Nun wird wieder heftig über die Rente diskutiert. Die Lebensleistungsrente ist in aller Munde, flankiert von allerlei Prognosen und solchen, die dafür ausgegeben werden – und vor allem flankiert von der allfälligen Diagnose skandalöser Zustände. Kein Wunder, dass sogleich die einschlägigen Talkshowmoderatoren Gewehr bei Fuß stehen, denn mit diesem Thema winken Einschaltquoten und Aufmerksamkeit. Neben den üblichen Verdächtigen aus der Polit-Prominenz darf inzwischen kaum mehr die obligatorische Opferperson fehlen, deren wirtschaftliche Lage unhinterfragt ins Repräsentative erhoben und sodann nach Kräften skandalisiert werden darf. Die Botschaft ist klar: Auf Kosten der Schwächsten im Lande hält die Politik den Geldhahn geschlossen, statt die Wohlhabenden, die Selbstständigen, die Beamten und überhaupt die Banken, die Konzerne und alle sonstigen Reichen mitsamt ihren Briefkastenfirmen in Panama und anderswo in die Pflicht zu nehmen. Selbst anwesende Abgeordnete wurden angesichts ihrer Pensionsansprüche jüngst schon als repräsentative Beispiele raffgieriger Missetäter vorgeführt; offenbar, damit der Zuschauer sich im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags ein BILD von den skandalösen Zuständen machen kann. Da spielt es keine Rolle, dass die meisten empörungsgeübten Talkshow-Gastgeber den Barwert der in acht Jahren verdienten Pensionsansprüche eines Abgeordneten nach wenigen Talkshowabenden schon in der Tasche haben – innerhalb von maximal drei Monaten also und gezahlt mit Hilfe der Rundfunkbeiträge nicht zuletzt jener, denen die Opferrolle in dem unwürdigen Spektakel zugedacht ist. Aber das nur am Rande.
Nun möchte in der Tat niemand Armut in unserem Land, das steht doch wenigstens zu hoffen. Und sich über die Situation der finanziell und wirtschaftlich Schwachen zu sorgen und nach Wegen zur Verbesserung ihrer Lage zu suchen, ist allemal eine ehrenwerte Angelegenheit – sofern es denn auch wirklich darum geht. Aber wenn es wirklich darum geht und nicht einfach nur um quotentreibende Effekthascherei, dann wird man nicht umhin kommen, die Finanzierungsseite mit zu denken. Und dazu reicht es nicht hin, Schuldige zu suchen oder solche, die man dafür hält – sich selbst also stets ausgenommen. Das bedeutet zwar nicht, dass man sich um Steuerparadiese und internationale Amtshilfe zwecks Kontrolle krimineller Steuervermeidung nicht kümmern sollte. Und es bedeutet auch nicht, dass wir uns um Missstände innerhalb der gesetzlichen Sozialversicherungen keine Gedanken machen sollten. Aber Konzepte müssen schon erst einmal her, bevor man Geld ausgibt, das noch nicht da ist. Nur ist das mit den Konzepten gar nicht mal so einfach und will jenseits der Empörungsrituale gut durchdacht sein.
Nehmen wir zum Beispiel alle Freiberufler mit in die Rentenversicherung auf, wie es immer so gern gefordert wird, so generiert das heute gewiss unmittelbar zusätzliche Einnahmen. Aber wenn diese Personen selbst einmal ins Rentenalter kommen, dann werden sie zusätzliche Rentenansprüche geltend machen, und das in einer Zeit, in der es demographisch bedingt erst richtig eng aussehen wird mit der Finanzierung der Renten. Dann aber wird das Geschrei erneut groß sein, denn die meisten von ihnen gehören zu den Besserverdienenden, und so werden sie zwar heute auch relativ hohe Beitrage zahlen, aber ausgerechnet in der demographisch schwierigen Zeit werden sie dann auch relativ hohe Rentenansprüche geltend machen. Bei den Beamten wäre theoretisch was zu holen, wenn man denn die jeweiligen Vergleichsbesoldungsstufen der staatlichen Angestellten als Maßstab nimmt. Würde man die Beamten aber in die Rentenversicherung integrieren, so hätten die Rentenkassen denselben zweifelhaften Effekt wie bei den Freiberuflern. Immerhin aber würden im Gegenzug die künftigen Staatshaushalte entlastet, und da die Beamtenpensionen großzügiger sind als die Gesetzliche Rentenversicherung, wäre der Nettoeffekt für die Rentenkassen und die Staatshaushalte zusammengenommen positiv. Hinzu käme, dass die Beamten heute schon Beiträge zahlen müssten, die sofort zur Verteilung bereitstünden.
