Andrea und Robert im (hartzigen) Wunderland
Der Sozialstaat ist nicht „bedingungslos“

„Wir werden Hartz IV hinter uns lassen.“ (Andrea Nahles)

Ein Virus geht um in Deutschland, das Virus des „bedingungslosen“ Sozialstaates. Die gegenwärtige Grundsicherung hat keine gute Presse. Unter Gerhard Schröder wurde die soziale Sicherung am unteren Ende auf neue Füße gestellt. Und sie war erfolgreich. Das verkrustete System der Sicherung des Existenzminimums wurde neu geregelt, die Arbeitslosigkeit ging zurück, auch wegen Hartz IV. Tatsächlich hat sich ein Teil der SPD nie mit dieser Grundsicherung anfreunden können. Den Mut sie abzuschaffen, hat sie aber auch nicht gefunden. Offensichtlich haben die Wahlergebnisse einen neuen Anstoß gegeben. Andrea Nahles und Lars Klingbeil haben verkündet, die SPD wolle das verhasste Hartz-IV-System endgültig hinter sich lassen. Mit dieser Forderung sind sie nicht allein. Auch die Grünen haben sich auf die Fahnen geschrieben, die Grundsicherung durch eine „Garantiesicherung“ zu ersetzen. Robert Habeck fordert, die Grundsicherung von Zwang und Bestrafung auf Anreiz und Belohnung umzustellen. Die (guten) Wahlergebnisse lassen die Grünen sozialpolitisch übermütig werden. Auch sie wollen weg von Hartz IV. Es ist kurios, dass allein die CDU/CSU die von Rot-Grün installierte Grundsicherung verteidigt.

Was will Grün-Rot?

Die Grundsicherung ist das wichtigste Instrument, das Existenzminimum staatlich zu garantieren. Wie hoch es ausfallen soll, wer Anspruch auf die Leistungen hat und wie es finanziert werden soll, ist umstritten. Das ist bei (normativen) Verteilungsfragen die Regel. (Fast) alle Umverteilung hat allokative Risiken und Nebenwirkungen, meist geringeres Wachstum und höhere Arbeitslosigkeit. Die Massenarbeitslosigkeit, unter der Deutschland zu Beginn der 00er Jahre litt, löste eine Diskussion um eine Neuordnung des staatlich garantierten Existenzminimums aus. Mit der Arbeitslosen- und Sozialhilfe existierten zwei Systeme, die im begründeten Verdacht standen, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen und das wirtschaftliche Wachstum zu schwächen. Die Leistungen waren hoch, die Dauer des Bezugs war unbegrenzt und die Kriterien der Zumutbarkeit waren lasch. Vor allem die skandinavischen Erfahrungen zeigten, dass man den Zielkonflikt zwischen Allokation und Verteilung verringern kann, wenn man stärker auf das Konzept von „Fördern und Fordern“ setzt. Die Reform von Hartz IV sollte vor diesem Hintergrund diskutiert werden.

Die gegenwärtige Grundsicherung ist besser als ihr Ruf. Sie hat mit dazu beigetragen, den Beschäftigungsboom zu initiieren. Weniger Arbeitslosigkeit hat die Einkommen aller erhöht, die oben allerdings mehr als die unten. Die relative Armut ist gestiegen, die absolute ist allerdings zurückgegangen. Dennoch ist Hartz IV umstritten. Eine Mehrheit der Bevölkerung plädiert für eine Reform. Die Höhe der Leistungen, die Transferentzugsrate, die Anrechnung von Vermögen und die Sanktionen sind die wichtigsten Kritikpunkte. Hier wollen die Grünen ansetzen. Wer bedürftig ist, soll von Einkommen und Vermögen abhängig gemacht werden. Also nichts Neues. Vermögen soll allerdings erst ab 100.000 Euro berücksichtigt werden. Das Existenzminimum soll neu berechnet werden. Der existentielle Bedarf soll erhöht werden, die Regelsätze sollen steigen. Angedacht sind 50 – 100 Euro pro Monat. Auch die Leistungen für die Wohnung sollen steigen. Eine Anpassung an die Knappheit an Wohnungen in Ballungszentren soll automatisch folgen. Das alles ist etwas, was auch die Sozialdemokraten auf ihrer Forderungsliste haben.

