Die Zukunft des Sozialstaates (4)
Die Revolution

„Das Grundeinkommen ist nicht befreiend, sondern der Weg in die Knechtschaft.“ (Reiner Eichenberger)

Der Sozialstaat ist krank. Er hat Fieber, mal höheres, mal niedrigeres. Die finanziellen Defizite zeigen, wie hoch das Fieber ist. Eine ursachenadäquate Therapie findet kaum statt. Kuriert wird fast immer nur an Symptomen. Die finanziellen Ungleichgewichte sind allerdings nur vordergründig das Problem. Was den Sozialstaat wirklich krank macht, verbirgt sich hinter der brüchigen finanziellen Fassade. Er nimmt Aufgaben wahr, die andere besser erfüllen können. In vielen Bereichen hat er seine komparativen Vorteile verloren. Wo er sie noch hat, erbringt er das Angebot oft wenig effizient. Unzweifelhaft, er muss reformiert werden. Das Angebot an „sozialer Sicherheit“ und „sozialer Gerechtigkeit“ muss neu geordnet werden. Eine Reform an Haupt und Gliedern ist notwendig. Nur, sie ist schwierig. Der Sozialstaat ist ein Element eines gewachsenen institutionellen Arrangements. Das Tarifkartell auf dem Arbeitsmarkt und ein kooperativer fiskalischer Föderalismus sind die anderen Elemente des deutschen Korporatismus. Eine Reform des Sozialstaates kann nur erfolgreich sein, wenn auch Arbeitsmärkte und Föderalismus wettbewerblicher werden. Ein solcher „big bang“ kommt einem politischen Selbstmord gleich.

Das Sozialstaatsversagen

Diese garstige Realität hält allerdings einige nicht davon ab, revolutionär zu denken. Sie stellen alte sozialpolitische Glaubenssätze in Frage. Manche träumen wieder einmal den schönen Traum eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Renaissance der Idee einer negativen Einkommenssteuer (Milton Friedman) kommt nicht von ungefähr. Globalisierung und technischer Fortschritt haben in den letzten Jahrzehnten weltweit nicht nur mehr Wohlstand gebracht. Sie haben auch mit dazu beigetragen, dass die Einkommen ungleicher verteilt werden. Vor allem am oberen Ende sind die Einkommen stark gewachsen. Zumeist stellen sich die Einkommensbezieher unten absolut nicht schlechter. Allerdings hat die relative Armut in wohlhabenden Ländern an Gewicht gewonnen. Und das zählt in einer Demokratie. Die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens kreiden dem traditionellen Sozialstaat an, dass er dieses Problem nicht in den Griff bekomme. Sie nehmen es ihm auch übel, dass er die Transferempfänger auf Bedürftigkeit überprüft. Das sei „entwürdigend“, unangemessen und mache die Menschen „unfrei“.

Weitere Kritik zieht allenthalben eine wuchernde Sozialstaatsbürokratie auf sich. Sie sei ineffizient und wenig treffsicher. Tatsächlich ist die staatliche Umverteilung verworren, die Ziele oft inkompatibel. In Deutschland bieten fast 40 Stellen über 150 Sozialleistungen an. Dabei weiß oft die eine Hand nicht, was die andere macht. Die Abstimmung ist zeitintensiv und extrem bürokratisch. Das gilt auch für die Kontrolle. Oft gehen sie auf Kosten der Anspruchsberechtigten. Und noch etwas ärgert nicht nur die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die vielen sozialen Leistungen produzieren „Umkippeffekte“. Oft nicht harmonisierte Einkommensgrenzen stellen Individuen bisweilen schlechter, wenn ihr Erwerbseinkommen nur leicht ansteigt. Die Anreize für das Arbeitsangebot sind verheerend. Ein bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen würde mit einem Schlag alle diese Probleme lösen.

Dieser Schritt würde allerdings die Grundsätze des Sozialstaates auf den Kopf stellen: Das Prinzip der Subsidiarität und der Leistungsgerechtigkeit. Eigenverantwortung steht an erster Stelle. Erst wenn der Einzelne überfordert ist und auch die Familie nicht helfen kann, springt der Sozialstaat hilfsweise ein. Allerdings ist eine ungleiche Verteilung der Einkommen akzeptabel. Es gilt das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Der Sozialstaat garantiert nur ein Existenzminimum. Diese Garantie gilt unabhängig davon, ob jemand unverschuldet oder durch eigenes Zutun in Not geraten ist. Sie wird aber nur gewährt, wenn Individuen bedürftig sind. Die Hilfe des Staates ist nicht umsonst. Der Transferempfänger muss eine Gegenleistung erbringen. Bei Erwerbsfähigen wird erwartet, dass er eine angebotene Arbeit annimmt und der Gemeinschaft nicht weiter zur Last fällt.

