Viele Prognosen sind in der Vergangenheit beständig zuverlässiger geworden. Während etwa Mitte der achtziger Jahre bei Wetterprognosen der Prognosefehler der ein- bis zweitägigen Vorhersage der Tageshöchsttemperatur bei ca. 2,5 Grad lag, liegt er heute bei etwa 1,6 Grad – eine gewaltige Prognoseverbesserung, die vor allem auf bessere Messdaten, ausgefeiltere Modelle und größere Rechnerleistungen zurückzuführen ist. Es stellt sich somit die Frage, ob Konjunkturprognosen ähnlich zuverlässiger geworden sind. Die Fakten sprechen dagegen: So ist der Prognosefehler der Wachstumsprognosen für Deutschland durch den Sachverständigenrat seit den sechziger Jahren nicht substanziell gesunken. Gleiches gilt auch für andere Konjunkturprognosen. Gerade am aktuellen Rand konnten die Konjunkturprognosen zum Beispiel die Konjunktureinbrüche im Zuge der Finanzmarktkrise 2009 nicht vorhersagen und wiesen Prognosefehler bis 5 Prozentpunkte auf.
Woran liegt dies? Während Wetterprognosen auf naturwissenschaftlichen Zusammenhängen aufbauen, die sich nur sehr langfristig (zum Beispiel durch den Klimawandel) verändern, basieren Konjunkturprognosen auf wirtschaftlichen Zusammenhängen, die durch Wirtschaftssubjekte und damit Menschen beeinflusst werden. Menschen wiederum agieren oft wenig vorhersagbar und Zusammenhänge sind somit über die Zeit nicht stabil. Abzulesen ist dies beispielsweise an der Prognoseunsicherheit: So wurde das Wirtschaftswachstum für das Jahr 2011 durch eines der großen Wirtschaftsforschungsinstitute zwar mit knapp 2,5 Prozent angegeben, gleichzeitig wurden die Grenzen, zwischen denen das Wachstum mit 90 Prozent Wahrscheinlichkeit liegen werde, mit 0,75 Prozent bis gut 4 Prozent beziffert – eine gewaltige Spanne.
Es stellt sich somit die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Konjunkturprognosen. Die Antwort ist einfach: Es müssen so viele wichtige Entscheidungen in Politik und Unternehmen auf Basis der Erwartungen über das zukünftige Wirtschaftswachstum getroffen werden, dass Prognosen einfach unerlässlich sind. Und für kurzfristige Prognosen, also am Ende des Vorjahres, liegen die Vorhersagen gegenüber einer naiven Prognose – zum Beispiel dem Wert des Vorjahres – deutlich besser. Konjunkturprognosen können also einen Beitrag zu einer etwas sichereren Planung für Politik und Unternehmen leisten. In jedem Fall trifft auf Konjunkturprognosen aber der Satz zu: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen!“.
Hinweis:
Diese Kolumne erschien am 9. Februar 2013 im „Schleswig-Holstein Journal“, der Wochenendbeilage der Tageszeitungen im sh:z
- Achtung Statistik
Ungleiche Verteilung - 15. April 2017 - Achtung Statistik
Murphys Gesetz - 10. September 2016 - Achtung Statistik
Die „Irrsinn-Formel“ - 17. Juli 2016