Die Vergabe der Olympischen Spiele

Die Olympischen Spiele sind neben der Fußball-Weltmeisterschaft das größte und kommerziell bedeutendste Sportereignis. Auch wenn die ökonomische Bewertung von Sportgroßereignissen für die Ausrichterstädte bzw. -länder nicht unumstritten ist, steht der Prestigegewinn außer Frage, so daß in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Anzahl der Bewerberorte auftrat. Während in Vancouver und Whistler die letzten Vorbereitungen für die kommenden Winterspiele vom 12. bis zum 28. Februar abgeschlossen werden, befinden sich viele andere Destinationen momentan im Bewerbungsprozeß um die Ausrichtung.

Die Auswahl des Austragungsortes verläuft in mehreren Schritten, an deren Beginn eine nationale Vorauswahl steht. Jede Nation bzw. jedes Nationale Olympische Komitee (NOK) kann nur einen einzelnen Bewerber benennen. Alle auf diese Art und Weise nominierten Städte haben sich einem ersten Auswahlprozess des IOC zu stellen, bei dem bestimmt wird, welche Anwärter den offiziellen Kandidatenstatus erhalten. Dieser wird vom Exekutivkomitee bestehend aus dem Präsidenten, vier Vize-Präsidenten sowie zehn anderen IOC-Mitgliedern vergeben. Bei der Entscheidung stützt sich das Exekutivkomitee auf die Ausarbeitungen einer zuvor eingesetzten Arbeitsgruppe. Sie hat die Aufgabe, die einzelnen Städte hinsichtlich verschiedener Kriterien wie der politischen Unterstützung, Beherbergung, Verkehrsinfrastruktur, Klima, Umwelt etc. zu bewerten (IOC, 2000a, 2000b, 2000c). Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe, deren Mitglieder vom IOC-Präsidenten bestimmt werden, sind für das Exekutiv-Komitee jedoch lediglich eine Entscheidungsgrundlage und nicht verpflichtend. In der nächsten Phase müssen die offiziellen Kandidaten ein detailliertes Konzept zur Durchführung der Spiele vorweisen, bei dem insbesondere die finanzielle Absicherung gefordert ist. Die Mitglieder einer Evaluierungskommission bewerten diese Konzeption, bereisen die einzelne Städte und Regionen und leiten die Ergebnisse an das Exekutivkomitee weiter. Dieses legt fest, welche Kandidaten zur abschließenden Abstimmung in der Vollversammlung zugelassen werden. Die Auswahl erfolgt mit einfacher Mehrheit. Kann in einem Votum kein Kandidat die notwendigen Stimmen auf sich vereinen, so kommt es zu einem erneuten Wahlgang, bei dem der Kandidat mit der geringsten Stimmenzahl ausgeschlossen wird (Hare-Regel) (Schauenberg, 1992). Die Entscheidung zur Vergabe fällt jeweils sieben Jahre vor den Spielen; die letzte Entscheidung fiel 2009 für die Vergabe der Spiele 2016 nach Rio de Janeiro.

Insgesamt kann man feststellen, daß der Auswahlprozeß stark durch das Exekutivkomitee kanalisiert werden kann und daß, aufgrund fehlender konkreter Vorgaben – die Olympische Charta bietet hier kaum mehr als Ansätze – die einzelnen IOC-Mitglieder sehr große Handlungsspielräume besitzen.

Diese Handlungsspielräume werden von einer Gruppe, die persönliche bzw. nationale Ziele verfolgt, genutzt, um entsprechende Austragungsorte durchzusetzen. Hierzu dürften in der Regel die Mitglieder aus Europa, Nordamerika und Japan als den klassischen Austragungsorten der Spiele zählen. Ihnen gegenüber stehen jene Vertreter, die keinerlei individuelle Präferenzen gegenüber einzelnen Kandidaten hegen. Exemplarisch sind die Vertreter afrikanischer Staaten zu nennen, wenn über die Vergabe der Winterspiele entschieden wird.

