Am 22. Januar 2013 hat die japanische Regierung unter dem neuen Premierminister Abe mit der Bank of Japan (BOJ) eine Übereinkunft getroffen und die Notenbank künftig auf eine aggressive Geldpolitik eingeschworen. Die BOJ hat sich dabei verpflichtet, von 2014 an zeitlich unbegrenzt jeden Monat am offenen Markt private und öffentliche Anleihen anzukaufen, so lange bis die Inflationsrate die Marke von 2 % p.a. erreicht hat. Diese Zusage erfolgte auf Druck der Regierung, das Zentralbankgesetz abzuändern und die formelle Unabhängigkeit der BOJ einzuschränken. Im Gegenzug hat sich die japanische Regierung verpflichtet, überfällige Strukturreformen anzupacken, die Wettbewerbsfähigkeit Japans zu verbessern und mittelfristig einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen.
Vorläuferprogramme
Die jüngste Übereinkunft ist das vierte Kapitel einer in Japan mittlerweile seit fast 15 Jahren andauernden geldpolitischen Lockerung, die das Land bislang weder aus der wirtschaftlichen Stagnation geführt noch den Deflationsprozess gestoppt hat. Den Anfang bildete bereits im April 1999 die Nullzinspolitik („zero interest rate policy“, ZIRP), bei der die japanische Notenbank durch ihre Liquiditätspolitik den Zinssatz für ungesicherte Interbankenkredite bei nahe null zu halten versuchte. Im März 2001 wurde ZIRP ergänzt durch die Politik der quantitativen Lockerung („monetary easing“). Hierbei steuerte die BOJ einen Zielwert für die von den Geschäftsbanken bei ihr gehaltenen Überschussreserven an, um die Liquiditätsversorgung des Bankensektors zu sichern. Verbunden waren ZIRP und die quantitative Lockerung durch die Ankündigung der BOJ, diese Politik so lange beizubehalten, bis der Rückgang im Konsumgüterpreisindex gestoppt und die Deflation überwunden war, was im März 2006 als erfüllt galt.
Nach Ausbruch der Finanzkrise, von der Japan vor allem durch den Rückgang seiner Güterexporte betroffen wurde, reagierte die BOJ im Oktober 2010 mit einer weiteren, noch umfassenderen monetären Lockerung („comprehensive monetary easing“). Im Mittelpunkt steht seither ein Wertpapierankaufprogramm der Notenbank, das die BOJ verpflichtet, private und öffentliche Anleihen am offenen Markt anzukaufen. Das Programm sah zunächst Obergrenzen für den Wertpapierankauf vor, die jedoch ständig erweitert wurden und 101 Billionen Yen (etwa 82 Mrd. Euro) Ende 2013 umfassen sollen. Mit der jüngsten Übereinkunft sind diese Obergrenzen entfallen, und die BoJ hat angekündigt, mit dem Ankaufprogramm fortzufahren, bis die Inflationsrate auf 2 % p.a. angestiegen ist.
Versuch der Nachfragesteuerung
Anders als die EZB, die seit 2008 ebenfalls eine quantitative Lockerung betreibt, reagiert die BOJ mit ihrer Politik nicht mehr auf Funktionsstörungen am Interbankenmarkt, sondern betreibt gesamtwirtschaftliche Nachfragesteuerung, um die Beschäftigung zu erhöhen und das Wirtschaftswachstum anzuregen. Anliegen des Programms ist es, die langfristigen Zinssätze zu reduzieren, die für Investitionsentscheidungen und für die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern entscheidend sind, auf die aber die Geldpolitik allenfalls einen mittelbaren Einfluss hat.