Der Vorschlag der Grünen will ein Ärgernis beseitigen. Die Transferentzugsrate liegt gegenwärtig zwischen 80 und 100 %. Das meiste oder sogar alles, das Arbeitnehmer mit Arbeit verdienen, wird ihnen bei der Grundsicherung abgezogen. Kein Wunder, dass wenige Anreize bestehen, eine Arbeit aufzunehmen oder mehr zu arbeiten. Das gilt für arbeitslose Transferempfänger wie für arbeitende Arbeitnehmer, die ihr Arbeitseinkommen mit Hartz IV aufstocken. Auch hier wollen die Grünen ansetzen. Von ihrem Verdienst aus regulärer Arbeit sollen die Empfänger der Grundsicherung zumindest 30 % behalten können. Die Grenzbelastung der Arbeit würde sinken, wenn auch nicht drastisch. Und noch etwas wollen sie ändern. Bezieher von ALG II sollen nicht mehr verpflichtet werden, eine angebotene Arbeit aufzunehmen. Wenn sie es nicht tun, sollen ihnen die Leistungen der Grundsicherung nicht gekürzt werden. Stattdessen sollen Leistungsprämien gewährt werden, die alle belohnen, die eine Arbeit annehmen oder sich qualifizieren und weiterbilden. Das allerdings stellt die traditionellen Grundsätze des Sozialstaates auf den Kopf. Die grüne „Garantiesicherung“ will wieder ein „Recht auf Faulheit“ installieren.

Eine solche Reform ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das kostet Geld, viel Geld. Die Zahl der Leistungsempfänger wird steigen. Robert Habeck rechnet mit zusätzlichen 4 Mill. Haushalten. Dafür sorgt schon die niedrigere Transferentzugsrate. Bleiben mehr Bezieher der „Garantiesicherung“ in Arbeitslosigkeit kleben, erhöht sich die Zahl noch. Aber auch die Leistungen pro Empfänger werden steigen. Höhere Regelsätze und niedrigere Transferentzugsraten treiben diese Entwicklung. Die Grünen gegen von 30 Mrd. Euro jährlich aus. Diese Zahl ist allerdings gegriffen. Finanziert werden soll die Reform durch höhere Steuer- und Beitragseinnahmen. Steuerschlupflöcher sollen gestopft werden, höhere Löhne die Steuereinnahmen stärker sprudeln lassen. Vor allem die Sozialdemokraten glauben, dass höhere gesetzliche Mindestlöhne die Steuereinnahmen weiter treiben können. Geld könnte nach Meinung der Grünen eingespart werden, wenn alle existenzsichernden Leistungen, wie etwa ALG II, Sozialhilfe, Wohngeld und Bafög, die gegenwärtig über viele Systeme verstreut sind, gebündelt werden. Das würde die Bürokratiekosten senken. Die Spuren eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ lassen sich nicht verleugnen.

Was ist davon zu halten?

Die grüne „Garantiesicherung“ hat Licht und Schatten. Der Vorschlag bekommt das Problem des Lohnabstandes nicht in den Griff, er verschärft es. Höhere Regelsätze schrumpfen den Abstand zwischen Transfer- und Arbeitseinkommen weiter. Das ist weder effizient noch gerecht. Die individuellen Anreize, regulär zu arbeiten, gehen zurück. Mit höheren Regelsätzen steigt der „soziale“ Mindestlohn. Er liegt umso höher, je größer die Familie ist. Arbeitnehmer sind kaum noch bereit, für einen Lohn zu arbeiten, der darunter liegt. Und Arbeitgeber werden noch weniger reguläre Arbeitsplätze für einfache Arbeit schaffen. Höhere Regelsätze gehen zu Lasten gering qualifizierter Arbeitnehmer. Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung wird weiter zunehmen. Der Vorschlag, die „gesetzlichen“ Mindestlöhne zu erhöhen, um den Abstand zwischen Grundsicherung und Arbeitseinkommen zu erhöhen, ist entweder wirkungslos oder kontraproduktiv. Liegt der „gesetzliche“ unter dem „sozialen“ Mindestlohn, hat er keine Wirkung auf den Lohnabstand. Wenn er allerdings darüber liegt, verringert er das Angebot an Arbeitsplätzen weiter.