Allerdings müsste man den damit verbundenen erheblichen Realeinkommensverlust gegenüber den Beamten erst einmal durchsetzen und wohl auch gegen diverse Gerichte, die sich dann gewiss damit zu beschäftigen hätten. Wenn überhaupt, so wäre das allenfalls über einen sehr langen Übergangszeitraum schrittweise umzusetzen, womit auch von hier der große Befreiungsschlag für die Sozialkassen nicht zu führen ist. Hinzu kommt, dass selbst bei einer sehr erfolgreichen internationalen Steuerpolitik und einer umfassenden Reform des Beamtenrechts lediglich ein gewisser Niveaueffekt für den Staatshaushalt und für die Rentenkassen erzielt werden kann. Dann wäre indes aber immer noch zu bedenken, dass es noch andere soziale Haushalte gibt, wie jenen der Gesetzlichen Krankenversicherung oder der Gesetzlichen Pflegeversicherung, und dass diese Haushalte mit einer strukturell ähnlichen, vom Umfang her teilweise aber wesentlich gravierenderen Problematik behaftet sind und daher nicht einzusehen ist, warum Mehreinnahmen des Staates nicht mindestens zum Teil auch dafür verwendet werden sollten. Und damit sind wir noch immer nicht bei der Bildung, der Infrastruktur, den Flüchtlingen und was es sonst noch alles für konkurrierende Verwendungen gibt – für Geld, von dem wir im Augenblick noch gar nichts sehen. Über alle diese Dinge muss man also mindestens zweimal nachdenken, wenn man wirklich an Lösungen interessiert ist und darüber einen öffentlichen Diskurs führen will. Wie gesagt: Wenn man das will.
Leider sieht es danach aber kaum aus. Das ist umso bedauerlicher, als es eines akademischen Oberseminars zur Einsicht in die grundlegenden Probleme der Rentenversicherung dann auch nicht gleich bedürfte. Damit verliert auch jede Ausrede ihre Gültigkeit, wonach eine differenziertere Analyse den durchschnittlichen Konsumenten von Informationen zum Thema Rente überfordern würde und man dem Bildungsauftrag daher etwas plakativer nachkommen müsse. Denn der Kern dieser grundlegenden Probleme ist durchaus nachvollziehbar und auch für Nicht-Experten zugänglich. Dreh- und Angelpunkt ist, dass eine (umlagefinanzierte) Altersrente nur unter zwei Bedingungen in der Lage ist, ein stabiles Alterseinkommen zu sichern:
- dass künftige Rentner über einen hinreichend langen Zeitraum einigermaßen regelmäßig berufstätig sind und Beiträge zahlen, um das Alterseinkommen der jeweiligen Rentnergeneration zu finanzieren;
- dass die demographische Struktur der Bevölkerung sich nicht allzu sehr verschiebt und damit hinter jeder Rentnergeneration stets hinreichend viele Beitragszahler stehen,
Diese beiden Bedingungen sind heute vor allem durch zwei Phänomene durchlöchert:
- Hinlänglich bekannt, aber doch immer wieder verdrängt oder schöngeredet ist das demographische Problem, obwohl alle Experten sich einig sind, dass das Problem auch mit Zuwanderung allenfalls ein wenig gelindert werden kann – und auch dann erst einmal nur rein rechnerisch. Daher geht kein Weg daran vorbei, dass die Folgen des demographischen Problems nicht abzuwenden sind. Vielmehr gibt es genau drei Stellschrauben, mit denen das Problem zwar nicht gelöst, aber immerhin zwischen den Generationen verteilt werden kann. Diese sind: Anhebungen der Beitrags- oder Steuerlast künftig erwerbstätiger Haushalte, Absenkung des Rentenniveaus künftiger Rentnerhaushalte oder längere Lebensarbeitszeiten. Wer irgendetwas anderes erzählt, lügt sich und anderen etwas in die Tasche. Und ganz wichtig: Auch die Tatsache, dass private Vorsorge durch die extrem niedrigen Zinsen inzwischen sehr viel schwieriger geworden ist, ändert an dem demographischen Problem nichts. Denn es macht zwar die private Altersvorsorge schlechter, aber davon wird die umlagefinanzierte Altersvorsorge ja nicht besser – zumindest absolut gesehen nicht.