Die Intransparenz des Entscheidungsverfahrens läßt massive Einflußnahmen einzelner IOC-Mitglieder, Absprachen und auch Stimmentausch vermuten. So wurden bei praktisch jeder Entscheidung des IOCs in den letzten Jahren Bestechungsvorwürfe laut, auch wenn der Nachweis bei einer geheimen Abstimmung außerordentlich schwer fällt. In den Fällen von Lillehammer (1994), Nagano (1998) und Sydney (2000) wurden massive Vorwürfe gegen IOC-Mitglieder erhoben; im Falle von Atlanta (1996) und Salt Lake City (2002) kann Korruption als nachgewiesen gelten. Die Spiele des Jahres 1992 (Sommerspiele in Barcelona, Winterspiele in Albertville) stellen ein Beispiel für den Stimmentausch dar. So wurde Barcelona als Austragungsort mit französischer Unterstützung anstelle von Paris gewählt. Im Gegenzug kam es zur spanischen Unterstützung der Bewerbung Albertvilles für die Winterspiele.

Gegen die Interessen der Athleten, der Olympischen Basis, wurde ebenfalls mehrmals votiert. Offensichtlich war dies bspw. in den Fällen von Turin (große Entfernung zu einer Vielzahl der Wettkampfstätten, da es sich nicht um eine klassische Wintersportstadt handelte) und Nagano (schwierige klimatische Bedingungen durch die Nähe zum Pazifik). Und auch bei den aktuellen Spielen muss eine vorbehaltlose Vertretung der Aktiven als fraglich gelten. Da zwischen den Wettkampforten Vancouver und Whistler mehr als 100 Kilometer liegen, wäre eine zentrale Unterbringung der Athleten mit zeitintensiven Reisen verbunden gewesen. Somit kam es zum Aufbau zweier getrennter olympischer Dörfer, was die Idee von „gemeinsamen Spielen aller Athleten“ unmöglich macht.

Insgesamt erscheint somit die Entscheidungsfindung als unbefriedigend. Da man sich von institutionellen Veränderungen wie einer Verkürzung der Amtsdauer der IOC-Mitglieder oder einer Aufhebung des Ehrenamtsstatus wenig erwarten darf, bietet sich aus ökonomischer Sicht vor allem eine Lösung: Da das IOC seit den 70er Jahren den Weg der Kommerzialisierung beschreitet, wäre die Versteigerung des Austragungsortes nur folgerichtig. Dadurch würden die Handlungsspielräume der IOC-Mitglieder stark eingeschränkt und die damit verbundenen Phänomene weitgehend beseitigt.

Aus wettbewerbspolitischer Sicht problematisch erweist sich die weitgehend monopolistische Stellung des IOCs, da die Olympischen Spiele als ein einzigartiges Produkt mit geringer Substitutionskonkurrenz gelten können. Eine Bestreitung dieses Marktes könnte von den Internationalen Fachverbänden ausgehen, die eigenständige Wettbewerbe etablieren könnten. Die FIFA kann hierfür als Vorbild gelten. Ein anderer Weg wäre eine internationale Wettbewerbspolitik, die regulierend auf die Preise der bei den Spielen angebotenen Produkte einwirkt.

Literatur

IOC (2000a), Ten NOCs/Cities express interest in hosting the games of the XXIX Olympiad in 2008, IOC Press Release, 02. 02. 2000.
IOC (2000b), All ten cities interested in hosting the XXIX Olympiad in 2008 reply to IOC questionnaire before deadline, IOC Press Release, 20. 06. 2000.
IOC (2000c), Five cities to compete to host 2008 Olympic Games, IOC Press Release, 28. 08. 2000.
Schauenberg, B. (1992), Die Hare-Regel und das IOC, Irrationales Abstimmungsverhalten bei der Wahl von Atlanta zum Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1996?, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 44, 426-444.

Frank Daumann

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