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Positiv zu werten sind die Pläne, die Transferentzugsrate zu senken. Sie lindern den Verlust an Arbeitsplätzen, der durch höhere Regelsätze entsteht. Der vorgeschlagene Schritt ist zwar klein, geht aber in die richtige Richtung. Arbeitenden Transferempfänger sollen nach dem Vorschlag immerhin 30 Cent pro verdientem Euro bei regulärer Arbeit behalten können. Die geringere Transferentzugsrate verbessert die unbefriedigende Situation. Eine niedrigere Grenzbelastung belohnt reguläre Arbeit. Sie bestraft das Nichtstun und die Schwarzarbeit. Geringere Transferentzugsraten verringern auch die Gefahr einer „Ganz oder gar nicht“-Lösung beim Arbeitsangebot. Das kommt vor allem Frauen zugute, die Beruf und Familie miteinander verbinden wollen. Es ist erstaunlich, dass sich im Vorschlag von Andrea Nahles nichts findet, das hilft die Problematik des Zuverdienstes bei Hartz IV zu entschärfen. Die SPD setzt nicht auf reguläre Arbeitsmärkte. Sie will den Mangel an Arbeitsplätzen für einfache Arbeit durch „soziale“ Arbeitsmärkte entschärfen. Der Staat wird bei den Sozialdemokraten endgültig zum „employer of last resort“ (hier).

Die grünen und roten Vorschläge, wie Vermögen angerechnet werden soll, sind ordnungspolitisch zweifelhaft. Beide wollen beim Schonvermögen großzügiger verfahren. Das ist problematisch. Das Prinzip der Subsidiarität sieht vor, dass der Staat allen hilft, die nachweislich bedürftig sind. Dabei ist es egal, ob sie unverschuldet oder selbstverschuldet in Not geraten sind. Verfügen die Individuen über Vermögen, sind sie nicht bedürftig. Erst wenn es aufgebraucht ist, leistet der Staat subsidiäre Hilfe. Wird nach diesem Prinzip verfahren, sind die Anreize der Transferempfänger groß, aktiv mitzuarbeiten, um wieder in Arbeit und Brot zu kommen. Der Verweis auf das ganze Leben verfängt nicht (hier). Der Staat muss nicht nur in der Phase der Erwerbstätigkeit ein Existenzminimum garantieren, er muss auch im Alter die Existenz sichern. Er spart nichts, wenn er ein höheres Schonvermögen einführt. Was der Staat in der Zeit der Arbeitslosigkeit mehr aufwendet, zahlt er in der Zeit des Rentenbezugs weniger. Rechnet er die Erträge aus dem Schonvermögen im Alter nicht vollständig auf die gesetzliche Altersrente an, stellt er vermögende Empfänger von Hartz IV besser als unvermögende. Gerecht ist das nicht. Es spricht deshalb wenig dafür, dem grün-roten Vorschlag eines höheren Schonvermögens zu folgen.

Beide, Robert Habeck und Andrea Nahles, betonen den entwürdigenden und stigmatisierenden Charakter von Hartz IV. Sanktionen für die Transferempfänger, die nicht mitwirken, die Hilfsbedürftigkeit zu überwinden, sind beiden ein Dorn im Auge. Gegenwärtig sind es allerdings nur 3 %, die sanktioniert werden. Die SPD schwört den Sanktionen nicht ganz ab. Wer mitmacht soll besser dastehen als jemand, der sich verweigert. Sanktionen sind das letzte Mittel. Das soll bei den Grünen nicht mehr gelten. Die Transferempfänger erhalten die Leistungen der Grundsicherung bedingungslos. Ob sie daran mitwirken, wieder in Arbeit und Brot zu kommen oder ob sie sich verweigern, spielt keine Rolle. Die Leistungen erhalten sie so oder so. Wer nicht mitmacht, hat keine Sanktionen zu befürchten; wer mitmacht, wird finanziell besser gestellt. Das ist ein sozialpolitischer Systemwechsel. Der Staat hilft Bedürftigen. Die Hilfe ist nicht umsonst. Der Transferempfänger muss eine Gegenleistung erbringen. Bei Erwerbsfähigen wird erwartet, dass sie mitwirken, wieder eine Arbeit zu finden. Verweigern sie sich, werden ihnen die Leistungen gekürzt. Das soll nicht mehr gelten. Unsolidarisches Trittbrettfahrerverhalten dominiert.

