Vor dem Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise waren die Notenbanker, wenn auch nicht die Herren des Universums, so doch zumindest der Finanzwelt. Die Politik vieler Notenbanken hat sich – zumindest implizit –an dem Taylor-Konzept orientiert, das die Stabilisierung von Inflation und Auslastung der Wirtschaft als Optimierungsaufgabe der Geldpolitik beschreibt und im Zentrum des sogenannten „new consensus in macroeconomics“ (NCM) – des über Jahrzehnte dominierenden makroökonomischen Modells in der Geldpolitik –steht. Die „great moderation“, d.h. der beeindruckende Rückgang der Inflationsraten in den Industrie- und vielen Schwellenländern seit Mitte der achtziger Jahre, wurde von den Zentralbankern der Welt als ultimative Bestätigung für den Erfolg ihres Ansatzes gefeiert. Selbst „Betriebsunfälle“, wie die Japankrise Anfang der neunziger Jahre, die Asienkrise Ende der neunziger Jahre oder die New Economy Blase Anfang des Jahrtausends, verstärkten angesichts der scheinbar erfolgreichen kurzfristigen Stabilisierungsbemühungen der Notenbanker letztlich wohl noch deren Hybris.
Allerdings haben sich sowohl bei der theoretischen Fundierung der Geldpolitik als auch bei ihrer Implementierung erhebliche Probleme aufgetan. Zu nennen ist hier der Fokus auf realwirtschaftliche Indikatoren wie Outputlücke und Inflation, die beide mit erheblichen Definitions- und Messproblemen behaftet sind. Noch wichtiger ist aber die Vernachlässigung der Rolle des Finanzsektors und von Vermögenspreisblasen, die zur Entstehung der derzeitigen globalen Finanzkrise – aber auch früherer Krisen – maßgeblich beigetragen haben. Dabei hat sich die Geldpolitik zum einen auf die fragwürdige homo oeconomicus-Annahme verlassen, die exzessive Risikobereitschaft und Vermögenspreisblasen aufgrund der Annahmen von vollständig informierten und rational handelnden Akteuren quasi wegdefinieren. Falls doch mal etwas schief ging, verstanden die Notenbanker dies als „vorübergehende Verwirrung“ der Akteure und sahen ihre Aufgabe darin, nach dem Platzen der Blasen die Folgen für die Realwirtschaft zu begrenzen. Insgesamt dürfte dieser sogenannte „Jackson Hole Consensus“ einer übertriebenen Risikobereitschaft an den Finanzmärkten, wo diese Politikausrichtung als „Greenspan put“ bezeichnet wurde, Vorschub geleistet haben.
Die in der Krisenbekämpfung – wohl z.T. unvermeidlichen – Kompromisse bezüglich der Rollenverteilung mit der Fiskalpolitik und beim Einsatz geldpolitischer Instrumente haben Zweifel an der Unabhängigkeit der Notenbanken aufkommen lassen. Die Mitarbeit in der Troika und ihre ultimative Bereitschaft, den Euro zu erhalten – „whatever it takes“ – haben beispielsweise die Freiheitsgrade der EZB deutlich eingeschränkt. Die engere Verbindung mit der Fiskalpolitik kann zu politischem Druck auf die Notenbank führen, Zinsanhebungen auf die lange Bank zu schieben, zumal die EZB mit Blick auf ihre Verantwortung für die Finanzmarktstabilität mit einem Dilemma konfrontiert wäre. Generell dürfte die in den letzten Jahren an den Tag gelegte Kreativität hinsichtlich des unorthodoxen Instrumentenkastens, beispielsweise Käufe bestimmter Produkte, um bestimmte Marktteilnehmer (z.B. Agencies in den USA) oder Marktsegmente (Covered Bond Ankaufprogramm der EZB) zu stützen, es den Notenbanken künftig erschweren, mit partiellen Funktionsstörungen begründete Handlungsaufforderungen der Politik mit Verweis auf nicht aufgabengerechte Instrumente zurückzuweisen. Ziele und Mitteleinsatz der Zentralbanken könnten so zum Politikum werden. Neue Aufgaben in der Aufsicht und Regulierung sowie die erheblichen Verteilungswirkungen ihrer Antikrisenpolitik werden die Notenbanken wohl noch weiter in die politische Einflusssphäre bringen, mit entsprechenden Gefahren für ihre Unabhängigkeit, was insbesondere in Deutschland kritisch beobachtet wird.
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Schöner Artikel.
Ich empfehle dazu die Sendung Prof Hankel im Gespräch mit Michel von Tell
findet sich bei you tube