- Die Erwerbsbiographien sind durch eine Reihe von Umständen durchlöchert, hinter denen sich allerlei gesellschaftliche Veränderungen verbergen, zu denen man stehen mag, wie man will: So ist die Zahl der Alleinerziehenden und Single-Haushalte drastisch gestiegen, teilweise durch die ebenso drastisch gestiegenen Scheidungszahlen, teilweise aus anderen Gründen; damit ist aber auch die Zahl der Haushalte gestiegen, welche auf Teilzeitarbeit angewiesen sind, was verbunden ist mit niedrigen Rentenbeiträgen und damit auch sinkenden Rentenansprüchen. Anders als immer gern behauptet, kann man das weder über Lohnerhöhungen noch über Erhöhungen der Rentenansprüche bei gegebenem Lohn auffangen, denn die ändern nichts an der Ergiebigkeit der Quellen für künftige Rentenzahlungen. Es liegt hier also ein reales Problem vor, und das kann man nicht einfach per Dekret verschwinden lassen. Es beinhaltet schlicht, dass Teilzeitarbeit aufgrund von Scheidung und Alleinerziehung inzwischen schon klassische Gründe dafür sind, dass zuerst das Einkommen und dann die Rente nicht reichen. Aber mit dieser Geschichte lässt sich keine Quote machen, erst Recht nicht, wenn man die dahinterstehenden gesellschaftlichen Veränderungen selbst als Ursache identifiziert und nicht die vermeintlich skandalöse Ungerechtigkeit gegenüber den Betroffenen. Viel besser verkauft sich ohnehin die Geschichte von den vielen Haushalten, die trotz Vollzeitarbeit nicht einmal ein Hartz-IV-Niveau erreichen und am Ende zu allem Überfluss mit ihren dürftigen Rentenansprüchen wieder unter dem Sozialhilfeniveau liegen, und das ganz unabhängig von ihrer realweltlichen Relevanz. Denn wen interessiert es schon, dass diese Geschichte nicht für Millionen von Menschen, sondern für bundesweit allenfalls rund 80.000 Personen zutrifft, während wir es im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Veränderungen in der Tat mit Millionen Menschen und Haushalten zu tun haben.
Alles das lässt sich so zusammenfassen: Will die Generation der Baby-Boomer ihrer Nachfolge-Generation nicht alle von den Baby-Boomern höchstselbst verursachten demographischen und gesellschaftlichen Probleme aufbrummen, so werden die Baby-Boomer Abstriche machen müssen, und diese gibt es strikt nur in zwei Varianten, die da wären: länger arbeiten oder eine kleinere Rente. Etwas anderes gibt es nicht. Wer das nicht glaubt, folge uns kurz in die Welt der Grundrechenarten: Wenn wir die durchschnittliche Rente pro Kopf (kurz: „Rente“) multiplizieren mit der Zahl der Rentner (kurz: „Rentner“), dann erhalten wir jene Summe, die jedes Jahr aus dem Gesamteinkommenskuchen herausgeschnitten und an die Rentner weitergereicht wird. Nennen wir den Anteil dieser Summe am Gesamteinkommen den „Rentenanteil“. Der Kuchen, aus dem dieser Rentenanteil herausgeschnitten wird, ist schließlich so groß wie das Einkommen pro Kopf der Bevölkerung (kurz: „Einkommen“), multipliziert mit der Gesamtzahl der Einwohner (kurz: „Bevölkerung“). Das sieht dann so aus:
Rente x Rentner = Rentenanteil x Einkommen x Bevölkerung
Auf der rechten Seite der Gleichung sehen wir den gesamten Einkommenskuchen (Einkommen x Bevölkerung), multipliziert mit dem Rentenanteil, und damit insgesamt den Teil des Kuchens, der an die Rentner geht. Auf der linken Seite sehen wir das gleiche aus einer andern Perspektive: Jener Teil des Kuchens, der an die Rentner geht, ist die Rente pro Rentner, multipliziert mit der Zahl der Rentner. Schreiben wir nun den Rentenanteil auf die linke und alles andere auf die rechte Seite der Gleichung, so erhalten wir dies:
Rentenanteil = Rente/Einkommen x Rentner/Bevölkerung
Was sich seit der Baby-Boomer-Generation entwickelt hat und was mit der Verrentung ebendieser Generation finanziell nun so langsam durchschlägt, das sieht man ganz rechts in der Gleichung: Das Verhältnis von Rentnern zur Bevölkerung steigt, weil die Gesamtbevölkerung im Nenner kleiner, die Zahl der Rentner im Zähler dagegen größer wird. Wo immer so etwas geschieht, werden sich zwangsläufig die übrigen Elemente der Gleichung so anpassen, dass das Gleichheitszeichen erhalten bleibt, denn dem Gleichheitszeichen kann man im Rahmen der Grundrechenarten nicht entfliehen: Daher wird entweder die Rente im Verhältnis zum Einkommen sinken, oder es wird der Rentenanteil am Einkommen steigen, also jener Anteil, den alle Einkommensbezieher zusammen vom Einkommenskuchen an die Rentner geben müssen. Allenfalls könnte man das demographisch bedingte Absinken des Quotienten Rentner/Bevölkerung künstlich abbremsen. Hierzu müsste ein Teil der über 65-Jährigen im ganz rechten Quotienten zwar zur Bevölkerung, nicht aber zu den Rentnern gezählt werden. Das aber geht nur auf einem Weg, und der heißt: verlängerte Lebensarbeitszeit.