Ein nur schwer lösbares Problem der staatlichen Garantie eines Existenzminimums liegt in den allokativen Risiken und Nebenwirkungen. Das deutsche Arbeitslosengeld II ist ein Musterbeispiel. Es wird arbeitsfähigen Arbeitslosen gewährt, unabhängig davon, ob sie einer Arbeit nachgehen oder nicht. Der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, ist gering. Eine Transferentzugsrate zwischen 60 und 85 % vermindert die Anreize weiter. Der Konflikt zwischen Allokation und Verteilung ist ungelöst, es ist schwer, der Armutsfalle zu entkommen. Der amerikanische EITC ist weiter. Einkommen werden nur aufgestockt, wenn man einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Andernfalls erhält man die weit weniger hohe Sozialhilfe und wird verpflichtet, gemeinnützige Tätigkeiten (workfare) auszuüben. Allerdings ist der Bezug der Sozialhilfe lebenszeitlich auf maximal fünf Jahre begrenzt.

Die Vorschläge

Die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens glauben, dass es gelingt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das Problem der Armut soll endgültig gelöst, das Arbeitsangebot hingegen nicht negativ beeinflusst werden. Der Zielkonflikt zwischen Allokation und Verteilung, der Generationen von Ökonomen umtreibt, würde ein für alle Mal gelöst. Wie sieht nun diese sozialpolitische Wunderwaffe konkret aus? Sie hat einen harten Kern. Er besteht aus einem bestimmten Betrag, den alle Personen bedingungslos vom Staat erhalten. Die Vorschläge für Deutschland liegen zwischen 500 und 1.500 Euro pro Person, für die Schweiz sind höhere Beträge vorgesehen. Die finanziellen staatlichen Transfers können entweder als Sozialdividende oder als negative Einkommensteuer ausbezahlt werden. Ihre distributiven Wirkungen sind mehr oder weniger identisch.

Mit diesem Betrag sollen die meisten steuer- und beitragsfinanzierten Leistungen des Sozialstaates abgegolten werden. Das gilt für die Gesetzliche Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung. Es trifft aber auch für soziale Leistungen, wie etwa das ALG II, die Sozialhilfe, das Wohn- und Kindergeld, das BaföG, das Erziehungs- und Elterngeld zu. Bei den meisten Vorschlägen werden die Leistungen der Kranken- und Unfallversicherung nicht durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt. Einige plädieren für eine Grundversicherungspflicht und pauschalen Prämien, andere für ein steuerfinanziertes Gesundheitssystem. Manche sehen staatliche Leistungen bei besonderer Bedürftigkeit vor, wie etwa bei Behinderungen, besonderen Lebenslagen oder Kosten der Unterkunft. Das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt den traditionellen Sozialstaat nicht vollständig.

Neben dem harten Kern der staatlichen Transfers unterscheiden sich die Vorschläge darin, wie sie das steuerliche, soziale und arbeitsmarktpolitische Umfeld gestalten wollen. Die größte Hürde für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist zweifellos die Finanzierung. Ein Teil der Mehrausgaben soll durch den Wegfall von staatlichen Sozialausgaben finanziert, der größere Rest soll über höhere Steuern aufgebracht werden. Bei der Einkommensteuer wird meist eine Flat Tax (einstufiger Einkommensteuertarif mit konstantem Grenzsteuersatz) befürwortet. Eine breitere Bemessungsgrundlage durch weniger steuerliche Ausnahmetatbestände soll den Anstieg der Steuersätze im Zaum halten. Die notwendigen Steuersätze hängen von der Höhe des bedingungslosen Grundeinkommens ab. Sie liegen für Deutschland zwischen 50 und 80 %. Höhere Konsumsteuern sind eine Alternative. Das würde es allerdings notwendig machen, die Sätze für die Mehrwertsteuer signifikant anzuheben. Im Gespräch sind Sätze von bis zu 50 %.

