Zusammenfassung. Der internationale Kontext ist das vielleicht wichtigste Problem der Klimapolitik. Es gibt ein grundsätzlich lösbares Grenzausgleichsproblem, aber ein kaum befriedigend lösbares polit-ökonomisches Problem. Denn Staaten, die Klimaneutralität anstreben, werden zumindest über einen langen Zeitraum Realeinkommensverluste im Vergleich zu solchen Staaten hinnehmen müssen, die sich an der Lösung des Klimaproblems nicht beteiligen. Viele Politiker haben sich bisher gescheut, das Problem offen anzusprechen. Stattdessen wurde es entweder moralisiert oder beschönigt. Beides mag verständlich sein, hilft aber nicht weiter.
1 Zwei Problemkreise
Ein Land, das eine klimaneutrale Produktion anstrebt, muss sich fragen, wie es eine solche im internationalen Kontext erreichen will. Das beginnt schon mit dem Import von Produkten, die nicht klimaneutral produziert sind, und dem Export von Produkten, welche mit ausländischen Produkten konkurrieren, die ihrerseits nicht klimaneutral produziert wurden. Wer sich ein wenig mit internationaler Besteuerung und Steuerwettbewerb auskennt, dem kommen die damit verbundenen Probleme bekannt vor, denn sie sind im Prinzip baugleich. Es geht dann aber gleich weiter mit dem Realeinkommensverlust, den ein klimafreundliches Land zumindest über eine gewisse Zeit im Vergleich zu nicht-klimafreundlichen Ländern hinnehmen und politisch überstehen muss. Nennen wir das erste Problem das Grenzausgleichsproblem und das zweite Problem das polit-ökonomische Problem.
Um die beiden Probleme zu erkennen, nehmen wir einmal eine sehr einfache Welt von zwei Ländern an, das Inland und das Ausland. Jedes Land kann maximal 100 Einheiten eines Konsumgutes pro Einwohner produzieren, wobei es dann aber nicht klimaneutral ist. Daher kann es alternativ 90 Gütereinheiten plus 90 Einheiten eines „Klimaschutzgutes“ pro Kopf produzieren. Wir nehmen an, dass dadurch die Produktion des inländischen Konsumguts klimaneutral gemacht werden kann, wie immer das in der Praxis aussehen würde. Jede Einheit des Konsumgutes kostet in der Produktion im In- und Ausland gleichermaßen 10 €. Eine Einheit des Klimaschutzgutes koste 1,11 €.
Die im Inland für den Konsum produzierten Güter sind ein kleines bisschen anders als jene, die im Ausland produziert werden. Konsumenten im In- und Ausland mögen einen Mix aus den beiden Gütern. Bei gleichen Preisen würden inländische wie ausländische Einwohner ihren Konsum daher gerade so zusammenstellen, dass sie je zur Hälfte inländische und ausländische Güter konsumieren. Und von diesen Gütern allein würden sie ihren Lebensunterhalt bestreiten, mit allem, was dazu gehört. Das ist alles sehr vereinfacht, fängt aber alle Aspekte ein, um die es hier geht. In diesem Sinne nehmen wir weiter an, dass Wettbewerb herrscht und dass in allen Produktionskosten pro Stück die Kapitalkosten und Unternehmerlöhne bereits enthalten sind. Das führt dazu, dass die Verkaufspreise den Produktionskosten pro Stück für alle Güter entsprechen.
2 Das Grenzausgleichsproblem
Das Inland erhebt eine Klimaabgabe von 1,11 € pro Einheit des Konsumgutes und kauft von dem Erlös eine Einheit des Klimaschutzgutes. Das Ausland verzichtet auf eine solche Maßnahme. Dies wirft für die inländische Politik zunächst einmal die Frage auf, welche Einheiten genau das Inland mit der Abgabe belasten will. Dazu gibt es folgende Fälle von Güterkategorien:
- Fall A: Im Inland verwendet, im Inland produziert.
- Fall B: Im Inland verwendet, im Ausland produziert.
- Fall C: Im Inland produziert, im Ausland verwendet.
- Fall D: Im Ausland produziert, im Ausland verwendet.
Fall D scheint dabei für das Inland irrelevant zu sein. Wir werden aber noch sehen, dass er in einer etwas weiteren Perspektive sogar sehr relevant ist. Für die übrigen Fälle kennt die internationale Steuerlehre zwei grundsätzliche Lösungen: das Ursprungslandprinzip und das Bestimmungslandprinzip.
