Finger weg vom Ticket-Schwarzmarkt

Die Fußball Bundesliga erreichte in der vergangenen Saison 2014/2015 den zweithöchsten Zuschauerschnitt in Ihrer Geschichte. Insgesamt macht der Ticketverkauf ca. 20% der Gesamteinnahmen aus. Seit Jahren ist eine steigende Tendenz der Zahl der Stadionbesucher zu erkennen. Im internationalen Vergleich liegt die Fußball Bundesliga damit auf Platz eins. Da sich die professionellen Fußballvereine in Deutschland zum Ziel gesetzt haben, ihre Tickets zu sozialverträglichen Preisen anzubieten, liegen allerdings auch die Ticketpreise in Deutschland deutlich unter denen in England oder in Spanien. Aufgrund der günstigen Ticketpreise und der Kapazitätsbeschränkungen der Stadien übersteigt daher die Nachfrage sehr oft das Angebot. So liegen die offiziellen Verkaufspreise auf dem Erstmarkt häufig unter den auf dem freien Markt erzielbaren Preisen. Die hohen Gewinnmargen durch Weiterverkäufe führen dazu, dass der nicht autorisierte Zweitmarkt mit Fußballtickets eine Hochkonjunktur erlebt. Nicht selten werden dazu auch vor dem Stadion, beispielsweise vor Fan-Bussen oder von Fanclubs, kurzfristig noch übriggebliebene Tickets aufgekauft. Der Großteil des Ticket-Schwarzmarkts erfolgt inzwischen aber nicht mehr vor dem Stadion, sondern über verschiedene Online-Plattformen wie Viagogo, Seatwave oder ebay. Diese Plattformen dienen als Vermittler und ermöglichen so dem Ticketverkäufer einen hohen Grad an Anonymität.

Seit Jahren ist dieser Ticket-Schwarzmarkt vielen Veranstaltern ein Dorn im Auge. Zum einen kritisieren sie, dass das beabsichtigt sozialverträglich günstige Preisniveau zur individuellen Bereicherung ausgenutzt wird und dadurch auch der effektive Durchschnittspreis für ein Ticket steigt. Zum anderen äußern sie Sicherheitsbedenken, da Personen mit einem Stadionverbot auf diesem Weg Tür und Tor geöffnet werden, ein Ticket ohne Personenkontrolle zu erwerben. Ebenso könne nicht mehr für eine Trennung der unterschiedlichen Fangemeinden in den Blöcken im Stadion gesorgt werden. Der Schwarzmarkt birgt zudem das Risiko, dass möglicherweise keine Originaltickets zum Kauf angeboten werden und daher Bezieher von Schwarzmarkttickets anschließend keinen Zugang zum Stadion erhalten.

Mit Hilfe von unterschiedlichen Vertragsbestandteilen versuchen die Veranstalter, den nicht autorisierten Handel von Tickets zu unterbinden. In den meisten Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (ATGB) sind Regelungen bzgl. des Weiterverkaufs enthalten. So sei nur bei persönlicher Verhinderung ein privater Verkauf zulässig, sofern die Preisobergrenze von 15% über dem Nennpreis des Tickets nicht überschritten wird. Bei Verstoß gegen die ATGB drohen Vertragsstrafen sowie Entschädigungszahlungen. Rechtlich sind die ATGB jedoch nur für die direkt vertragsschließenden Parteien bindend. Gibt nun der Ticketkäufer sein Ticket privat an eine dritte Partei weiter, ist diese wiederum nicht an die ATGB gebunden (BGH, Urteil v. 11.09.2008, Az. I ZR 74/06). Daher kann auch ein gewerblicher Weiterverkauf von Tickets durch Dritte aufgrund der ATGB nicht vollständig unterbunden werden. Zudem handelt es sich bei Fußballtickets grundsätzlich erstmal um ein freies Wirtschaftsgut, so dass ein generelles Verbot des Weiterverkaufs durch Privatpersonen i.S.d. § 307 BGB als unzulässig erscheint.

Letztlich würde ein Verbot des Ticketweiterverkaufs auch gegen die Grundsätze der freien Marktwirtschaft verstoßen. Im Prinzip agieren die Schwarzmarkthändler als Arbitrageure und bieten eine Dienstleistung als Beschaffer von Eintrittskarten für Veranstaltungen an, die längst ausgebucht sind. Gleichzeitig müssen sie das Risiko einkalkulieren, dass sie ihre Tickets nicht rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn veräußern können und damit die Tickets schlagartig an Wert verlieren. Diese beiden Komponenten lassen sie sich recht großzügig bezahlen. Somit haben Schwarzmarkthändler eine kleine, aber lukrative Nische für sich gefunden.