An dieser Logik geht kein Weg vorbei, und sie ist völlig unabhängig vom Rentensystem und seiner Finanzierung und damit übrigens sogar unabhängig davon, ob das Rentensystem ein Umlagesystem nach dem Generationenvertrag oder ein Kapitaldeckungssystem im Rahmen privater oder öffentlich geförderter Vorsorge oder was auch immer ist. Eine private Altersvorsorge hat nur den Effekt, dass die Rentner „rechts oben“ in der Gleichung Ansprüche in Form von Zinsen sowie dem Weiterverkauf ihres angesparten Kapitals geltend machen können, so dass sie sich auf diesem Weg ein Stück des jeweiligen Einkommenskuchens sichern können. Das ändert also auch nichts Grundlegendes. Allenfalls streiten die Fachleute darüber, ob private Altersvorsorge eine höhere gesamtwirtschaftliche Ersparnis und damit höhere Investitionen und schließlich einen größeren volkswirtschaftlichen Kuchen erzeugen kann. Angenommen, das wäre richtig, dann hätten alle in der Tat mehr, aber es bliebe dabei, dass der Anteil des Kuchens, der an die Rentner geht, größer werden muss, wenn jedem Rentner ein konstantes Rentenniveau in Prozent der durchschnittlichen Einkommen gewährt werden soll, aber die Zahl der nachwachsenden Kinder nicht hinreicht. Denn wenn das Einkommen insgesamt wächst und der Lebensstandard der Rentner in Prozent des Lebensstandards aller anderen konstant bleiben soll, dann muss auch das Renteneinkommen steigen. Will man also bei sinkender Bevölkerung einen gegebenen Prozentsatz des durchschnittlichen Einkommens für einen durchschnittlichen Rentner konstant halten, so wird die nachfolgende Generation einen größeren Teil vom Kuchen abgeben müssen; will man umgekehrt der nachfolgenden Generation genau das ersparen, dann werden die Rentner einen kleineren Prozentsatz des durchschnittlichen Lebensstandards als eigenen Lebensstandard haben.
Das zu akzeptieren heißt nicht mehr und nicht weniger als die Gültigkeit der Grundrechenarten anzuerkennen. Natürlich will auch das wieder niemand hören, und man hat mindestens eine Reaktion darauf auch schon im Ohr: Mit einer solchen Rechnung würde man die Generationen gegeneinander ausspielen. Das mag man so sehen, aber den Grundrechenarten kann man das schlecht vorwerfen. Und daher ändern solche und andere Reaktionen auf die Erinnerung an zwingende Logik nichts daran, dass eine ganze Generation sich und anderen etwas vormacht, wenn sie glaubt, sich mit durchschnittlich kaum mehr als einem Kind pro zwei Erwachsenen bei steigender Rentenlaufzeit und einer Zerlegung der wirtschaftlich vorteilhafteren Mehrpersonen-Haushalte in teure Single-Haushalte einen unverändert hohen Lebensstandard pro Kopf im Alter sichern zu können, ohne dabei die Generation ihrer Nachkommen allein dafür finanziell zu bestrafen, dass sie so wenige sind (wofür sie bekanntlich nichts können).