Vom Kopf auf die Füße

Die Reform der Arbeits- und Sozialhilfe im Jahre 2005 war überfällig. Eine einheitliche Grundsicherung zu installieren, war notwendig. Das Konzept des „Förderns und Forderns“ war richtig. Daran hat sich nichts geändert. Eine Mehrheit der Bürger sieht zwar Hartz IV kritisch. Die normativen Grundlagen des Sozialstaates, Subsidiarität und Leistungsgerechtigkeit, erfahren aber weiter breite Zustimmung. Der (Sozial-)Staat garantiert nur ein Existenzminimum. Leistungsberechtigt ist nur, wer bedürftig ist. Die Transferempfänger sind verpflichtet mitzuwirken, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu überwinden. Wer es nicht tut, wird sanktioniert. Es gibt keine Mehrheit für einen „bedingungslosen“ Sozialstaat. Die Grundsicherung hat allerdings einige Macken. Sie gilt es zu beseitigen, möglichst schnell. Das Ziel einer Reform muss sein, wirksamere Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Hartz IV darf für arbeitsfähige Arbeitnehmer nicht länger zur Arbeitslosigkeits- und Armutsfalle werden. Mehr Unabhängigkeit vom Sozialstaat, mehr wirtschaftliche Mündigkeit und mehr persönliche Freiheit sind die Ziele einer reformierten Grundsicherung.

Das Problem des Lohnabstandes lässt sich kaum lösen. Die deutsche Philosophie der Gerechtigkeit fordert Transfers, die ausreichen, damit arbeitsfähige Empfänger menschenwürdig leben können auch wenn sie nicht arbeiten. Damit bricht der Konflikt mit der Allokation auf. Das ist in den USA anders. Der EITC schlichtet den Konflikt. Hierzulande sind die Regelsätze und die Zuschüsse für die Kosten der Unterkunft relativ hoch und mit ihnen der „soziale“ Mindestlohn. Der Konflikt mit dem Marktlohn ist programmiert, vor allem für Familien mit Kindern. Die Beschäftigungschancen geringqualifizierter Arbeitnehmer sind nicht sehr hoch. Die Gefahr ist groß, in der Arbeitslosigkeits- und Armutsfalle zu landen. Das Problem lässt sich nicht lösen. Es lässt sich allenfalls mindern, wenn die Transfers die Lage auf den lokalen Arbeitsmärkten berücksichtigen. Werden die Parameter des ALG II – Regelsätze, Transferentzugsrate, Sanktionen etc. – auf kommunaler Ebene festgelegt, passen sich die „sozialen“ Mindestlöhne den lokalen Gegebenheiten auf den Arbeitsmärkten an. Das erhöht die Chancen einer Beschäftigung. Die Gefahr sinkt, in der Arbeitslosigkeits- und Armutsfalle stecken zu bleiben.

Die Vorschläge von Grün-Rot sind zwar nur bedingt geeignet, eine wirksame Reform der Grundsicherung auf den Weg zu bringen. Unbestritten ist allerdings, eine niedrigere Transferentzugsrate ist ein Schritt aus der Armutsfalle. Sie schafft Anreize, angebotene Arbeit anzunehmen. Damit werden Sanktionen nicht überflüssig, wenn der Transferempfänger nicht mitwirkt, ihre Bedeutung geht aber zurück. Bleibt den Transferempfängern von ihrem Arbeitseinkommen mehr, weitet sich der Kreis der Bezugsberechtigten aus. Die Zahl der Bezieher von ALG II nimmt zu. Ob es allerdings teurer wird, hängt davon ab, wie stark das Arbeitsangebot ansteigt. Der Anreiz der Transferempfänger, eine Arbeit aufzunehmen, könnte noch gesteigert werden. Heute bedeutet mehr brutto oft weniger netto. Betrachtet man das ALG II, das Wohngeld und die Kinderzuschläge zusammen, ist es möglich, wie der Münchener Ökonom Andreas Peichl gezeigt hat, dass bei steigendem Einkommen die Grenzbelastungen über 100 % liegen („Umkippeffekte“). Eine „kleine“ Lösung, die wenig kostet und systembedingte Sprungstellen beseitigt, würde mit dazu beitragen, dass sich (zusätzliche) Erwerbsarbeit wieder lohnt (hier).