Aufgrund der beschriebenen komplizierten Rechtslage sowie der Anonymität der Tickethändler auf den Online-Plattformen ist es für Veranstalter äußerst schwierig, tatsächliche Erfolge im Kampf gegen den Schwarzmarkt zu erzielen.

Der Ticketschwarzmarkt bringt aber auch positive Seiten für die Vereine oder Organisatoren von Veranstaltungen mit sich. Über die zusätzlichen „Vertriebswege“ des Schwarzmarktes kann für den Veranstalter tendenziell von einer erhöhten Ticketabsatzmenge ausgegangen werden, da eine vermehrte Ansprache von potentiellen Ticketkäufern stattfindet. Auf diese Weise können Veranstalter Ihre Leerkosten reduzieren. Ebenso ermöglicht der nicht autorisierte Zweitmarkt Ticketinhabern, die aus bestimmten Gründen auf den Stadionbesuch verzichten müssen, ihr Ticket ohne großen Verlust, loszuwerden. So findet eine Risikoverschiebung zwischen den einzelnen Parteien statt. Die Schwarzmarkt-Händler übernehmen letztlich das Risiko, Käufer finden zu müssen, um die Tickets abzusetzen. Beispielhaft können hier die letzten beiden Fußball Europameisterschaften genannt werden. Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz, sowie bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine sind zahlreiche Schwarzmarkthändler Ihre Tickets nicht losgeworden, da der Besucheransturm aufgrund verschiedener Umwelteinflüsse entgegen den Erwartungen gering war. Speziell bei der EM in Polen und der Ukraine waren die Veranstalter froh über die Schwarzmarkthändler, da diese durch ihren Handel noch dafür sorgten, dass mehr Besucher in die Stadien kamen. Eine schlecht besuchte Veranstaltung mit TV-Übertragung sorgt einerseits für eine schlechte Atmosphäre im Stadion und andererseits wirft es ein schlechtes Licht auf die Veranstaltung und die Veranstalter. Letztlich hat der Schwarzmarkt dafür gesorgt, dass kaum Sitzplätze frei blieben und dadurch die Leerkosten für die Veranstalter verringert werden konnten. Diese positiven Effekte mögen u.a. auch der Grund für einige Vereine gewesen sein, mit der Onlineplattform viagogo eine Kooperation eingegangen zu sein.

Außerdem kann der Schwarzmarkt auch als Lerninstrument wirken. Anhand von Ticketpreisen beim Auktionshaus ebay.de wird deutlich, um welch ein Vielfaches die Marktpreise über dem Nennpreises des Tickets liegen. Damit zeigt der Schwarzmarkt auf, welches Erlöspotenzial noch im Zuschauermarkt liegt. Dabei kann der Zuschauermarkt insbesondere in preissensible und preisunsensible Kunden unterteilt werden. Auf dem Schwarzmarkt beziehen fast ausschließlich preisunsensible Kunden ihre Tickets. Veranstalter könnten sich geeignete Strategien überlegen, um dieses Erlöspotenzial zu nutzen. Eine Möglichkeit wäre, das generelle Preisniveau anzuheben und gleichzeitig bestimmte Ticketkontingente mit Rabatten für Studenten, Schüler, Rentner etc. anzubieten, um die soziale Preisstruktur zu gewährleisten. Weiter könnte bei der Ticketing Strategie, ähnlich wie im Schwarzmarkt, eine stärkere Fokussierung auf die Klassifizierung anhand von Gegner, Zeitpunkt des Spiels und Zeitpunkt des Ticketkaufs erfolgen. Durch die Preiserhöhungen könnten die Veranstalter Ihre eigenen Erlöse steigern und gleichzeitig einen größeren Anteil der preisunsensiblen Ticketkäufer erreichen, sodass für die Schwarzmarkthändler weniger potenzielle Kunden verbleiben. Ebenso würde sich aufgrund der Preiserhöhungen deren Gewinnmarge reduzieren, sodass sich die Attraktivität des Schwarzmarktes verringert.

