China bebt! Auf den chinesischen Aktienmärkten werden die Karten auf den Tisch gelegt. Seit 12. Juni 2015 hat eine rasante Talfahrt eingesetzt. Panikartige Verkäufe ließen die Kurse um mehr als 30% fallen. Innerhalb von drei Wochen wurden 2,36 Billionen Dollar Marktkapitalisierung vernichtet. Das entspricht dem zehnfachen des (auch fallenden) griechischen Sozialprodukts. Chinas Taxifahrer, Hausfrauen, Jungunternehmer und der neue Geldadel müssen Federn lassen. Bis vor kurzem hatte die staatlich kontrollierte Propagandamaschinerie den Shanghai Stock Exchange Composite noch nach oben gepeitscht. Zwischen November 2014 und Mitte Juni 2015 waren die Kurse um 150% gestiegen (siehe Abbildung). Die Peoples Bank of China hatte mit Zinssenkungen noch Öl ins Feuer gegossen.
Nun wird alles getan, um dem Kollaps entgegenzuwirken. Den Launen der Finanzmärkte wird die rote Karte gezeigt. Im offiziellen Verlautbarungsorgan der chinesischen Zentralbank „Financial News“ wurde mit „Morgan Stanley“ bereits der Schuldige ausgemacht. Leerverkäufer werden wegen „heimtückischer Absichten“ öffentlich geächtet und die Polizei geschickt. Mehr als 1000 Unternehmenswerte sind vom Handel ausgesetzt. Der staatliche Kreditgeber China Securities Finance Corporation stützt nach Aussagen der chinesischen Zentralbank mit mindestens 500 Milliarden Yuan (73 Milliarden Euro) die Kurse. Die staatlichen Versicherungen kaufen Aktien. Die Zentralbank hat die Zinsen und Mindestreserveanforderungen gesenkt.
Und mit Erfolg: Seit letzter Woche steigen die Kurse wieder. Die staatlichen Rettungsaktionen haben den Shanghaier Index um 10% nach oben gedrückt. Dies lässt Anleger und Politiker durchatmen. Doch selbst, wenn alle Verluste kompensiert würden und die Entwicklung auf Aktienmarkt – wie viele behaupten – von der realwirtschaftlichen Entwicklung weitgehend entkoppelt ist, dürfte der Krach folgen haben. Zum Beispiel auf internationaler Ebene, wo nach Willen der Regierung die chinesische Währung an Bedeutung gewinnen soll. Am Jahresende soll der IWF darüber entscheiden, ob der Renminbi in den Korb der Sonderziehungsrechte aufgenommen wird.
Als wesentliche Voraussetzung für die Internationalisierung des Renminbi gilt die Liberalisierung des chinesischen Finanzmarktes. Eine internationale Währung ist stabil und mit großen, liquiden Finanzmärkten hinterlegt. Zins- und Kapitalverkehrskontrollen, wie sie bisher in China immer noch bestehen, schrecken Investoren ab. Wer Ersparnisse oder Reserven in internationaler Währung hält, will diese in freien Finanzmärkten mit zahlreichen Diversifizierungsmöglichkeiten investieren. Nur freie Finanzmärkte florieren und sind für internationale Anleger attraktiv. Es ist deshalb konsequent, dass die chinesische Regierung in den letzten Jahren die nationale und internationale Liberalisierung der Finanzmärkte schrittweise vorangetrieben hat.
Die Zinsen wurden teilweise liberalisiert. Die Shanghai Pilot Free Trade Zone erlaubt seit 2013 freien Wertpapierhandel außerhalb der stark regulierten inländischen Finanzmärkte. In ausgewählten internationalen Finanzplätzen wurde der Handel mit Renminbi erlaubt. Seit August 2014 können beispielsweise deutsche Banken und Unternehmen in Frankfurt über die Bank of China als Renminbi Clearing-Bank Geschäfte in Renminbi abwickeln. Im November 2014 hatte China entschieden, die Aktienmärkte von Shanghai und Hong Kong schrittweise zu verbinden. Ausländische Investoren konnten seitdem über Hong Kong mit Beschränkungen im Shanghaier Aktienmarkt investieren. (Was den jüngsten Boom begünstigt hat.)
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Und nun die Kehrtwende: Der Appetit nach chinesischen Finanzprodukten und Renminbi dürfte den internationalen Anlegern nicht nur aufgrund der Krise nun erst einmal kräftig vergangen sein. Denn die Reaktion der chinesischen Behörden auf die Kurskorrektur auf dem Shanghaier Aktienmarkt zeigt vor allem eines: Der chinesische Finanzmarkt bleibt trotz euphorisch verkündeter Liberalisierungsschritte eine geplante öffentliche Veranstaltung. Die kommunistische Partei hat bisher so weit private Aktivität zugelassen, so weit dies mit ihren politischen Zielen konform gegangen ist. Steigende Aktienpreise gaben positive Wachstumsimpulse und trugen bei Reich und Arm maßgeblich zur politischen Zufriedenheit bei. Zudem wurde die Liberalisierung des chinesischen Finanzmarktes als wichtiges Instrument gesehen, um den Renminbi als Konkurrenten des verhassten Dollar als internationale Leitwährung aufzubauen.
Die jüngsten Interventionen signalisieren hingegen Planwirtschaft durch die finanzielle Hintertür. Die Kurse dürfen nicht fallen, weil der Staat das nicht will. Dies haben die jüngsten Ereignisse auf den chinesischen Aktienmärkten plastisch in Erinnerung gerufen. Damit dürfte Chinas Traum, dass der Renminbi in Ostasien und global zu einer wichtigen internationalen Währung aufsteigen wird, noch weiter in die Ferne gerückt sein. Florierende Finanzmärkte basieren auf dem freien Spiel der Marktkräfte. Und die sind mehr denn je außer Kraft gesetzt. Da den Finanzmärkten eine zentrale Rolle für die Allokation von Gütern und Ressourcen – und damit für das Wachstum – zukommt, dürften sich auch die Wachstumsaussichten des Reichs der Mitte weiter eintrüben. Das dürfte die internationale Bedeutung der chinesischen Währung weiter unterminieren.
Literatur:
McKinnon, Ronald / Schnabl, Gunther 2014: China’s Exchange Rate and Financial Repression: The Conflicted Emergence of the Renminbi as an International Currency. China & World Economy 22, 3, 1-34.
Eine Antwort auf „Planwirtschaft durch die finanzielle Hintertür!
Trübe Aussichten für die Internationalisierung des Renminbi“