Weil das alles aber nur wenige einsehen wollen, sind die Bauernfänger so erfolgreich darin, uns von den Unannehmlichkeiten der Grundrechenarten abzulenken, und zwar immer wieder mit den gleichen Ansätzen: Entweder entlarven sie die ganze Logik als kleingeistige Buchhalterlogik oder gar als neoliberale Ideologie (womit dann endgültig auch geklärt wäre, dass selbst die Grundrechenarten neoliberal sind); gern auch ergänzt durch Hinweise auf Lobbyisten aus beispielsweise der Versicherungswirtschaft, die in Wahrheit hinter der Riester-Rente und der ganzen demographischen Bangemacherei stünden. Nur deshalb, so will uns mancher selbsternannte Experte weismachen, erzähle man uns das Märchen von den demographischen Problemen. Oder man zieht erneut die Reichenkarte und behauptet, alles sei nicht so schlimm, wenn wir nur endlich auch einmal jene mit heranziehen würden, die sich um ihren gerechten Beitrag für die Gemeinschaft drücken. Wie gesagt: Wenn das mal so einfach wäre.
Nun kann es aber so viele Lobbyisten und Mitverdiener an der Riester-Reform geben, wie es will. Die gibt es natürlich, aber das ändert doch nichts daran, dass die Baby-Boomer-Generation das demographische Problem verursacht hat und dass dieses Problem nun einmal da ist; und es ändert auch nichts daran, dass es in dieser Baby-Boomer-Generation zu all den gesellschaftlichen Veränderungen gekommen ist, deren Folge die durchlöcherten Erwerbsbiographien, die Single- und Alleinerziehenden-Haushalte und so vieles mehr sind. Natürlich ist das alles nicht per se schlecht, was da geschehen ist. Denn gewiss will kaum jemand zurück zu den gesellschaftlichen Zwängen, den Rollendildern und der damit verbundenen Intoleranz vergangener Zeiten. Aber auch das ändert nichts daran, dass diese Veränderungen ihren Preis haben. Und deshalb kommen wir am Ende ganz ohne Kapitalismus, Globalisierung, Neoliberalismus, Beamte, Abgeordnete und sonstigen Missetätern aus, um zu erklären, was vor uns liegt: dass es nämlich künftig nicht wenige Haushalte geben wird, deren Einkünfte aus der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr reichen werden, um jenes Alterseinkommen zu finanzieren, welches man auch ganz ohne Beiträge in die Rentenkassen in Form von Grundsicherung erhalten würde.
Und damit sind wir beim nächsten Problem, welches im Grunde gar keines ist, aber als ein Problem erscheint und damit wie geschaffen für allerlei Skandalisierungen: Unsere Grundsicherung in Form von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Sozialgeld gehört zu den großzügigsten der Welt, sowohl in absoluten Euro als auch in Prozent der Erwerbseinkommen gerechnet. Das darf man gern als Errungenschaft der Sozialen Marktwirtschaft sehen, und zwar mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft ebenso wie mit Blick auf die Leistungsfähigkeit des Sozialsystems. Es drückt aber auch den in der Bevölkerung breit getragenen Konsens darüber aus, dass selbst die Grundsicherung einen – wenn auch leidlich – auskömmlichen Lebensstandard sichern soll, wozu der Zugang zu allen sonst üblichen Gesundheitsleistungen und zu Bildungsleistungen des Nachwuchses ebenso gehört wie eine gewisse Teilhabe am kulturellen Leben – von der Versorgung mit Lebensmitteln und Unterkunft ganz zu schweigen.