Unklar ist, wie der Arbeitsmarkt in der neuen Welt eines bedingungslosen Grundeinkommens aussehen soll. Viele Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens glauben, dass uns über kurz oder lang die Arbeit im gewerblichen Bereich ausgehen wird. Es sei notwendig, dass wir schon heute die Weichen stellen sollten, um andere Formen gesellschaftlich ebenfalls wertvoller Tätigkeiten in der Familie, im Ehrenamt oder in der Kunst den Weg zu bereiten. Erst ein bedingungsloses Grundeinkommen mache die Menschen frei vom Zwang zur Erwerbsarbeit. Wo allerdings Erwerbsarbeit notwendig sei, sollen hohe Mindestlöhne ein auskömmliches Einkommen garantieren. Andere Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens sehen diese Vorschläge als weltfremd an. Sie plädieren für eine grundlegende Deregulierung des Arbeitsmarktes. Mit dieser Art der Arbeitsmarktpolitik wollen sie die auch künftig notwendige Erwerbsarbeit forcieren.

Die Wirkungen

Die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens nehmen die Ökonomie ganz offensichtlich nicht ernst. Eine wichtige ökonomische Erkenntnis ist seit vielen Generationen: Institutionelle Arrangements setzen Anreize für menschliches Verhalten. Das gilt auch für institutionelle Designs staatlich garantierter Einkommen. Alle distributiven Versuche, ein universelles soziales Existenzminimum zu garantieren, haben allokative Risiken und Nebenwirkungen. Es gibt keine institutionelle Lösung, die diesen Zielkonflikt vollständig ausräumen kann. Allerdings lassen sich die allokativen Fehlentwicklungen in Grenzen halten, wenn die begünstigten Individuen eine Gegenleistung für die staatlichen Transfers erbringen müssen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen reißt diese Schranke mutwillig ein. Das  „Tischlein-deck-dich-Spiel“ erodiert die wirtschaftliche Basis. Ein bedingungsloses Grundeinkommen zerstört sich selbst.

Wirtschaftliches Wachstum fällt nicht wie Manna vom Himmel. Es erfordert zumindest dreierlei: Arbeiten, sparen und investieren. Ein bedingungsloses Grundeinkommen senkt die Anreize drastisch, einer gewerblichen Arbeit nachzugehen. Die Erfahrung zeigt, großzügige Leistungen der Arbeitslosenversicherung verringern die Bereitschaft zu arbeiten spürbar. In Deutschland sind viele Arbeitslose nur bereit, wieder eine angebotene Arbeit aufzunehmen, wenn sie spürbar besser bezahlt wird als die Arbeit, die sie vor der Arbeitslosigkeit hatten. Das gilt vor allem für Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation. Der soziale Mindestlohn wirkt. Neue empirische Untersuchungen zeigen, dass in den USA ein Großteil des persistenten Anstiegs der Arbeitslosigkeit in der „Großen Rezession“ auf großzügigeren Leistungen der Arbeitslosenversicherung beruht. Schon die relativ geringen Leistungen des ALG I und ALG II verringern somit die Bereitschaft regulär zu arbeiten spürbar. Ein viel üppiger ausgestattetes bedingungsloses Grundeinkommen würde die Anreize zu arbeiten drastisch verringern. Vor allem im unteren Einkommenssegment einfacher Arbeit würden die Arbeitsanreize massiv zerstört.

Eine solche Entwicklung wäre für die Entwicklung des Wohlstandes fatal. Schon heute klagen über 15 % der deutschen Unternehmen über einen Engpass an Fachkräften. Der demographische Wandel wird dieses Problem künftig noch weiter verschärfen. Vor allem gebildetes Personal in den MINT-Fächern fehlt an allen Ecken und Enden. Das IW Köln geht davon aus, dass sich für die Unternehmen bis zum Jahr 2030 eine Lücke von über 1,8 Millionen MINT-Absolventen auftun wird. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde die negativen Anreize auf Bildung und Arbeitsangebot verstärken. Der Mangel an Fachkräften würde weiter zunehmen. Eine wichtige Grundlage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen würde angegriffen. Das „Geschäftsmodell Deutschland“ käme ins Schleudern.