Nach dem Ursprungslandprinzip würde man jene und nur jene Konsumgüter mit der Klimaabgabe belasten, welche im Inland produziert werden, egal, wo sie am Ende verwendet werden. Das hat den Vorteil, dass es sehr einfach zu handhaben ist. Es hat aber einen Nachteil. Denn inländische Unternehmen produzieren nun zu Kosten von 10 € netto plus 1,11 € Abgabe, so dass der kostendeckende Preis inländisch produzierter Güter 11,11 € betrüge, während er bei ausländischen nur 10 € wäre. Inländische wie ausländische Verbraucher könnten also wählen, ob sie das Produkt relativ teuer im Inland oder relativ billig im Ausland kaufen wollen. Der Effekt liegt auf der Hand: Es würden die Exporte sinken und die Importe steigen. Die inländische Klimaabgabe in Kombination mit dem Ursprungslandprinzip wirkt also handelsverzerrend. Hinzu kommt, dass die Wirkung der Klimaabgabe zumindest zum Teil untergraben würde, weil klimaschädliche Produktion weniger im Inland und umso mehr im Ausland stattfände.
Anders ist das beim Bestimmungslandprinzip, und das funktioniert so: Alle inländischen Unternehmen haben für jede produzierte Einheit zunächst die Klimaabgabe zu entrichten. Sofern ein Unternehmen seine Produkte dann aber exportiert, erhält es die auf die Exportmengen bezogenen Klimaabgaben per Grenzübertritt zurückerstattet. Umgekehrt werden alle Import-Produkte, also solche, die von ausländischen Herstellern an Inländer verkauft werden, bei Grenzübertritt mit der Klimaabgabe belastet. Das hat zur Folge, dass inländische Konsumenten ihre Konsumprodukte immer für 11,11 € kaufen müssen, egal, ob sie sie aus dem Inland oder aus dem Ausland beziehen. Ausländer würden dieselben Produkte dagegen – wiederum unabhängig von deren Herkunft – immer zu 10 € kaufen können.
Das Ursprungslandprinzip sorgt für Klimaneutralität der inländischen Produktion, während das Bestimmungslandprinzip Klimaneutralität des inländischen Konsums herstellt. Das Bestimmungslandprinzip hat den Vorteil, dass es die Wirkungen der Klimaabgabe wirksam gegenüber internationalen Handelsströmen abschottet, ohne dass es hierzu irgendwelcher Harmonisierungen oder Absprachen bedürfte. Es ist insoweit eine sehr elegante Lösung. Klimaneutralität schafft es allerdings nur für die Fälle A und B, nicht hingegen für den Fall C und schon gar nicht für den Fall D.
Daran mag man sich stören, aber das Prinzip vermeidet Doppelbelastungen, welche sich ansonsten daraus ergäben, dass eine Abgabe zunächst im Ursprungsland aufgrund der Produktion und dann noch einmal im Bestimmungsland aufgrund des Konsums anfiele. Hinzu kommt: Würde sich jedes Land glaubhaft auf Klimaneutralität seiner inländischen Konsums verpflichten, dann würde jedes Gut genau einmal mit der Klimaabgabe belastet. Im Ergebnis wäre weltweite Klimaneutralität garantiert, weil alle wie immer produzierten Güter immer irgendwo verwendet und daher auch immer abgabenpflichtig wären. Aus diesem Grunde kann jedes Land, das seinen Konsum klimaneutral gestaltet hat, mit Recht darauf verweisen, seinen Dienst an der Sache geleistet zu haben und mehr nicht tun zu können.
3 Das polit-ökonomische Problem
So könnte man das machen, aber damit es auch eine effektive Klimawirkung hat, muss es eine internationale Vereinbarung geben, innerhalb derer sich jedes Land auf die Klimaneutralität seines Konsums verpflichtet. Und damit sind wir beim zweiten, beim polit-ökonomischen Problemkreis. Man kann sogar sagen: Hier fangen die wirklichen Probleme überhaupt erst an. Um das zu sehen, stellen wir uns vor, dass jeder Inländer ebenso wie jeder Ausländer über ein Geldeinkommen von 1000 € verfügt und dass alle Menschen im In- und Ausland nur dieses eine Konsumgut kaufen, das in inländischer wie in ausländischer Produktion nahezu identisch ist und von dem man – so war ja unsere Annahme – seinen gesamten Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Vor Einführung der Klimaabgabe kostete eine Einheit des Konsumgutes immer 10 €, egal, wo es produziert und wo es konsumiert wurde, und jeder Inländer ebenso wie jeder Ausländer konnte sich davon 100 Stück kaufen. Diese 100 Stück repräsentieren das, was Ökonomen als Realeinkommen bezeichnen. Es könnte unter den gegebenen Umständen nicht größer sein und wäre zudem für Einwohner im Inland und im Ausland identisch.
