OrdnungsPolitiker
Überschuldung bedroht die Demokratie

Auf neue Rekordhöhen wird die globale Staatsverschuldung 2017 steigen. Trotzdem versprechen Politiker, um gewählt zu werden, dem Wahlvolk rund um den Globus immer neue staatliche Leistungen. Doch wer mit kreditfinanzierten Versprechungen den Populismus bekämpfen will, der treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus. Der weckt unerfüllbare Ansprüche und gefährdet die Demokratie.

Der weitere Anstieg der weltweiten Staatschulden steht in umgekehrtem Verhältnis zur aktuellen politischen und medialen Aufmerksamkeit. Beherrschte dieses Thema nach der Finanzkrise 2008 die öffentliche wie private Debatte über Jahre, so ist es spätestens seit dem Aufstieg sogenannter populistischer Parteien im Windschatten der Globalisierungs- und Migrationskrise in den Hintergrund gedrängt worden. Selbst in der europäischen Währungsunion sind das ökonomisch bankrotte Griechenland oder die hochriskante Überschuldung Italiens kaum mehr ein Aufreger-Thema.

Das Jahr 2017 bringt neue absolute Schuldenrekorde

Dabei ist bereits nach dem I. Quartal 2017 klar: Die gesamten Staatsschulden der Welt, die sich derzeit auf 45 Billionen Dollar belaufen, werden im laufenden Jahr voraussichtlich auf 46,5 Billionen Dollar ansteigen. Mehr als die Hälfte dieser unvorstellbaren Summe entfallen auf die USA und Japan. Die USA werden 2017 voraussichtlich die 20 Billionen-Dollar-Grenze reißen. Damit ist dann jeder US-Bürger umgerechnet mit satten 58.000 Euro Staatsschulden belastet. Die Japaner tragen sogar eine Pro-Kopf-Verschuldung ihrer hohen Staatsschulden von 82.000 Euro. Selbst Deutschland, das in den vergangenen Jahren seine Schuldenlast sogar nominal ganz leicht senkte, lässt seine Bürger 26.000 Euro pro Kopf an öffentlicher Schuldenlast tragen.

1 Prozent Zinserhöhung kostet global 70 Milliarden Euro

Zwar sank die jährliche Netto-Neuverschuldung global in den vergangenen Jahren von etwa 2,5 auf heute 1,5 Billionen Dollar. Doch hat das weniger mit politischer Absicht zu tun, sondern ist vor allem Folge der Niedrigzinspolitik der Notenbanken, die den Staaten die Zinslast für ihre bereits angehäuften Schulden mindert. Wenn man allerdings die komplette Bruttoneuverschuldung global betrachtet, die in diesem Jahr voraussichtlich 7 Billionen Dollar beträgt, dann wird einem rasch klar, wie schnell und brutal steigende Zinsen auf die öffentlichen Finanzen durchschlagen. Bei nur einem Prozentpunkt Zinserhöhung an den globalen Finanzmärkten müssen die Finanzminister der Welt mit 70 Milliarden Dollar höheren Zinsausgaben pro Jahr rechnen. Das zeigt die gesamte Dramatik überdeutlich und lässt erahnen, wie wenig Interesse viele Regierungen an einer Normalisierung der Geldpolitik mit höheren Leitzinsen tatsächlich haben.

Das „süße Gift der Staatsverschuldung“ gefährdet die Demokratie

Welche fatalen ökonomischen Folgen das „süße Gift der Staatsverschuldung“ (Zitat: Deutsche Bundesbank) hat, ist oft und zutreffend beschrieben worden. Mir geht es hier vor allem um die Demokratiegefährdung, die von der dauerhaften Anwendung dieser Droge ausgeht. Denn wenn gewählte Politiker über Jahrzehnte hinweg ständig mehr Geld ausgeben als einnehmen, um die Wohlfahrt einer Gesellschaft zu steigern, dann unterminieren sie einen wesentlichen Ursachenzusammenhang: Was man sich leisten will, ob als Individuum oder als Gesellschaft, das muss man sich auch leisten können. Doch Staaten, die selbst Sozialleistungen oder Beamtenpensionen mit Krediten finanzieren, leben über ihre Verhältnisse.

Wir laufen Gefahr, am kreditfinanzierten Reichtum zugrunde zu gehen

Alle politischen Parteien, die dem Volk neue dauerhafte Leistungen auf Pump versprechen, belügen das Volk. Sie züchten unerfüllbare Ansprüche an die staatliche Leistungsfähigkeit, die unweigerlich zu Wählerfrust führen werden. Mit kreditfinanzierten Wahlversprechungen den Populismus bekämpfen zu wollen, heißt den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Die Wahrheit ist angesichts der umwälzenden neuen Techniken (Stichwort: Digitalisierung!) und der säkularen Alterung (Stichwort: demographischer Wandel) in vielen alten Industriestaaten brutal wie ernüchternd. Unser Wohlstand beruht zumindest teilweise auf Krediten, die nie zurückgezahlt werden können. Wir unterminieren die Stabilität unserer Währung. Wir aasen zu Lasten unserer Kinder und Enkel. Und wir laufen Gefahr – wie in der Menschheitsgeschichte schon unzählige Male geschehen – an unserem geliehenen Reichtum zugrunde zu gehen.

Hinweis: Der Beitrag erschien am 9. April 2017 in „The European“

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