Im Schlaraffenland eines bedingungslosen Grundeinkommens ändert sich auch das individuelle Sparverhalten. Sinken die Anreize zu arbeiten, geht auch die Fähigkeit zurück zu sparen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen reduziert aber auch die Neigung für die Zukunft vorzusorgen. Der Staat nimmt den Individuen diese Aufgabe ab. Die „komfortable Stallfütterung“ (Wilhelm Röpke) erzieht zur Unselbständigkeit und führt zum Verlust der Freiheit. Das gilt für alle, vor allem aber für untere Einkommensschichten. Ist das bedingungslose Grundeinkommen allerdings so großzügig bemessen, dass es – wie in der Schweiz gefordert – über dem Median-Einkommen liegt, befällt das Virus der „Faulheit“ auch die Mittelschicht. Damit ändert sich das individuelle Sparverhalten flächendeckend. Ein bedingungsloses Grundeinkommen eicht die Gesellschaft auf Konsum. Die Anreize verkümmern, zu arbeiten, zu sparen und zu investieren.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen verändert das investive Verhalten. Vor allem junge Arbeitnehmer hätten kaum noch Anreize, in Humankapital zu investieren. Besser bezahlte Beschäftigungen rücken in weite Ferne. Damit fehlt Unternehmen die Humankapital-Basis für Innovationen. Explodierende Steuern legen sich wie Mehltau auf Wachstum und Beschäftigung. Höhere direkte Steuern drücken die individuelle Bereitschaft, in Humankapital zu investieren. Sie tragen auch mit dazu bei, dass Investoren in Realkapital das Land in Scharen verlassen. Der innovative Schwung erlahmt, produktive Arbeitsplätze gehen massenhaft verloren. Höhere Konsumsteuern sind kein Ausweg. Auch sie belasten das wirtschaftliche Wachstum. Die Anreize der Arbeitnehmer wachsen, in die Schattenwirtschaft abzuwandern. Nur am Rande sei erwähnt: Unerwünschte distributive Nebenwirkungen pflastern den Weg höherer Konsumsteuern.

Die Illusion

Das alles wissen die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens natürlich, wenn sie ökonomisch nicht auf den Kopf gefallen sind. Das Argument, dass mit einem solchen Schritt der verteilende Sozialstaat transparenter würde, ist zweifellos richtig. Auch das Ärgernis nicht aufeinander abgestimmter Leistungen würde beseitigt. Ein Pluspunkt wäre sicher auch, dass kostspielige Kontrollen wegfallen würden. Die Kosten der Sozialbürokratie könnten sinken. Das alles gilt aber nur, wenn das bedingungslose Grundeinkommen den traditionellen Sozialstaat ersetzen würde. Tatsächlich zeigen die verschiedenen Vorschläge aber etwas anderes. Auch bei einem bedingungslosen Grundeinkommen sollen wesentliche Teile der Kranken- und Pflegeversicherung erhalten bleiben. Auch weitere individuell abgestimmte Leistungen in bestimmten Lebenslagen sind vorgesehen.

Große finanzielle Entlastungseffekte aus der „Stilllegung“ weiter Teile des traditionellen Sozialstaates sind eine Illusion. Das gilt vor allem für die Systeme der sozialen Sicherung. Der Sozialstaat produziert „soziale Sicherheit“ und „soziale Gerechtigkeit“. Ein bedingungsloses Grundeinkommen soll helfen, „soziale Gerechtigkeit“ kostengünstiger herzustellen. Das Gegenteil ist der Fall. Es wäre ökonomisch dumm, die Lasten über eine Stilllegung der relativ effizienten Teile der Produktion von „sozialer Sicherheit“ zu finanzieren. Viel sinnvoller wäre es, beide Güter strikt getrennt herzustellen. Die Allokationsverluste wären geringer. Wo es noch nicht der Fall ist, sollte in den Systemen der sozialen Sicherung das Prinzip der Äquivalenz konsequent umgesetzt werden. Die Produktion von „sozialer Gerechtigkeit“ muss dagegen aus dem allgemeinen Staatshaushalt über Steuern finanziert werden. Eine Quersubventionierung des bedingungslosen Grundeinkommens aus den Systemen der sozialen Sicherung ist ineffizient.

