dadurch reduziert sich in den nationalen Ligen die Unsicherheit über den Ausgang eines Spiels, was bei entsprechender Präferenz der Zuschauer zu einem Nachfragerückgang führt. Allerdings muss relativierend hinzugefügt werden, dass eine nationale Liga nicht nur aus einem Rennen um die Meisterschaft besteht, sondern Fans auch Präferenzen für einen spannenden Abstiegskampf haben.

Fazit

Auf den ersten Blick erschien die Absage der geplanten European Super League eine erfreuliche Meldung für all jene Fans zu sein, die befürchten, die Abkopplung der Spitzenklubs würde die finanzielle und damit sportliche Schere zwischen diesen und dem Rest des europäischen Fußballs größer werden lassen. Betrachtet man hingegen die Reform der Champions League aus sportökonomischer Sicht, wird schnell deutlich, dass die Gefahr keineswegs verschwindet. Vielmehr könnte gerade die Parallelität von nationalen Ligen und Champions League mit einer weiteren Protektion der etablierten Klubs dazu führen, dass sich die Unausgeglichenheit in den nationalen Ligen fortsetzt. Eine geschlossene Liga, deren Teilnahme an einen Ausstieg aus der nationalen Liga geknüpft wäre, würde zwar möglicherweise das sportliche Niveau in der lokalen Liga senken, die Ausgeglichenheit zwischen den übrigen Mannschaften jedoch stärken (sog. Kondaminationseffekt, siehe Daumann 2019, 162). Dass die Nachfrage nach der deutschen Bundesliga bei Einführung einer geschlossenen Super League insgesamt rückläufig wäre (sog. Substitutionseffekt, siehe Daumann 2019, 162) ist denkbar, jedoch sollte die enge regionale Bindung der Fans bei zahlreichen Klubs nicht außer Acht gelassen werden.

Literatur

Berthold, N. (2018), Super League in Europa? Das letzte Wort haben die Fans. Wirtschaftliche Freiheit – Das ordnungspolitische Journal vom 4.11.2018, http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=24030

Daumann, F. (2019), Grundlagen der Sportökonomie, 3. Aufl., München.

Dietl, H. & Franck, E. (2008), Millisekunden und Milliarden. 30 Analysen zur Ökonomie des Sports, Zürich.

Drewes, M & Rebeggiani, L. (2019), Die Europäische Super League im Fußball: Mögliche Szenarien aus sport- und wettbewerbsökonomischer Sicht. Sciamus – Sport und Management 10(4), 127-142

Follert, F. (2019), Europäische Fußball-Superliga aus sportökonomischer Sicht. Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 99, 148-150.

Follert, F. & Daumann, F. (2021), Und täglich grüßt die Super League…Wirtschaftliche Freiheit – Das ordnungspolitische Journal vom 21.04.2021, http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=29020.

Follert, F. & Emrich, E. (2020), Was wäre wenn…? – Ein mikroökonomisches Gedankenexperiment zu einer Superliga im europäischen Fußball. List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik 45, 347-359.

Ran (2021), European Super League im News-Blog: Agnelli bestätigt Aus, Zugriff am 21. 04. 2021 unter: https://www.ran.de/fussball/international/news/european-super-league-im-news-blog-agnelli-bestaetigt-aus-119337

Richau, L., Follert, F., Frenger, M. & Emrich, E. (2019), Performance indicators in football: The importance of actual performance for the market value of football players. Sciamus – Sport und Management, 10(4), 41-67.

Blog-Beiträge zu „Europäische Fußballligen im Umbruch“:

Florian Follert und Frank Daumann: Und täglich grüßt die Super League …

Eine Antwort auf „Europas Fußballligen im Umbruch (2)
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