Mehrere Einflusskanäle einer Politik der quantitativen Lockerung auf die langfristigen Zinsen sind vorstellbar. Erstens erhofft man sich einen Ankündigungseffekt, wenn die Zentralbank bekannt gibt, ihre Politik des billigen Geldes auch zukünftig fortzusetzen und so lange beizubehalten, bis die Inflation „angesprungen“ ist. Dann können auch die für die Zukunft erwarteten kurzfristigen Zinssätze sinken, die zusammen mit den aktuellen kurzfristigen Zinssätzen die langfristigen Zinssätze bestimmen. Zweitens erwartet man einen Liquiditätseffekt, wenn die Geschäftsbanken hohe Überschussreserven halten und deshalb niedrigere Liquiditätsprämien für ihre Kredite verlangen. Und schließlich erhofft man einen Risikoeffekt, wenn die Zentralbank im Zuge der quantitativen Lockerung risikoreiche Aktiva von den Geschäftsbanken übernimmt und in ihr Portfolio aufnimmt, sodass die Banken geringere Risikoprämien für ihre Kredite verlangen können.
Tatsächlich ist es der BOJ in der Vergangenheit durch ihre aggressive Geldpolitik gelungen, neben den kurzfristigen auch die langfristigen Zinssätze zu senken – ohne jedoch den deflationären Trend zu brechen oder die wirtschaftliche Aktivität anzuregen. Verschiedene empirische Studien belegen zwar, dass die Maßnahmen der BOJ einen signifikanten Einfluss auf Renditen und Marktpreise von Finanzaktiva haben (Berkmen, 2012; Ueda, 2012). Dennoch ist in Japan die Kreditvergabe durch den Bankensektor (anders als in den USA und Europa) zwischen 1990 und 2012 von 106 % auf 84 % des BIP gesunken – trotz eines beträchtlichen Anstiegs der Geldbasis im selben Zeitraum (von 9 % des BIP in 1990 auf 26 % des BIP in 2012; Shirai, 2013). Offenbar nutzten Finanzinstitute die zusätzliche Liquidität, um Finanzaktiva (vor allem japanische Staatsanleihen) anzukaufen, nicht aber, um die Investitionsausgaben kleinerer und mittlerer Unternehmen zu finanzieren. Deshalb verpufft die Wirkung der geldpolitischen Expansion im Finanzsektor.
,Zombie lending“˜ und andere Probleme
Mehrere Gründe sind für dieses Scheitern von Nullzinspolitik und geldpolitischer Lockerung verantwortlich: Erstens trocknet bei sehr niedrigen Zinssätzen der Geldmarkt fast völlig aus, weil die Tagesgeldsätze nicht mehr ausreichen, um mögliche Ausfallrisiken bei der Kreditvergabe zwischen den Geschäftsbanken auszugleichen. Dann muss der Interbankenhandel durch die Notenbank ersetzt werden, die den Geschäftsbanken die notwendige Liquidität bereitstellt, um die Kreditvergabe aufrecht zu halten (Bini Smaghi, 2008). Zweitens sinken mit dem Zinsniveau auch die Zinsmargen, aus denen Geschäftsbanken ihre Profite ziehen, sodass das Angebot an Intermediationsleistungen abnimmt. Bei niedrigen Margen zwischen Soll- und Habenzinsen sinkt die Bankenprofitabilität, und es sind große Kreditvolumina notwendig, damit Banken ihre operativen Kosten decken können. Niedrige Gewinnmargen erschweren die Kapitalbildung der Banken (Ueda, 2012). Drittens untergraben niedrige Zinssätze die Haushaltsdisziplin des Staates, der sich billig verschulden kann und in der Notenbank einen Abnehmer für seine Neuemissionen an Staatsschuldtitel findet. Hohe Haushaltsdefizite können restriktive, nicht-keynesianische Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Aktivität haben, wenn die Marktteilnehmer zukünftige Steuererhöhungen erwarten.