Man kann an unserem Grundleistungssystem allerlei Details bemängeln und man mag es auch immer noch als unzureichend betrachten. Aber wie immer man das sieht: Die Leistungen aus der Grundsicherung sollen das sozio-kulturelle Existenzminimum sichern und damit ein Einkommen, das nicht unter 50 Prozent des mittleren Einkommens (genauer: des Medianeinkommens) liegen soll. Wenn auch die Altersrente einen Ersatz, aber dann doch keinen vollen Ersatz des Erwerbseinkommens bieten soll, dann liegen die unteren Renten bereits zwangsläufig in der Nähe ebendieser Grundsicherung. Daran ist gar nichts Neues, denn da haben sie auch bisher gelegen, und wie sollte es auch anders überhaupt möglich sein? Nur kommt inzwischen etwas dazu: die erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen mit der Zunahme der Single-Haushalte und jener mit nicht-stetiger Erwerbsbiographie im Zusammenspiel mit dem demographischen Wandel. Das wird zwangsläufig eine Zunahme jener Haushalte mit sich bringen, deren Renteneinkommen unter die Grundsicherung fällt. Das werden die Nachfolger der Baby-Bommer-Generation ohnehin schon wieder auffangen müssen, und zwar durch steuerfinanzierte ergänzende Sozialleistungen. Irgendjemand zahlt halt immer. Darüber hinaus allerdings tut sich nunmehr das folgende, wenn auch nur scheinbare Problem auf: Wer mit einem geringen Einkommen sein Leben lang Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hat, erhält später eine Rente, die in der Nähe der Grundsicherung liegt und vielleicht sogar aufgestockt werden muss, um nicht darunter zu fallen. Wer umgekehrt keinen Cent eingezahlt hat, erhält ungefähr das gleiche. Der einzige Unterschied ist, dass der eine das Geld in Form von Rente und der andere das Geld in Form von Grundsicherung bezieht. Dem Geld ist das egal.
Für viele ist das aber nun erneut ein Skandal, obwohl es weder wirklich neu noch wirklich verwunderlich ist. Denn es ist ja nur die Kehrseite der relativ großzügigen Grundsicherung, verbunden mit dem ehrwürdigen Prinzip der Subsidiarität: Wer den Standard des sozio-kulturellen Existenzminimum selbst zu erwirtschaften in der Lage ist, ist aufgefordert, dies zu tun. Wer dies aber nicht vermag, dem soll geholfen werden. Das wird breit akzeptiert, aber wer es akzeptiert, der muss auch die Folgen akzeptieren, und die liegen darin, dass Grundsicherung und die Rente von Geringverdienern auf so ziemlich dasselbe hinauslaufen. Daran ist im Rahmen unseres Rentensystems nichts zu ändern. Immerhin aber sorgt unser Grundsicherungssystem dafür, dass niemand unter das Grundsicherungsniveau fällt – und wenn das zu niedrig erscheint, dann kann man es ja anheben.
Will man das alles dennoch nicht akzeptieren, dann mag man an eine grundlegende Änderung unseres Rentensystems denken. Man könnte sich beispielsweise eine allgemeine steuerfinanzierte Grundrente in Höhe der Grundsicherung vorstellen. Jede darüber hinausgehende eigene Altersvorsorge würde dann tatsächlich mit zusätzlichen Alterseinkünften über die Grundrente hinaus belohnt. Das allerdings würde sehr teuer, und es würde umgekehrt in der Substanz wenig ändern: Denn jene, die Zeit ihres Lebens gearbeitet und damit jene Einkommensteuern gezahlt hätten, aus denen unter anderem die Grundrente finanziert würde, bekämen nun dieselbe Grundrente wie jene, die nicht gearbeitet und keine Einkommensteuern gezahlt hätten. Skandal! Aber auch daran ändern weder die Grundrechenarten noch der Neoliberalismus etwas.
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Das einzige Problem dieses Beitrags besteht darin, dass er sich keines so großen Publikums erfreuen wird wie die zeitgeistkonformen Sprechblasen selbsternannter Experten und Kapitalismuskritiker, welche die Finanzierung heutiger „Standards“ als selbstverständiche creatio ex nihilo oder problemlosen Abgreifmechanismus von „den Reichen“ betrachten.
Aber einmal ganz ehrlich, wie naiv müssen Menschen sein, die der privaten Altersversorgung, gleich in welcher Form, trauen, wenn auf dem Produkt eine Währung steht.
Alle Produkte, die den Aufdruck eine Währung haben, sind in der Geschichte der Menschheit auf ihren inneren Wert zurückgegangen, nämlich auf den Kilopreis des Papiers auf den die Werte aufgedruckt sind/waren; es gibt nicht eine einzige Ausnahme.
Auch der Dollar hat seit 1913 um 98% seines Wertes verloren und alle anderen Währungen mit ihm.
Das Pfund hat nur noch 0,7% seines ursprünglichen Wertes.
Wer schon die Beiträge für die gesetzliche Rente im Lohnbüro abgezogen bekommt, kann natürlich nichts dagegen machen.
Wer dann aber seine private Altersversorgung an Versprechen und an irgendeine Währung bindet, kann den Knall nicht gehört haben.
