Eine grüne Geldpolitik ist nicht zwingend nachhaltig!

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Mit der Bewegung Fridays for Future und dem Weltklimagipfel in Madrid ist der Klimaschutz in aller Munde. In Europa hat sich die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde an die Spitze der Klimabewegung gesetzt, indem sie mit Nachdruck die Beteiligung der EZB an der Klimarettung in die Diskussion gebracht hat. Es geht um zwei Punkte: Erstens sollen klima- und umweltfreundliche Unternehmen bei den Wertpapieraufkaufprogrammen der EZB bevorzugt werden. Zweitens sollen Klimarisiken für die Finanzmarktstabilität berücksichtigt werden.

Der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann und der ehemalige Chef-Volkswirt der EZB Otmar Issing haben mehrfach betont, dass das Mandat der Europäischen Zentralbank bei der Wahrung der Preisstabilität und nicht bei der Erreichung von Klimazielen liegt. Ähnlich merkte der Präsident der US-amerikanischen Zentralbank Fed Jerome Powell an, dass Umwelt- und Klimaschutz Aufgabe der Regierung ist. Die Regierungen müssen die ergriffenen Ziele und die damit verbundenen Kosten vom Parlament demokratisch legitimieren lassen. Allerdings liegt die Konsumentenpreisinflation in der Eurozone seit Jahren unter dem von der EZB selbst gesteckten Punktziel von nahe, aber unter 2%. Das könnte der EZB das Tor öffnen, weitere Aufgabenbereiche wie den Klimaschutz an sich zu ziehen. Nach der Aussage einiger Beobachter ist die Beteiligung der EZB am Klimaschutz möglich, weil nach Art. 127 AEUV das Europäische System der Zentralbanken die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union unterstützen soll, wenn dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist.

Christine Lagarde war in den letzten Wochen vielfach zusammen mit der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu sehen, die einen „Green New Deal“ für die Europäische Union gefordert hat. Eine besondere Bedeutung erhält die Idee einer grünen Geldpolitik im Kontext der Anleihekäufe der EZB, die im November in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Monat wieder aufgenommen wurden. Bisher galt für diese Anleihekäufe das Prinzip der Marktneutralität. Kein Unternehmen und kein Staat solle bevorzugt werden. Im Zuge einer grünen Geldpolitik könnten in Zukunft umwelt- und klimafreundliche Unternehmen begünstigt werden. Das gleiche könnte für Staaten gelten, die eine besonders klimafreundliche Energieproduktion haben wie z.B. Deutschland (Energiewende) oder Frankreich (Atomenergie).

Das würde die Art der Ressourcenallokation in der Europäischen Währungsunion verändern. In einer Marktwirtschaft wird dort investiert, wo die höchsten Renditen erwartet werden. Fortan würde von der EZB geschaffenes Geld in umwelt- und klimafreundliche Bereiche gelenkt, wodurch die Kapitalallokation von Renditengesichtspunkten entkoppelt würde. Die Europäische Union arbeitet bereits an einer Taxonomie, die Wertpapiere hinsichtlich ihrer Klimafreundlichkeit einordnet. Damit würde der Begründungsdruck, was eine grüne Anleihe ist, von der EZB genommen.

Christine Lagarde hat angedacht, dass private Finanzinstitute Klimarisiken bei ihrer Kreditvergabe einpreisen müssen. Private Finanzinstitute müssten dann vielleicht bald Kredite an klima-freundliche (klima-schädliche) Projekte mit weniger (mehr) Eigenkapital unterlegen. So würde auch mehr privates Kapital in den Klimaschutz gelenkt. Zudem hat die Europäische Investitionsbank (EIB) ein grünes Investitionsprogramm in Höhe von 1000 Milliarden Euro anvisiert. Würden die Wertpapiere, die von der EIB zur Finanzierung dieses Programms emittiert würden, von der Europäischen Union als klima-freundlich eingestuft, wäre der Weg für die Finanzierung durch die EZB frei. Es erscheint nur als eine Frage der Zeit, wann die EZB das Anleihekaufprogramm ausweiten wird, um den Klima- und Umweltschutz zu forcieren. Wer könnte widersprechen? Das Anleihekaufprogramm könnte mit der Begründung des Klimaschutzes auf Dauer fortgeführt werden.

Damit stellt sich die Frage nach der effizienten Kapitalallokation. Bei einer staatlichen gelenkten Kreditallokation besteht die Gefahr des „Greenwashing“:  Die Unternehmen oder Staaten hätten einen Anreiz, ihre Investitionen als umweltfreundlich darzustellen, um in den Genuss niedrig- oder sogar negativ-verzinster Kredite zu kommen. Die Taxonomie würde stark politisiert. Ob und in welchem Umfang das Klima am Ende wirklich geschützt wird, bleibt zunächst unklar. Im Nachhinein könnte es ausreichen, dass eine entsprechende Berichterstattung die Klimafreundlichkeit eines realisierten Projektes attestiert.

Es ist zu bedenken, dass in der Vergangenheit zu niedrige Leitzinsen – die durch eine grüne Geldpolitik auf Dauer zementiert würden – immer wieder nicht nachhaltige Übertreibungen bewirkt haben. Beispielsweise haben die Zinssenkungen der EZB in Reaktion auf das Platzen der Dotcom-Blase (2000) in vielen südeuropäischen Ländern Immobilienblasen begünstigt, deren Platzen viele Bauruinen hinterlassen hat. Ebenso haben die Zinssenkungen der Fed in Reaktion auf das Platzen der Dotcom-Blase immense Kapitalzuflüsse nach China in Bewegung gesetzt, mit denen riesige zusätzliche Kapazitäten in Chinas Industrie geschaffen wurden. Dadurch wurde nicht zuletzt auch der CO2-Ausstoß Chinas von 3,3 Milliarden Tonnen (im Vergleich zu 10,2 in den G-7-Ländern) im Jahr 2000 derzeit knapp Milliarden Tonnen im Jahr in Höhe getrieben, was auch ein Grund für die derzeitige Klimabesorgnis ist.

Der Ökonom McKinnon (1973) hat bereits in den 1970er Jahren gezeigt, dass eine über das Finanzsystem staatliche gelenkte Ressourcenallokation (finanzielle Repression) zu großen Wachstumseinbußen führt, was negativ auf das Lohnniveau wirkt. Deshalb ist Umsicht ratsam. Klimaschutz ist wichtig und geht alle an. Eine zentral gelenkte Ressourcenallokation durch Europäische Kommission, Europäische Investitionsbank und Europäische Zentralbank steht nicht im Einklang mit Art. 127 AEUV, weil der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verletzt wird.

Auch ein Konflikt mit Art. 3 des AEUV, der eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft fordert, wäre gegeben. Den Regierungen in der Europäischen Union stehen mit CO2-Steuer und CO2-Zertifikatehandel Instrumente zur Verfügung, die auf eine effiziente Art und Weise zum Klima- und Umweltschutz genutzt werden können. Die Geldpolitik sollte hingegen mit dem Mandat der Preisstabilität eine effiziente Ressourcenallokation sicherstellen, um den Wohlstand der Bürger in Europa zu sichern.

Literatur:

McKinnon, Ronald (1973): Money and Capital in Economic Development. Washington D.C.: Brookings Institute.

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