Notenbankgewinne und Geldpolitik (5)
Am Ende haften wir alle

Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, und Otmar Issing, vormaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, lehnen Staatsanleihekäufe der EZB ab. Zu Recht. „Am Ende haften wir alle für die Verluste.“ Nein, sagt Professor Martin Hellwig, nur Geschäftsbanken müssen beim Eingehen von Risiken vorsichtig sein, die EZB dagegen nicht. Sie könne immer neues Geld ausgeben, das sie zu nichts verpflichte. Dabei muss klar sein, dass Verluste aus dem Erwerb von Ramschanleihen für die EZB ebenso Verluste von Eigenkapital sind wie für jede Geschäftsbank.

Ein solches Herunterwirtschaften der Qualität der EZB-Bilanz soll keine Rolle spielen? Das ist so fern der Realität wie manches Lehrbuch, weil die politökonomischen Bedingungen und die vorauseilenden Erwartungen der Bürger ignoriert werden. Schon der bloße Verdacht, die EZB werde sich Martin Hellwigs Anregung künftig zum festen Grundsatz ihres Handelns machen, würde zumindest in Deutschland das Vertrauen in die EZB endgültig erschüttern, eine schnell anschwellende Flucht von Geldvermögen in den Dollarraum auslösen, den Euro an den Devisenmärkten ins Bodenlose abstürzen und die Inflationsrate via Importpreise sprunghaft steigen lassen.  Mit dem Weg in die Unsolidität hätte die EZB ihre Unabhängigkeit klar missbraucht und damit verwirkt. Die Bundesregierung, größter Anteilseigner der EZB, müsste spätestens dann politisch eingreifen, schlimmstenfalls sogar den Austritt erwägen.

Mario Draghi ist leider nicht der, für den wir ihn anfangs gehalten haben. Er ist kein konservativer Banker, sondern ein Politiker im Gewande des Technokraten. Er spielt mit dem Feuer. Aber noch halte ich ihn für zu rational, um den endgültigen Absturz des Euro zu riskieren. Wir können nur hoffen, dass ich mich nicht irre.

 

Beiträge der Serie “Notenbankgewinne und Geldpolitik

Martin Hellwig: Jens Weidmanns gefährliche Argumente

Otmar Issing: Die klugen Argumente des Jens Weidmann

Martin Hellwig: Replik auf Otmar Issing

Otmar Isssing: Der Kern der Meinungsverschiedenheit

2 Antworten auf „
Notenbankgewinne und Geldpolitik (5)
Am Ende haften wir alle“

  1. Si tacuisses…

    „Dabei muss klar sein, dass Verluste aus dem Erwerb von Ramschanleihen für die EZB ebenso Verluste von Eigenkapital sind wie für jede Geschäftsbank.“

    Sind wir Buchhalter oder Ökonomen? Eine Notenbank kann ihrem Geschäft völlig ohne „Eigenkaptial“ nachgehen, weil sie sich aufgrund ihres Bargeldmonopols das Geld zur Durchführung ihrer Geschäfte drucken kann.

    Das Eigenkapital der EZB hat symbolische Bedeutung – es hat politische nicht aber ökonomische Gründe. Diese symbolische Bedeutung soll nun tatsächlich für notwendig erachtete geldpolitische Maßnahmen begrenzen?

    Und selbstverständlich können Notenbankverluste ohne Reduzierung des Eigenkapitals verbucht werden. Dazu muss man kein besonders kreativer Buchhalter sein.

  2. @ Kai Friedrichs

    „Sind wir Buchhalter oder Ökonomen?“

    Ich hoffe doch beides! Denn ein Kreditgeldsystem ist letztlich nichts anderes als die buchhalterische Erfassung und Übertragung von Forderungen und Verbindlichkeiten. Siehe hierzu (sowie zur kreativen Buchführung) auch mein Kommentar zu Prof. Hellwig: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=16258

    LG Michael Stöcker

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