Dieses hirnrissige Manöver wird allerdings nicht gelingen. Die Ansprüche der Beitragszahler in den Systemen der sozialen Sicherung sind eigentumsrechtlich geschützt. Das gilt zumindest für die Gesetzliche Rentenversicherung. Es ist in einer stark alternden Gesellschaft nicht möglich, die Rentner zu enteignen, um das Projekt eines bedingungslosen Grundeinkommens zu finanzieren. Die Kostenspirale eines bedingungslosen Grundeinkommens würde sich noch aus zwei anderen Gründen immer schneller drehen. Zum einen würde die Personenfreizügigkeit in der EU den Weg für Freizeitliebhaber aus ganz Europa nach Deutschland freimachen. Zum anderen würden die gewaltigen Unterschiede in den weltweiten Einkommen große Anreize zu Wohlfahrtswanderungen schaffen. Horst Siebert war der Meinung, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde eine Völkerwanderung unerreichten Ausmaßes aus dem Nicht-Europäischen Ausland in Bewegung setzen. Es sei nämlich nicht zu erwarten, dass andere Länder so dumm sein werden, ebenfalls ein bedingungsloses Grundeinkommen zu installieren.

Der grundlegende Irrtum der Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens liegt darin, dass sie von einem festen realen Sozialprodukt ausgehen, das beliebig umverteilt werden kann. Das ist eine Milchmädchenrechnung einfachster Art. Tatsächlich haben alle verteilungspolitischen Maßnahmen in der Realität einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Höhe des Outputs. Der Zielkonflikt zwischen Allokation und Verteilung ist nicht tot zu kriegen. Intelligente institutionelle Arrangements können ihn allenfalls vermindern. Das gilt auch für ein Grundeinkommen, vor allem wenn es bedingungslos ist. Von ihm gehen starke negative Anreize auf die wichtigen Treiber des wirtschaftlichen Wachstums aus, das Arbeitsangebot, die Ersparnisse und die Investitionen. Das gilt für die Leistungs- und die Finanzierungsseite des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Gefahr ist groß, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen das Sozialprodukt drastisch schrumpft. Damit zerstört es sich und die freie Gesellschaft.

Alles in allem: Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ist eine Schnapsidee. Mit ihm gelingt es nicht, die vielen Mängel des gegenwärtigen Sozialstaates in den Griff zu bekommen. Das Gegenteil ist der Fall. Eine solche sozialpolitische Revolution endet in einem wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Desaster. Die Welt wird nicht gerechter, der Sozialstaat nicht effizienter, der Wohlstand schrumpft drastisch. Der Staat übernimmt immer mehr das Kommando. In der Gesellschaft setzt sich eine Anspruchsspirale in Gang. Ansprüche auf immer mehr staatliche Leistungen ohne individuelle Gegenleistungen schießen wie Pilze aus dem Boden. Der Staat erzieht die Menschen zur Unselbständigkeit. Am Ende verlieren sie ihre individuelle Freiheit. Der Illusion des distributiven „Tischlein-deck-dich“ folgt in der Realität der „Knüppel aus dem Sack“. Wir sollten unbedingt die Finger von einem bedingungslosen Grundeinkommen lassen.

Blog-Beiträge der Serie „Die Zukunft des Sozialstaates“:

Norbert Berthold: Die Zukunft des Sozialstaates (1): Das Ideal

Norbert Berthold: Die Zukunft des Sozialstaates (2): Die Realität

Norbert Berthold: Die Zukunft des Sozialstaates (3): Die Reformen

2 Antworten auf „Die Zukunft des Sozialstaates (4)
Die Revolution“

  1. Der Sozialstaat zerstört meiner Meinung nach das soziale Gleichgewicht
    Aber der soziale Staat sorgt dafür das Menschen in Würde alt werden
    können,von Ihrem Lohn leben können und das die steuerlichen Abgaben
    den Einkommen und vor allen Dingen den Konzernen und Grossbanken
    sowie Erben von Grossvermögen angepasst werden.

    Leider ist es aber mit dieser EU und den dazugehörigen,fremdgesteuerten
    Politikern nicht möglich

  2. BGE – Schnapsidee!

    ….mal nur den gesunden Menschenverstand einschalten, oder den Realitätssinn, oder psychologische Fachkräfte fragen, was es mit der Selbstmotivation von Menschen auf sich hat, denen ein Schlaraffenland angeboten wird, und auch das mit sich selbst ehrlich sein.

    Der Mensch ist nicht nur gut sondern auch böse, zwiefacher Natur (Schattenseite). Dem wird beim BGE keinerlei Rechnung getragen.

    Voraussagbar wird die Mehrheit erst mal ein möglichst bequem Leben anstreben, bis hin zum nichts tun und die Räder werden zu Großteil stillstehen.

    Das diskutierte BGE ist eine Illusion, kindisches, unreifes Wunschdenken, eine Ideologie mit Ausblenden der Wirklichkeit

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