Die aktuellen Regelungen zum Bund-Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II laufen im Jahr 2019 aus. Zudem tritt 2020 die Schuldenbremse für die Bundesländer in Kraft. Die notwendige Neuregelung sollte als Chance genutzt werden, die Schwächen des aktuellen Finanzausgleichssystems zu mildern: Derzeit werden die Steuereinnahmen pro Einwohner so umverteilt, dass am Ende alle Länder nahezu den Bundesdurchschnitt erhalten. Daher lohnt es sich für die Bundesländer kaum, ihre Einnahmen zu verbessern, insbesondere durch eine schlagkräftigere Steuerverwaltung. Die Abschöpfungsquoten sollten gesenkt und den Bundesländern mehr Einnahmeautonomie durch ein Zu- und Abschlagsrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeräumt werden.
Der Bund-Länder-Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland vollzieht sich über vier Stufen: Auf der ersten Stufe werden Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer zwischen dem Bund und der Gemeinschaft der Länder (und der Gemeinden) aufgeteilt. Auf der zweiten Stufe folgt die horizontale Steuerverteilung  auf die einzelnen Bundesländer. Hinzu kommt der Umsatzsteuervorausgleich, bei dem bis zu einem Viertel des Aufkommens der Umsatzsteuer für ergänzende Zuweisungen an die Länder verwendet wird und der damit eine erhebliche horizontale Ausgleichswirkung hat. Der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne bildet die dritte Stufe. Auf ihr kommt es zu einer direkten Umverteilung von Steuereinnahmen zwischen den Ländern. Auf der vierten Stufe findet schließlich ein weiterer vertikaler Ausgleich zwischen dem Bund und den Ländern über Bundesergänzungszuweisungen statt, um verbleibende Unterschiede zu reduzieren und besondere Ausgabenbelastungen zu kompensieren.
Insgesamt werden 19 Mrd. Euro umverteilt, davon 8,5 Mrd. Euro auf der dritten Stufe, dem Länderfinanzausgleich im engeren Sinne. Das führt dazu, dass Nehmerländer durchschnittlich von einem Euro, den sie zusätzlich einnehmen, lediglich 20 Cent behalten dürfen; Geberländer dürfen durchschnittlich von einem zusätzlichen Euro 40 Cent behalten. Somit lohnt es sich gerade für Nehmerländer kaum, ihre Einnahmen zu verbessern, denn sie müssen damit rechnen, weniger Mittel aus dem Finanzausgleich zu bekommen (Nehmerländer) oder entsprechend mehr Mittel abzuführen (Geberländer). Dies gilt besonders im Bereich der Steuerverwaltung, wenn ein Land mehr Steuerbeamte einstellt und bezahlt, aber wenig von den zusätzlichen Steuereinnahmen behalten kann. Berlin und Bremen erhalten beim Finanzausgleich besonders hohe Zahlungen. Bürger von Stadtstaaten sind im Finanzausgleich aufgrund der so genannten Einwohnerveredelung ca. ein Drittel wertvoller als die von Flächenländern.
Bei der Reform des Bund-Länder- Finanzausgleichs sollten die Abschöpfungsquoten abgesenkt werden. Alle Einnahmen sollten vollständig in den Finanzausgleich einbezogen werden, also auch die Gemeindesteuern, die derzeit nur zu 64 Prozent einfließen. Zudem sollten der Umsatzsteuervorausgleich und die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen entfallen. Über einen linearen Ausgleichstarif sollte der Finanzausgleich anreizfreundlicher gestaltet werden – derzeit wird umso kräftiger abgeschöpft, je größer der Abstand der Finanzkraft vom Durchschnitt ist. Die Einwohnerveredelung bei den Stadtstaaten sollte ab- geschafft werden.
Neben einer Reform des Finanzausgleichs, die Geber- und Nehmerländern mehr von ihren zusätzlichen Einnahmen lässt, sollte im Zuge der Föderalismusreform die Steuerautonomie der Länder gestärkt werden. Derzeit haben die Bundesländer kaum Möglichkeiten, über ihre Einnahmen zu bestimmen. Die Steuerbemessungsgrundlagen und der Steuertarif wesentlicher Steuern sind einheitlich durch Bundesgesetz geregelt. Dies lässt den Ländern wenig Freiraum, die Finanzierung ihrer  Aufgaben selbst zu gestalten und ihre Altschulden abzubauen. Daher sollte ein Zuschlags- und Abschlagsrecht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeführt werden.
Bei einer umfassenden Föderalismusreform müssten zudem zwei weitere Aspekte in den Blick genommen werden: Zum einen sind die Bundesländer auch bei der Gestaltung ihrer Aufgaben und der damit verbundenen Ausgaben erheblich eingeschränkt. Sind diese bundesweit einheitlich geregelt, sollte der Bund die Finanzierungsverantwortung tragen. Können die Länder und Gemeinden hingegen selbst über die Gestaltung von Leistungen entscheiden, sollten sie auch selbst für die Finanzierung verantwortlich sein.
Auch sollte der Umgang mit Haushaltsnotlagen grundlegend überdacht werden, denn auch hier bestehen weiterhin Fehlanreize. Befindet sich ein Land in einer Haushaltsnotlage, so muss der Bund ihm finanziell beistehen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Berlin-Urteil 2006 die Anforderungen an das Bestehen einer Haushaltsnotlage tendenziell erhöht, gleichwohl hat das Gericht grundsätzlich bestätigt, dass der Bund ein „notleidendes“ Land finanziell unterstützen muss. Würden die Bundesländer hingegen eigenverantwortlich für ihre Haushaltssituation einstehen müssen, würde diese durch die Kapitalmarktakteure bewertet und die Kreditaufnahmemöglichkeiten über den Markt begrenzt. Es bleibt abzuwarten, ob die ab 2020 für die Bundesländer geltende, grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse eine ähnliche Wirkung entfalten wird.
Hinweis: Dieser Policy Brief entstand auf Grundlage des ECONWATCH-Meetings „Föderalismusreform III – Mehr Haushaltsautonomie für die Bundesländer?“ mit Prof. Dr. Lars P. Feld (Walter Eucken Institut, Sachverständigenrat)  und  Prof.  Dr. Kai A. Konrad (Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen) am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
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