Nun aber führe das Inland die Klimaabgabe in Verbindung mit dem Bestimmungslandprinzip ein. Im Ergebnis wäre der inländische Verbrauch von da an klimaneutral, es gäbe keine Handelsverzerrungen, und das Inland hätte seine Pflicht erfüllt. So weit, so gut. Aber für alle Inländer bedeutet es zugleich, dass die inländisch verbrauchten Konsumgüter pro Stück von nun an netto 10 € plus 1,11 € Klimaabgabe und damit brutto 11,11 € kosten; und zwar unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland produziert wurden. Bei einem Geldeinkommen von immer noch 1000 € führt dies dazu, dass das Realeinkommen, gemessen an der Zahl der Konsumgüter, die man dafür kaufen kann, um zehn Prozent sinkt, nämlich von 100 auf 90. Solange sich nun aber das Ausland nicht zugleich auf Klimaneutralität seines Konsums verpflichtet, bleibt das Realeinkommen dort bei 100, so dass jeder Inländer die Klimaneutralität des Inlandes mit einem um zehn Prozent kleineren Realeinkommen im Vergleich zum Ausland bezahlen muss und dies auch leicht erkennen kann.
Dieser Befund steht im Widerspruch zu dem Versprechen vieler Politiker, eine intelligent gestalteter Klimaschutz sei eine Art Konjunkturprogramm, womit sie zumindest implizit behaupten, Klimaschutz führe zu wirtschaftlichem Zuwachs. Bereits die Ampel-Koalition hatte zu Beginn ihrer Arbeit ein solches Versprechen abgegeben, und nach deren Zusammenbruch hören wir es von Robert Habeck erneut.
Lässt sich der Widerspruch zwischen solchen Versprechen und unserem Befund auflösen? Die Antwort lautet ja und nein. Um dies zu sehen, müssen wir zunächst klären, von welchem wirtschaftlichen Zuwachs dabei gesprochen wird: vom Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts oder vom Zuwachs des Konsums und damit des Realeinkommens der Bürger? Dieser Unterschied findet sich in den öffentlichen Debatten praktisch nicht wieder, aber er ist entscheidend.
Sehen wir uns den Unterschied anhand unseres Beispiels an. Eine unserer Annahmen war: Klimaneutralität verlangt, dass für jede Konsumeinheit eine Einheit des Klimaschutzgutes produziert werden muss. Hierzu gibt es zwei Aspekte: Einerseits ist die Herstellung des Klimaschutzgutes eine inländische wirtschaftliche Leistung, die zurecht im Bruttoinlandsprodukt gemessen wird. Andererseits reduziert der neue Produktionsmix aus Konsumgütern und Klimaschutzgütern das Konsumniveau, und zwar in unserem Beispiel um genau zehn Prozent – von 100 auf 90 Einheiten des Konsumgutes.
Für die wirtschaftliche Leistung gilt: Sie wird einerseits durch die Herstellung des Klimaschutzgutes erhöht, durch die gleichzeitige Reduktion der Herstellung des Konsumgutes aber in genau gleichem Maße reduziert. Im Ergebnis bleibt die wirtschaftliche Leistung durch die Einführung der Klimaabgaben und die Produktion des Klimaschutzgutes also exakt gleich: Vorher wie nachher beträgt ihr Wert 1000 € pro Kopf. Zugleich geht der Konsum und damit das, was die Inländer von der wirtschaftlichen Leistung haben, aber um 10 Prozent zurück. Demnach hätten die Politiker, die einen Klimaboom versprechen, also mit Blick auf beides Unrecht: mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt und mit Blick auf Konsum und Realeinkommen. Denn die wirtschaftliche Leistung bleibt gleich und der Konsum geht sogar zurück.
Längerfristig könnte das allerdings dann doch anders sein, allerdings nur längerfristig. Und zwar genau dann, wenn die Klimatransformation Innovationen erzeugt, welche die Herstellung des Klimaschutzgutes billiger machen. Wenn beispielsweise das Klimaschutzgut im Zuge von Prozessinnovationen irgendwann nur noch die Hälfte kostet und damit auch die Abgabe halbiert werden kann, dann kann von der anderen Hälfte wieder mehr von dem Konsumgut produziert werden. Der Konsum steigt dann wieder an und nähert sich seinem ursprünglichen Niveau, während das Bruttoinlandsprodukt sogar über sein Ausgangsniveau hinaus ansteigt.
