Corona, Länder und Wirtschaft (3)
Österreich – Achillesferse Tourismus

Österreichs Wirtschaft ist bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Die seit dem Frühjahr laufende Erholung wird sich im zweiten Halbjahr fortsetzen, wobei auch die recht positive Entwicklung bei wichtigen Handelspartnern wie Deutschland und den Ländern in Osteuropa helfen wird. Eine Belastung dürfte hingegen bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs die große Bedeutung der Tourismusbranche bleiben. Trotzdem dürfte die Wirtschaft in Österreich 2021 um 4,5% zulegen.

Wirtschaftseinbruch in Österreich

Die österreichische Wirtschaft ist im ersten Quartal um 2,4% geschrumpft und im zweiten Quartal sogar um 10,7% eingebrochen. Damit gab es im ersten Halbjahr den größten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem ist Österreich bisher noch besser durch die Krise gekommen als der Durchschnitt des Euroraums, der ein Minus von 12,1% im zweiten Quartal verzeichnete. Vielmehr hat Österreich nur etwas schlechter als Deutschland abgeschnitten, dessen Wirtschaft im zweiten Quartal um 9,7% geschrumpft ist. Das ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass das Infektionsgeschehen bisher in Österreich dem Infektionsgeschehen in Deutschland geähnelt hat.

Arbeitsmarkt leidet stark, …

Der Einbruch der Wirtschaft hat auch auf dem Arbeitsmarkt Spuren hinterlassen. Die Arbeitslosigkeit stieg stetig an, von 4,9% im März auf 6,2% im Juni an – auch wenn sie im Juli leicht zurückging auf 5,7%. Dies stellt die höchsten Beschäftigungseinbußen in Österreich seit fast 70 Jahren dar. Am stärksten davon getroffen sind das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe, die sonstigen Dienstleistungen sowie das Bauwesen.

Ein noch stärkerer Anstieg der Arbeitslosigkeit wurde auch in Österreich durch den massiven Einsatz von Kurzarbeit verhindert. So hat die österreichische Regierung den Zugang zur Kurzarbeit stark ausgeweitet, um die Auswirkungen des Lockdowns auf den Arbeitsmarkt abzufedern und um die private Nachfrage stabil zu halten: im Mai befanden sich laut dem Bundesministerium für Arbeit mehr als 1,3 Mio Menschen in Kurzarbeit – das sind knapp 29% aller Erwerbspersonen in Österreich (Abbildung 1).

… signalisiert aber auch Erholung ab dem Frühjahr

Dabei zeigen auch die wöchentlich verfügbaren Zahlen zu den Kurzarbeitern, dass die Lockerung der Beschränkungen eine merkliche Erholung der Wirtschaft ausgelöst hat. So liegt der Anteil der Kurzarbeiter Anfang Juli mit knapp 10% aller Erwerbspersonen deutlich niedriger als Anfang Mai. Allerdings zeigen die Kurzarbeiterzahlen auch, dass die Erholung seitdem spürbar an Schwung verloren hat. Denn der Anteil der Kurarbeiter hat sich seitdem nicht mehr geändert.

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Bisher vorbildliche Erholung…

Dieses Muster zeigt sich auch in anderen Indikatoren, die im Gegensatz zu den Kurzarbeitszahlen jedoch nur mit deutlicher Verzögerung vorliegen. So schnellten die Einzelhandelsumsätze nach dem starken Einbruch im März und April nach oben und liegen aktuell sogar 2,2 % über dem Vorjahresniveau (Abbildung 2). Damit hat der Einzelhandel in Österreich deutlich stärker gelitten als in Deutschland, die Erholung war aber ähnlich stark.

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Auch die Industrieproduktion hat sich merklich erholt und schon fast die Hälfte des coronabedingten Einbruchs wettgemacht. Trotzdem befindet sie sich noch immer 10% unter dem Vorjahresniveau. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) im verarbeitenden Gewerbe deutet jedoch auf eine Fortsetzung der Erholung in den kommenden Monaten: Er lag im August bei 51 und damit wieder deutlich über seinem Tiefpunkt von 31,6 im März. Im Vergleich zum Juli-Wert von 52,8 ist jedoch ein Rückgang zu vermelden, was die Aussage der Kurzarbeiterzahlen bestätigt: die Erholung hat sich bis zuletzt zwar fortgesetzt, mittlerweile aber an Fahrt verloren.