Allerdings zeigen die Erfahrungen aus den anderen europäischen Ligen, dass solche Preiserhöhungen zu großen Unmutsbekundungen bei den Fans sorgen, wodurch die Sympathiewerte und die Identifikation mit dem Verein sinken können. Ebenso könnte es dazu kommen, dass in Zukunft vermehrt Spiele nicht mehr ausverkauft sind, wodurch unerwünschte Leerkosten für die Veranstalter entstehen würden. Mit jedem freien Platz entgehen dem Veranstalter auch Erlöse aus dem Verkauf von Speisen und Getränken sowie von Merchandising Artikeln im Rahmen des Stadionbesuchs.

Um dem Schwarzmarkt ohne Regulierungen entgegenzuwirken stellen einige Vereine inzwischen eigene Ticketplattformen als Zweitmarkt zur Verfügung. Aktuell ist in der Überlegung, dass die DFL in Zukunft eine zentrale Ticketplattform für alle Begegnungen anbietet und betreibt. Auf diesem Zweitmarkt können Ticketbesitzer ihre erstandenen Tickets zum Nennpreis wieder abgeben. Dieses Angebot gilt im Übrigen auch für Dauerkartenbesitzer, die das Recht des Stadionbesuchs für einen Spieltag abtreten möchten. Anschließend können Ticketkäufer sie zum Tageskartenpreis inklusiver einer Bearbeitungsgebühr erwerben. Auf diese Weise wird auf dem Zweitmarkt das Prinzip der sozialverträglichen Preise weiterverfolgt. Ebenso erfolgt durch den plattformbetreibenden Veranstalter die Personenprüfung zur Einhaltung von Stadionverboten. Allerdings kann auch der Verkauf durch autorisierte Ticketverkaufsstellen nicht verhindern, dass Personen mit einem Stadionverbot an Tickets gelangen, da bei einer Tickettransaktion bis zur vier Tickets erworben werden können, jedoch nur eine Person kontrolliert wird.

Eine andere Möglichkeit sind Optionstickets. Diese wurden erstmals bei der WM 2006 in Deutschland erfolgreich eingesetzt. Hier können sich Ticketinteressierte nach dem Ausverkauf eines Spiels auf eine Art Warteliste setzen lassen. Werden Tickets zurückgegeben, greift die Option für die Optionsticketinhaber.

Es kann festgehalten werden, dass sich der Ticketschwarzmarkt alleine durch die Interventionen der Veranstalter wohl kaum unterbinden lässt. Zudem entstehen aufgrund der beschriebenen Rechtslage sowie der Anonymität der Tickethändler auf den Online-Plattformen hohe monetäre und zeitliche Aufwendungen, um Schwarzmarkt-Händler zu identifizieren. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Ausgaben rechtfertigen lassen. Außerdem hat der nicht autorisierte Zweitmarkt auch positive Effekte. Und solange sich zahlungskräftige Abnehmer für Schwarzmarktkarten finden lassen, wird dieses Geschäftsmodell nicht aussterben. Schlussendlich muss sich ein Markt selbst regulieren; eine staatliche Intervention, um einen Schwarzmarkt für Tickets zu verhindern, lässt sich in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht begründen. Wenn Stadionbesucher Solidarität und Zusammenhalt für faire Preise zeigen und den Schwarzmarkt boykottieren, geben sie damit auch ein klares Signal an die Vereine, dass sie höhere Preise nicht akzeptieren.

Quellen:

BGH, Urteil v. 11.09.2008, Az. I ZR 74/06, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2008&Sort=3&nr=45177&linked=pm&Blank=1. Abgerufen am 21.07.2015.

Chatrath, S. & Voerste, K. (2014). Yield Management im Profifußball-Ticketing. In: S. Chatrath (Hrsg.), Ticketing: Themenheft der Sciamus – Sport und Management, 3/2014, S. 7-24.

DFL (2015). Bundesliga Report 2015. http://s.bundesliga.de/assets/doc/501988_original.pdf.

Hellmann, F. (2012). Ausverkauf der Leerstellen. Beitrag auf taz.de. http://www.taz.de/Tickets-fuer-die-EM/!5091566/. Abgerufen am 21.07.2015.

Hellmann, F. (2008). Schwarzhändler in Not. Beitrag auf taz.de. http://www.taz.de/Ueberangebot-an-EM-Tickets/!5179952/. Abgerufen am 21.07.2015.

Holzhäuser, F. & Bagger, T. (2014). Der Weiterverkauf von Bundesliga-Tickets – eine Analyse aus rechtlicher Sicht. In S. Chatrath (Hrsg.), Ticketing: Themenheft der Sciamus – Sport und Management, 3/2014, S. 41-55.

Frank Daumann

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