Dann könnten wir bereits von einem Klimaboom sprechen – allerdings vorerst immer noch nur mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt und nicht mit Blick auf Konsum und Realeinkommen. Denn das Konsumniveau und damit das Realeinkommen bleibt vorerst immer noch hinter seinem ursprünglichen Niveau von – in unserem Beispiel – 100 zurück. Konsum und Realeinkommen werden ihr ursprüngliches Niveau erst dann wieder erreichen, wenn die Innovationen den Preis des Klimaschutzgutes auf null gedrückt haben. Von da an können sie ihr Ursprungsniveau grundsätzlich irgendwann sogar überschreiten, aber nur dann, wenn der Preis des Klimaschutzgutes unter null fällt.
Aber ist das überhaupt möglich? Es ist, und zwar genau dann, wenn dereinst einmal die Produktion einer Einheit erneuerbarer Energie unabhängig von Steuern und Abgaben (!) billiger sein wird als der Abbau und die Aufbereitung einer Einheit fossiler Energie. Denn dann würde man draufzahlen, wenn man trotzdem fossile statt der erneuerbaren Energie einsetzte, und genau hierin drückt sich der negative Preis aus. Umgekehrt würde die Nutzung erneuerbarer Energien unter diesen Bedingungen Verkaufspreise von unter 10 € pro Konsumgut ermöglichen. Dann und nur dann wird das Konsumniveau und damit das Realeinkommen gegenüber der Situation vor Einführung der Klimapolitik steigen, und zwar von 1000 € geteilt durch 10 € auf 1000 € geteilt durch einen Preis von irgendetwas unter 10 €.
Der Zusammenhang ist in der nachfolgenden Graphik illustriert. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP) ohne Klimapolitik ist wegen der starken Vereinfachungen in unserem Beispiel identisch mit dem Konsumniveau pro Kopf und wächst auch nicht. Daher werden beide durch die durchgezogene und waagerecht verlaufende Linie repräsentiert.
Wenn die Politik nun eine Umstellung in Richtung auf klimaneutralen Konsum durchsetzt, besteuert sie den Konsum und kauft von den Steuereinnahmen ein Klimaschutzgut, dessen Herstellung zwar Teil des inländischen Bruttoinlandsprodukts, nicht aber Teil des inländischen Konsums ist. Daher bleibt das Bruttoinlandsprodukt (BIPT) zunächst gleich, während der Konsum (KonsumT) – und damit das Realeinkommen – unter das alte Niveau sinkt.
Die Besteuerung und der damit finanzierte Kauf des Klimaschutzgutes lösen nun – wenn alles intelligent geregelt ist – einen Innovationsprozess aus, der die Produktivität in der Produktion des Klimaschutzgutes und damit das BIPT nach einer gewissen Zeit (ab t1 in der Graphik) ansteigen und den Preis einer Einheit des Klimaschutzgutes von ursprünglich 1,11 pro Stück € auf irgendetwas unter 1,11 € sinken lässt. Das BIPT steigt daher vom Zeitpunkt t1 an, und mit ihm steigt auch der KonsumT wieder an, weil der Staat den Bürgern pro Einheit des Konsumgutes weniger wegsteuern muss. Aber erst, wenn der Preis des Klimaschutzgutes auf null gesunken ist, weil niemand mehr fossile Brennstoffe kaufen will, erreicht der KonsumT wieder das ursprüngliche Niveau. Sinkt der Preis des Klimaschutzgutes unter null, so steigt der Konsum (ab t2 in der Graphik) schließlich sogar über das ursprüngliche Niveau – aber erst dann.
Die Zeit zwischen t0 und t2 ist nun das Problem, denn sie bringt sofort Populisten auf den Plan, die versprechen, das Konsumniveau durch einen Verzicht auf Klimapolitik erst gar nicht sinken zu lassen oder ihn durch einen Ausstieg aus bereits begonnener Klimapolitik sofort zu erhöhen. Leider können sie das auch durchaus glaubwürdig versprechen. Donald Trump tat dies kürzlich erneut, indem er versprach, er werde die Energiepreise binnen 12 Monaten halbieren. Trump-Wähler freuen sich jetzt schon auf den damit verbundenen Zuwachs ihres Realeinkommens, und viele von ihnen nehmen dabei andere Folgen der neuerlichen Trump-Präsidentschaft gern in Kauf, soweit sie sie nicht ohnehin begrüßen. Das mag man beanstanden, aber ändern kann man es nicht.