In 4 europäischen Staaten sind die kapitalgedeckten Renten schon vom Staat beschlagnahmt worden; zuletzt auch in Polen
Jetzt geht es an die Betriebsrenten und an das Ersparte der Menschen, wie in Zypern, Portugal und in Italien.
Ich kann nur jedem raten für seine private Altersversorgung eine Variante zu finden, bei der:
1. Keine Provisionen abgezogen werden, wie bei Allianz,
Riester u. Co.
2. Die Gewinne legal nicht versteuert werden müssen.
3. Der Staat keine Kenntnisse von hat.
4. Nicht besteuert wird, wenn die Vorsorge im Alter
verbraucht wird.
5. Keine Krankenkassenbeiträge von bezahlt werden
müssen; daher auch keine Zuzahlungen für
Medikamente usw. usw.
6. Alles sofort und augenblicklich in einen anderen
Staat gebracht werden kann.
7. Auf der ganzen Welt als Zahlungsmittel anerkannt wird.
8. Seit Jahrtausenden seinen Wert erhalten hat.
9. Nicht durch Inflation oder Währungsreform wertlos werden kann.
10. Beim Ableben des Inhabers der Altersversorgung,
den Hinterbliebenen die Werte bleiben.
Wer kommt da an Gold vorbei?
Kurssteigerung von Gold seit 1970 im Durchschnitt 8,4% jährlich, und das legal steuerfrei.
Und wie war die Kurssteigerung bei Renten?
Jedenfalls haben die Renten seit der Einführung des Euro in Deutschland über 30% an Kaufkraft verloren, und werden weiter verlieren, denn bis 2030 werden die Renten auf 43% vom Netto gesenkt.
Aber auch nur, wenn man 45 Jahre dafür gearbeitet hat.
Gold ist seit dem Jahre 2000 um ca. 360 Prozent gestiegen.
Wer etwa 30 Jahre für die private Rente anspart, damit er dann etwa 15 Jahre davon seine staatliche Rente aufbessern will, muss schon sehr großes Vertrauen in die Währung des Ersparte und den Staat haben, wenn der Staat davon etwas weiß.
Fragt mal z. B. Rentner die ihre Direktversicherung oder Riesterrente ausgezahlt bekommen haben.
Auch wurden rückwirkend Gesetze geändert, damit die Krankenkassen sich etwa 16% abzweigen können.
Viele Grüße
H. J. Weber
Erstaunlich der Leserbrief von Leonhard Knoll, zurecht den Artikel wegen seiner Substanz guttiert um dann der Versuch mit seiner Einlassung alles zu konterkarieren. Es ist doch unerheblich was andere, wie und warum, denken wenn der Artikel gut ist.
Der Vorteil einer Papierwährung gegenüber einem fixen Standard wie Gold, ist doch der, der Liquidität und Feinsteuerung ( jaja, Zentralbankquark … ). Der innere Wert einer Währung, egal ob in Gold oder Papier, besteht doch in der geistigen Fähigkeiten der Bevölkerung gegenüber den Recheneinheiten reale Werte zu erschaffen. Wenn sie das nicht kann, ist es egal ob man Gold oder Papier hat. Da hat das Geldsystem meiner Meinung nach mit gar nichts zu tun. Es ist ja nur Mittel zum Zweck … . Also was machen ? Natürlich sind wir alle am Popo, aber es ist doch ein Unterschied ob man direkt untergeht oder mit Zeitverzögerung … .
Zum Thema Rente bleibt an sich nur eines zu sagen: es ist eine Lüge nicht nur gegenüber den Rentnern selbst sondern auch gegenüber nachfolgenden Generationen. Es ist Sklaverei, weil es unter dem Deckmantel der sogenannten Generationengerechtigkeit Forderungen gegenüber anderen aufstellt, welche nicht frei ausgehandelt wurden. Eine richtige Rente wäre wirklich Erspartes was man sich monatlich auszahlen lässt bzw. dieses ersparte in Form von einer „Anlage“ zur Annuität werden lässt – natürlich mit dem Risiko alles zu verlieren. Aber so ist das im Leben, wenn der Staat das Risiko rausnimmt und etwas garantiert, haben wir eben genau das oben dargelegte Problem: dass die Währung wertlos wird.
Nur höchst vorsorglich zur Klarstellung: Ich wollte nichts „konterkarieren“, sondern nur mein Bedauern zum Ausdruck bringen! Man glaubt es kaum, aber nicht jeder Kommentar enthält Ironie.