Eine anreizverträglichere Lösung der Grundsicherung, die effizienter und gerechter ist, wird unter den speziellen deutschen Verhältnissen nicht billig. Die Kosten könnten allerdings weiter gesenkt werden, wenn es gelänge die organisatorische Effizienz des ALG II zu steigern. Mehr Verantwortung für die Kommunen wäre ein erster Schritt. Aus Sozialämtern sollten flexible, erfolgsorientierte Qualifizierungs- und Vermittlungsagenturen werden. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gehören in eine Hand. Sozialämter können die Problemgruppen auf den Arbeitsmärkten besser als Arbeitsämter vermitteln. Sie sind näher am relevanten Arbeitsmarkt für personenbezogene, ortsnahe Dienstleistungen. Gerade das sind die Arbeitsplätze für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose. Diese lassen sich nur in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln, wenn ein ganzes Bündel von Maßnahmen eingesetzt wird. Dazu zählen Kinderbetreuung, Schuldner- und Suchtberatung, Gesundheitsdienst und anderes mehr. Die Kommunen besitzen die dafür notwendige soziale Infrastruktur. Und sie müssten die Zuständigkeit erhalten, die Parameter der Leistungen des ALG II in eigener Regie festzulegen und sie zu selbständig zu administrieren. Die Chance für eine solche (dezentrale) Reform ist allerdings denkbar gering. Wettbewerblicher Föderalismus kommt in Deutschland immer mehr aus der Mode.

Fazit

Die Jagd auf Hartz IV ist eröffnet. Rot-Grün hat Hartz IV eingeführt, Grün-Rot will Hartz IV wieder entsorgen. Die treibende Kraft bei der Einführung war die SPD, die treibende Kraft, die heute zum Halali bläst, sind die Grünen. Das Konzept „Fordern und Fördern“ war gestern richtig und ist es auch heute noch. Die Grundsicherung ist besser als ihr Ruf. Sie garantiert ein sozio-kulturelles Existenzminimum, also nur das Nötigste. Und sie verringert die (Langzeit-)Arbeitslosigkeit spürbar. Hartz IV ist nicht frei von Mängeln. Der größte Mangel sind aber nicht die 3 % Sanktionen, wie uns Grün und Rot weismachen wollen. Mit einem sanktionslosen Garantieeinkommen wandeln die Grünen auf den Spuren des wabernden Zeitgeistes eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das ist ökonomische Quacksalberei. Der umverteilende Sozialstaat ist nicht bedingungslos. Damit stellen Grün und Rot die sozialpolitische Systemfrage. Das eigentliche Problem sind die hohen „sozialen“ Mindestlöhne, die Hartz IV produziert. Sie entmutigen Unternehmen, ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen und kastrieren die individuellen Arbeitsanreize. Hier gilt es anzusetzen. Geringere Transferentzugsraten wären ein erster Schritt. Eine auf lokaler Ebene organisierte Grundsicherung, die lokale Solidarität mit dezentraler Arbeitsmarktpolitik verbindet, wäre die wettbewerbliche Weiterentwicklung. Man muss auch träumen dürfen.

Blog-Beiträge zum Thema:

Thomas Apolte: Hartz sells. Die Ökonomie des Schonvermögens

Norbert Berthold: Des Läba isch koin Schlotzer. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist grober Unfug

3 Antworten auf „Andrea und Robert im (hartzigen) Wunderland
Der Sozialstaat ist nicht „bedingungslos“

  1. Leider garantiert Hartz IV eben NICHT das sozioökonomische Existenzminimum, zudem wird auf Einzelfälle ( chronisch Kranke ) keine Rücksicht genommen, die viel höhere Kosten haben. Die GKV übernehmen seit 2005 vieles davon nicht mehr.
    ( Sicher kein Zufall, daß dies parallel zur Einführung der Hartz Reformen umgesetzt wurde )
    Theoretisch muß das Jobcenter diese Kosten seit dem BVG Urteil von 2010 übernehmen, praktisch werden aber Härtefallbeantragungen immer wieder in die Länge gezogen und abgelehnt.

    Hätte ich es nicht selbst erlebt, hätte ich dies alles in Deutschland nicht für möglich gehalten. In 2 Jahren erhielt ich 3 Vorladungen des Jobcenters entweder am Tag selbst, bzw. 1 Tag zu spät. So erklärt sich der hohe Anstieg der Terminverstöße.

    Da wird dann erst mal sanktioniert, bis man Monate oder Jahre später vor dem Sozialgericht gewinnt, nur per Einwurfeinschreiben ist die Vorladung rechtssicher.
    In keiner Behörde in Deutschland „verschwinden“ so viele Unterlagen.
    Theoretisch mag das ALG II System noch einigermaßen fair klingen, die praktische Anwendung ist es aber nicht, weil Jobcenter ständig Rechtsverstöße begehen.
    Hier gehts nicht um Arbeitsvermittlung, dafür ist gar kein Personal da, sondern Sanktionen und Leistungsverweigerungen zu provozieren und produzieren.

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