In den nächsten Monaten muss US-Präsident Biden darüber entscheiden, ob er Jerome Powell für eine weitere Amtszeit als Fed-Chef nominiert oder lieber einen Wechsel an der Notenbankspitze anstrebt. Dabei stehen die Chancen für Powell gut, dass er weitere vier Jahre im Amt sein wird. Anders ist dies bei seinen beiden Vizes, Clarida und Quarles, sodass sich die Führungsspitze der Fed nächstes Jahr in jedem Fall deutlich wandeln wird.
Bidens wichtigste ausstehende Personalentscheidung
In den nächsten Monaten muss Präsident Biden seine wohl wichtigste noch ausstehende Personalentscheidung treffen: Die Amtszeit von Jerome Powell als Vorsitzender des Fed-Board läuft im Februar 2022 aus. Die Frage ist, ob Biden dem Vorbild Präsident Obamas folgt, der den Republikaner Bernanke erneut nominiert hatte, oder dem von Präsident Trump, der Janet Yellen nach vierjähriger Amtszeit durch Powell (einen Republikaner) ersetzt hatte. Die Entscheidung Bidens ist für die zweite Jahreshälfte zu erwarten.
Was spricht für Powell …
Powell hat in Washington einen guten Ruf, den er sich mit intensiven Bemühungen um die Abgeordneten im Kongress erarbeitet hat. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil bei dem im Senat nötigen Bestätigungsverfahren. Dort verfügen die Demokraten nur über 50 Stimmen und wären somit bei einer kontroversen Nominierung auf die Zustimmung aller ihrer Senatoren und auf die bei Stimmengleichheit ausschlaggebende Stimme von Vizepräsidentin Harris angewiesen. Powell könnte dagegen auf zahlreiche Stimmen bei den Republikanern zählen (2018 stimmte der Senat 84-13 für Powell).
Für Powell sprechen auch die guten Noten, die er von den weitaus meisten Beobachtern für das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie und für die Neuausrichtung der Fed-Strategie bekommt. Ein wichtiges Argument für den linken Flügel der Demokraten ist außerdem, dass Powell die Bedürfnisse der Minderheiten bei der Geldpolitik stärker berücksichtigt und der Erholung am Arbeitsmarkt ein stärkeres Gewicht zugemessen hat als es der Fed früher unterstellt wurde. Schließlich wäre eine erneute Nominierung Powells für die Märkte beruhigend.
… und was gegen ihn
Der aktivistischere Teil der Demokraten gesteht die Erfolge Powells durchaus zu, würde aber einen „diverseren“ Kandidaten bevorzugen (Powell als älterer weißer Mann mit langjährigen Erfahrungen an der Wall Street passt nicht in dieses Raster) – und einen Angehörigen der eigenen Partei.
Der Fed wird außerdem Versagen in der Regulierung vorgeworfen und übergroße Rücksichtnahme auf die Interessen des Finanzsektors. Diese Kritik ist keineswegs auf linke Kreise beschränkt.
Parteistrategen könnten dies auch als letzte Gelegenheit begreifen, der Fed den Stempel der Biden-Administration aufzudrücken. Denn ob die Demokraten nach einer weiteren vierjährigen Amtszeit Powells noch die Möglichkeit haben, einen ihnen genehmen Fed-Chef zu nominieren, ist nicht sicher. Schließlich finden bis dahin die Zwischenwahlen im nächsten November und die Präsidentschaftswahlen im November 2024 statt. Dabei könnte zumindest die Mehrheit im Senat verloren gehen.
Wer wäre die Alternative?
Präsident Biden hat sich bisher in der Kandidatenfrage sehr bedeckt gehalten, ebenso wie seine wirtschaftlichen Berater. Sollte er sich doch für eine andere Lösung entscheiden, werden immer wieder folgende Kandidaten benannt:
- Lael Brainard wäre die naheliegende Alternative, da sie bereits Mitglied im Board ist (ähnlich wie zuvor Powell, der unter Janet Yellen auch schon Board-Mitglied war).
- Raphael Bostic, seit 2017 Präsident der Atlanta Fed.
- Roger Ferguson, Vize-Vorsitzender des Fed Board von 1999 bis 2006 und danach Chef von TIAA, einem der größten Pensionsfonds.
Diese Kandidaten würden als Frau bzw. Angehörige von Minderheiten auch die Forderungen der Parteilinken nach einer diverseren Fed-Führung erfüllen.
Für die verschiedentlich genannten Außenseiter-Kandidaten, wie die frühere Fed-Gouverneurin Sarah Bloom Raskin und William Spriggs (Harvard-Professor und Chefvolkswirt des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO), sehen wir nur geringe Chancen.
Auf jeden Fall: neue Gesichter im Board
Nächstes Jahr enden ebenfalls die Amtzeiten der beiden Vize-Vorsitzenden der Fed Clarida und Quarles (siehe Tabelle). Es gilt als sicher, dass Biden die beiden von Trump nominierten Republikaner ersetzen wird. Die Amtszeit Claridas als Gouverneur endet ohnehin Anfang 2022. Quarles‘ ist zwar bis 2032 als Gouverneur ernannt. Sollte er aber erwartungsgemäß nicht erneut als für die Aufsicht zuständiger Vize-Vorsitzender der Fed (mit vierjähriger Amtszeit) nominiert werden, dürfte er dem normalen Komment folgend auch rasch aus dem Board ausscheiden. Schließlich kann Biden auch noch einen Kandidaten für den einen aktuell offenen Sitz im Federal Reserve Board nominieren.
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Powell wohl Favorit
In der Summe sehen wir eine weitere Amtszeit von Powell als die wahrscheinlichste Lösung an. Am wichtigsten dürfte bei der Entscheidung sein, dass Powell sich bei der von ihm vertretenen Linie in der Geldpolitik kaum von den Demokraten unterscheidet. Biden könnte mit einer Bestätigung Powells somit Punkte bei der von ihm häufig versprochenen überparteilichen Ausrichtung seiner Administration sammeln, ohne dass es ihn allzuviel kosten würde. Aspekte wie geänderte Schwerpunkte bei der Regulierung und eine stärkere Diversität des Führungspersonals könnten auch bei der Besetzung der anderen Fed-Posten berücksichtigt werden.
Was heißt das für die Geldpolitik?
Mit der 2020 verkündeten neuen Fed-Strategie des flexiblen Inflationsziels wurde bereits eine wichtige Weichenstellung für die Geldpolitik beschlossen. Sowohl Powell im Falle seiner Wiederernennung als auch die wahrscheinlichen Alternativen Brainard, Bostic oder Ferguson würden sich im Rahmen dieser Strategie bewegen. Damit wäre selbst bei einem Austausch der Führungsspitze der Fed kaum mit einer anderen Geldpolitik zu rechnen. Powell hat im Übrigen bereits in die Wege geleitet, dass die Fed ihr Mandat jetzt inklusiver interpretiert, also die Interessen von Minderheiten und wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungsschichten stärker berücksichtigt. Also kommt es auch zukünftig stärker auf die Daten als auf das Personal im Fed Board an.
Einige Änderungen könnte es allerdings bei der Regulierung geben. Gerade Lael Brainard hatte sich intern regelmäßig gegen eine Aufweichung der Regulierung ausgesprochen. Allerdings wird der für Bankregulierung zuständige Vize-Vorstand wohl auf jeden Fall abgelöst und vermutlich durch jemanden ersetzt, der die Zügel wieder stärker anzieht.
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