Verschiedene Echtzeitindikatoren unterstreichen dies.So lässt sich zum Beispiel an den Google Mobility Daten erkennen, dass die Kundenzahlen in Einzelhandelsgeschäften in Österreich nur noch 4% unter dem Vorkrisenniveau liegen, nachdem die Kundenzahlen zum Tiefpunkt der Krise um mehr als 80% gefallen war. Zuletzt gab es hier aber kaum noch einen Fortschritt.

Wie geht es weiter?

Wir gehen davon aus, dass sich die österreichische Wirtschaft in den kommenden Monaten weiter von dem Einbruch im Frühjahr erholen wird. Rückenwind dürfte dabei aus dem Ausland kommen. Schließlich ist Österreich als kleine offene Volkswirtschaft hiervon besonders abhängig. Hier ist vor allem Deutschland zu nennen: knapp 8% der österreichischen Bruttowertschöpfung hängt von der deutschen Nachfrage ab. Da Deutschland bisher gut durch die Krise zu kommen scheint (siehe auch unser Economic Briefing), wird dies den Aufschwung in Österreich unterstützen.

Helfen dürften Österreichs Wirtschaft außerdem die engen Beziehungen zu den Volkswirtschaften in Ost- und Südosteuropa, die die Krise bisher ebenfalls recht gut überstanden haben. Etwa 3% der österreichischen Bruttowertschöpfung hängen von der Nachfrage in diesen Ländern ab. Auch für das Bankgeschäft in Österreich haben diese Länder eine große Bedeutung: Laut dem Internationalen Währungsfonds entfallen circa 42% der Gewinne österreichischer Banken auf Ost- und Südosteuropa. Die Hälfte der Positionen werden dabei in Tschechien und der Slowakei gehalten.

Anhaltende Probleme der Tourismusbranche …

Zu einem Belastungsfaktor dürfte aber in den kommenden Monaten der Tourismussektor werden, der inklusive indirekten Effekten knapp 12% zum österreichischen Bruttoinlandprodukt beiträgt (Abbildung 3). Damit ist die Wirtschaft in Österreich deutlich abhängiger vom Tourismus als zum Beispiel die in Deutschland oder Frankreich.

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Bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs wird die Tourismusbranche weiter stark unter den Folgen der Pandemie und der damit zusammenhängenden reduzierten Reisetätigkeit leiden. Dies gilt umso mehr, als etwa 73% der Touristen in Österreich aus dem Ausland kommen. Die geringere Aktivität in der Tourismusbranche wird auch die weitere Erholung in Österreicht vorerst weiter bremsen.

… bremsen die Erholung

Wir gehen davon aus, dass im Sommer 2021 ein Impfstoff für die Allgemeinheit verfügbar ist (siehe auch: Der Weg zum Corona-Impfstoff). Dann dürften auch der Tourismus in Österreich wieder deutlich zulegen und die Wirtschaft zum Jahresende 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Im Jahresdurchschnitt wird allerdings nur ein Plus von 4,5% zu Buche stehen, nach -6,0% in diesem Jahr.

… und die Staatsfinanzen?

Auch dank einer günstigen Konjunktur hat Österreich sein Haushaltsdefizit in den vergangenen Jahren Jahren in den Griff bekommen. So wurde aus einem Fehlbetrag von 2,7% des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2014 bis ins Jahr 2019 ein Überschuss von 0,7%. . Als Konsequenz verringerte sich der Schuldenstand von 84% des Bruttoinlandsprodukts auf 70% .

Die Coronakrise und die zur Eindämmung getroffenen Maßnahmen werden die öffentlichen Finanzen in diesem Jahr jedoch stark belasten. Der Wirtschaftseinbruch sowie das Konjunkturpaket von 19 Mrd Euro werden dieses Jahr zu einem Haushaltsdefizit von circa 37 Mrd (9,2% des Bruttoinlandsprodukts) führen. Durch die steigende Verschuldung und das niedrigere Bruttoinlandsprodukt dürfte der Schuldenstand 2020 auf 83% des Bruttoinlandsprodukts hochschnellen.

Mit der Erholung der Wirtschaft und dem Auslaufen der Notmaßnahmen und des Konjunkturpakets dürfte das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr auf etwa 3% des Bruttoinlandsprodukts fallen; auch der Schuldenstand dürfte dann wieder sinken.

Blog-Beiträge der Serie “Corona, Länder und Wirtschaft”:

Marco Wagner und Luca Mauritz: Belgien: Auf dem Weg der Erholung

Marco Wagner: Die Niederlande meistern die Wirtschaftskrise am besten

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