Hinzu kommt, dass ZIRP und geldpolitische Lockerungen ein als „zombie lending“ oder „ever-greening“ bezeichnetes Verhalten fördern. Darunter versteht man die Praxis vor allem japanischer Banken, ihre Kreditvergabe „aus kosmetischen Gründen“ an insolvente Unternehmen zu verlängern. Sie wollen eine ansonsten notwendig werdende Kreditabschreibung und den Ausweis realisierter Verluste vermeiden. Dies kann bei niedrigem Zinsniveau zweckmäßig sein, wenn die an Kreditgeber gezahlten Risikoprämien nicht ausreichen, um mögliche Kontrahentenrisiken am Interbankenmarkt auszugleichen. Dann verzichten Liquidität suchende Geschäftsbanken auf einem Verlustausweis, um von den Marktteilnehmern am Geldmarkt nicht als zu risikoreich eingestuft zu werden und um den Zugang zu Interbankenkrediten nicht zu verlieren Besonders seit Beginn von ZIRP ist solch eine Kreditvergabe an insolvente „Zombie“-Unternehmen weit verbreitet. Sie hat bei relativ sinkendem Kreditvolumen hohe volkswirtschaftliche Kosten, weil Zombie-Unternehmer Ressourcen verbrauchen, die anderen Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen (Peek, Rosengren, 2005; Caballero, Hoshi, Kashyap, 2008).
Fazit
Das Beispiel Japan weckt damit begründete Zweifel an der Wirksamkeit einer aggressiven Geldpolitik. Was in Japan fehlt, sind Strukturreformen, die vor allem einen Rückzug des Staates aus dem Finanzsektor betreffen. So steht beispielsweise weiterhin eine Privatisierung der Japanischen Postbank aus, über die große Teile von privaten Ersparnissen in öffentliche Projekte geleitet werden. Solche Reformen sollen bereits seit 10 Jahren umgesetzt werden, stoßen jedoch auf den Widerstand einer alternden Wahlbevölkerung. Eine Geldmengenexpansion ist deshalb der politisch leichter durchsetzbare Weg aus der Krise, kann jedoch nicht überfällige Reformen ersetzen.
Literatur
Berkmen, S. P. (2012). Bank of Japan’s Quantitative and Credit Easing: Are They Now More Effective?, IMF Staff Papers, WP 12/2, Washington/DC.
Bini-Saghi, L. (2008). Restarting a Market: The Case of the Interbank Market. Speech at the ECB Conference on Global Financial Linkages, Transmission of Shocks and Asset Prices, Frankfurt, 1 December 2008.
Caballero, R.J., Hoshi, T., Kashyap, A.K. (2008). Zombie Lending and Depressed Restructuring in Japan, in: American Economic Review, 98, S. 1943-1977.
Peek, J., Rosengren, E.S. (2005). Unnatural Selection: Perverse Incentives and The Misallocation of Credit In Japan, in: American Economic Review, 95, S. 1144-1166.
Shirai, S. (2013), Japan’s Monetary Policy in a Challenging Environment. Speech at the Bank of Italy and the Eurasia Business and Economics Society Conference Held in Rome (January 11-12).
Ueda, K. (2012), The Effectiveness of Non-Traditional Monetary Policy Measures: The Case of the Bank of Japan, in: Japanese Economic Review, 63(1), S. 1-22.
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„The mistaken results of QE policy include Federal Reserve financing of outsize budget deficits. No one should require a tutorial about the longer-term consequences of using central banks to finance government deficits. Sooner or later the results are inflation, always and everywhere.
The Fed points to labor market benefits, but these benefits are almost entirely false. Data show that QE has had very little, if any, favorable effect on employment and output. The reason is that our economic problems are mainly real problems, not monetary problems. It is an elementary error to confuse real and monetary problems by claiming that QE purchases can alleviate current unemployment. In their first course in economics, students learn that jobs, productivity, and growth are real events. And they learn also that printing money has at best a temporary increase in jobs or output that soon vanishes.“
Allan H. Meltzer in: „QE is a Mistake – a Big One“