Bei einem Regierungswechsel versprechen sich Politiker gute Karriere-Chancen. Gut 50 Spitzenämter sind diesmal bereits vergeben. Weil nicht alle Wünsche erfüllt wurden, gab es für Olaf Scholz auch 15 Gegenstimmen aus dem Regierungslager.
Um nicht missverstanden zu werden: Ein gesunder Egoismus, um im Beruf seine Karriere-Chancen zu nutzen, ist nichts Ehrenrühriges. So eigennützig optimieren auch viele Bürgerinnen und Bürger nach Möglichkeit ihre beruflichen Chancen. Doch wenn es um hoch dotierte Spitzenpositionen in einer Bundesregierung geht, in der neben dem Kanzler 16 Kabinettspositionen zu besetzen sind und etwa 40 parlamentarische Staatssekretäre aus den drei Regierungsfraktionen gesucht werden, dann herrscht ein oft gnadenloser Selbstversorgungstrieb. Oft steht dann die persönliche Ambition in keinem Verhältnis zur Kompetenz, wirkt das Gerede von der Gemeinwohlorientierung des politischen Amtes als leere Phrase, um den übersteigerten Ehrgeiz zu kaschieren.
Wer nicht zum Zug kommt, kühlt dann manchmal sein Mütchen im Schutz der Wahlkabine. Das mag der Grund dafür sein, dass Olaf Scholz bei der Kanzlerwahl auch Gegenstimmen aus den Reihen der SPD, Grünen und FDP erhalten haben dürfte. Über 416 Abgeordnete verfügen die drei Ampel-Regierungsfraktionen. Bei der SPD fehlten 4 Abgeordnete krankheitsbedingt, bei Grünen und FDP je ein MdB. Also hätte Scholz 410 Stimmen erhalten müssen, wenn man unterstellt, dass er aus den drei Oppositionsfraktionen keine einzige Stimme bekommen hat. Tatsächlich waren es aber 395. 15 Abgeordnete aus den eigenen Regierungsreihen versagten ihm also wohl die Zustimmung.
Wer nicht in ein angestrebtes Amt befördert wird, der muss auch finanziell auf ein schönes Sümmchen verzichten. Denn es geht für die Damen und Herren MdBs um ein stattliches Salär und hohe spätere Pensionsansprüche, wie sich am Beispiel der parlamentarischen Staatssekretäre belegen lässt, die (fast) alle dem Bundestag angehören müssen. Mindestens 17 Abgeordnete der SPD, 13 Grüne-MdBs und 8 FDP-Abgeordnete können sich in der Ampel-Koalition auf monatliche Bezüge von gut 21.000 Euro freuen. Zwar werden ihre monatlichen Abgeordnetenbezüge um 50 Prozent auf 6.786 Euro gekürzt und auch die steuerfreie monatliche MdB-Aufwandsentschädigung wegen der obligatorischen Dienstwagennutzung um 25 Prozent auf 3.314 Euro reduziert. Doch obendrauf kommen die Amtsbezüge eines parlamentarischen Staatssekretärs, die 75 Prozent der Dienstbezüge eines Bundesministers betragen. Derzeit erhalten parlamentarische Staatssekretäre monatlich 11.092 Euro. Die Ministerbezüge liegen bei gut 15.000 Euro. Dazu kommen noch Orts- und Familienzuschläge, die von der persönlichen Lebenssituation abhängig sind.
Das Sahnehäubchen für die auserkorenen Abgeordneten aus den drei Regierungsfraktionen besteht aber im großzügigen Pensionsanspruch, der aus dem Amt des Staatssekretärs resultiert. Bereits nach vier Jahren erwerben sie einen späteren Pensionsanspruch in Höhe von 27,74 Prozent der Amtsbezüge. Das sind knapp über 3.000 Euro pro Monat, die eine Amtsperiode für die spätere Pension einbringt. Ein äußerst lukratives Bonbon, das ohne eigene Einzahlungen erworben wird und für das pflichtversicherte Arbeitnehmer mit Durchschnittseinkommen fast 90 Jahre Rentenbeiträge zu bezahlen hätten. Ganz nebenbei bemerkt: Aus dieser privilegierten Politikerwelt mit ihren hohen Pensionsansprüchen resultiert der Bestandsschutz für das deutsche Berufsbeamtentum. Auch normale Berufsbeamte erwerben bekanntlich ohne eigene Beiträge im Vergleich zu den Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung recht stattliche Pensionsansprüche. Weil sich die Mitglieder des Gesetzgebungsorgans Bundestag selbst Beamtenversorgung de luxe gönnen, wollen sie am grundgesetzlichen Beamtenprivileg nicht rütteln. Eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus!
Der Karriere-Ehrgeiz beschränkt sich in diesen Tagen im Reichstagsumfeld aber nicht nur auf diese absoluten Spitzenpositionen. Auch die Ausschussvorsitzen im Bundestag sind gefragt. Auch sie bringen neben dem Prestige finanzielle Zulagen für die Amtsinhaber. Dasselbe gilt für Positionen in den Fraktionen, die ebenfalls mit finanziellen Anreizen locken. Besonders pikant erscheint der in der WELT von Robin Alexander kolportierte Hinweis, dass Helge Braun den Vorsitz im wichtigen Haushaltsausschuss des Bundestags anstrebt, der traditionell der größten Oppositionsfraktion im Bundestag zusteht. Merkels ehemaliger Kanzleramtsminister will in diesen Tagen aber Bundesvorsitzender der CDU werden. Die Mitgliederbefragung in der CDU läuft noch bis 16. Dezember. Sucht Braun für den wahrscheinlichen Fall seiner Niederlage bereits ein prestigeträchtiges Amt? Mindert sein öffentlich gewordener Anspruch nicht erst recht seine Chancen auf den Haushaltsausschuss-Vorsitz? Oder steht Brauns Ego hier stellvertretend für den Selbstversorgungstrieb, der in Berlin-Mitte bei Regierungs- wie Oppositionsfraktionen dominiert?
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