Dagegen wird sich das Versprechen von Robert Habeck, dass die Klimatransformation zu einem grünen Wachstumsboom führe, erst nach einer langen Übergangszeit auch in höherem Realeinkommen und höherem Konsum niederschlagen. In der Graphik ist das die Zeit zwischen den Zeitpunkten t0 und t2, und in der Praxis reden wir dabei nicht von zwei bis drei Jahren, sondern eher von zwei bis drei Jahrzehnten. In dieser langen Übergangszeit wird sich die Klimapolitik leider vor allem in tendenziell steigenden Konsumgüterpreisen und dadurch in sinkenden Realeinkommen bemerkbar machen, die – so wie es aussieht – von anderweitig erzeugtem Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum wohl allein schon aus demographischen Gründen kaum ausgeglichen werden können.
4 Die Kommunikation des Realeinkommensverlusts
Das polit-ökonomische Problem ist die Krux der Sache, und die Tatsache, dass Realeinkommenserhöhungen in der Übergangszeit durch Verzicht auf Klimapolitik grundsätzlich möglich sind und diese Möglichkeit von Populisten immer irgendwo auf der Welt genutzt werden wird, macht es der Politik in den jeweils anderen Ländern schwer, ihrerseits klimapolitisch auf Kurs zu bleiben. Wäre es deshalb besser, diese Zusammenhänge zu verschweigen und eine Politik zu betreiben, die die Kosten der Klimapolitik möglichst verschleiert und versteckt? Wäre es vor diesem Hintergrund nicht auch besser gewesen, einen Beitrag wie diesen gar nicht erst zu schreiben oder zumindest darauf zu hoffen, dass er nicht gelesen wird?
Zumindest wäre es unaufrichtig, und sowas fällt früher oder später auf. Was sollte man also stattdessen tun? Hierzu können wir erst einmal festhalten: Wir wissen im Prinzip, wie wir es schaffen können, klimaneutral zu werden. Wir wissen auch, dass wir dabei nicht verarmen würden. In unserem Beispiel wurden die zehn Prozent Konsumeinschränkung nur zur Vereinfachung gewählt. In der Realität dürften sie damit deutlich zu hoch angesetzt sein, möglicherweise sogar um ein Mehrfaches. Sie bleibt aber ein beträchtlicher und deutlich spürbarer Einschnitt, und der ist nicht zu leugnen. Aufrichtigkeit würde erfordern, offen kommunizieren, dass Klimaschutz mindestens über eine lange Übergangszeit mit Einschränkungen verbunden ist. Aber kann es ein Politiker politisch überleben, dies offen zu kommuniziert?
Niemand weiß das, und auch dieser Beitrag kann leider keine Lösung der Problematik anbieten. Bei all ihren Verdiensten haben viele engagierte Klimaschützer die Problematik dagegen fast durchgängig einfach verdrängt und stattdessen gebetsmühlenartig darauf verwiesen, dass Klimaschutz nur eine Frage des Willens und der Haltung sei. Dabei haben sie zwar sehr zurecht angemahnt, auf die Naturwissenschaft zu hören. Aber zugleich haben sie die ökonomische Dimension vernachlässigt. Etwas karikierend formuliert, haben sie diese bisweilen sogar offen unter dem Hinweis in den Wind geschlagen, ökonomische Aspekte seien nur etwas für kalte Herzen, und die Wirtschaftswissenschaft stelle im Übrigen nur den ideologischen Instrumentenkasten des Kapitalismus oder des Neoliberalismus bereit und sei daher für die Entwicklung umweltpolitischer Konzeptionen prinzipiell die falsche Adresse. Diejenigen, die so argumentierten, tauschten damit den richtigen Grundsatz follow the sciences im Falle der Wirtschaftswissenschaft gleich wieder in jene sektiererische Wissenschaftsfeindlichkeit ein, die sie anderweitig zurecht so beklagten.
Das war ein großer Fehler, der vielen von ihnen nun krachend auf die Füße fällt. Niemand sollte das besser wissen als Robert Habeck und seine (ehemaligen) Berater aus dem Netzwerk jener einschlägigen Think Tanks, die aus der frühen Ökologiebewegung hervorgegangen sind. Das Kernproblem seines „Heizungsgesetzes“ (genau: Gebäudeenergiegesetz) bestand gerade darin, dass seine Verfasser vereint und mit fast schon naivem Eifer unter Vernachlässigung der offen zutage tretenden Vermögensverluste daran gegangen sind, die Menschen gegen deren Willen – und auch nur scheinbar – zu beglücken. Klimaschutz schaffe Wachstum, wenn man ihn nur beherzt genug anpacke. Auf diese einfache Formel haben sie das Problem irreführenderweise reduziert. Zugleich reduzieren Populisten und Klimaleugner das Problem auf ihre eigene, nicht minder simplifizierende Weise. Für beide gilt aber: Ganz so einfach liegen die Dinge leider nicht.
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