„Finanzstabilitätsbericht“ – ein Wort, das bei aller Freude an stabilen Finanzen schon aus sich heraus den Charme eines verstaubten Archivs mit papierenen Kontoauszügen aus dem letzten Jahrtausend vermittelt. Gleichwohl wird damit die jährlich aktualisierte Darstellung der Bundesbank zu diesem Thema betitelt und in diesem Jahr hatte ihre Vizepräsidentin Claudia Buch die Aufgabe, die jüngsten Ergebnisse der interessierten Öffentlichkeit näherzubringen. Dass dies alles nichts mit einem verstaubten Archiv zu tun haben soll, versteht sich von selbst, kann man doch sowohl den Bericht als auch Frau Buchs Eingangsstatement von der Homepage der Bundesbank herunterladen.
Nun muss man fairer Weise sagen, dass Berichte der Bundesbank bei aller amtlichen Nüchternheit oft durchaus gut zu lesen und zu verstehen sind. Ob man ihnen inhaltlich folgt, ist dann allerdings eine andere Sache. Das mag auch daran liegen, dass diese Institution uns rechtzeitig vor unerfreulichen Entwicklungen warnen soll und dabei ist naturgemäß Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. Dies gilt umso mehr, als man im Vorfeld der Lehman-Krise die drohende Gefahr zumindest nicht in dem Maße auf dem Schirm hatte, wie sie sich dann in unvergessener Weise auf die Weltwirtschaft entlud – ja, auf die Weltwirtschaft und nicht nur auf einen eher abgegrenzten Teil des US-Immobilienmarkts samt seiner Finanzierung durch Instrumente, die seither auch außerhalb von Fachkreisen zumindest namentlich bekannt, aber mit Blick auf ihre damaligen Wirkungen nicht sonderlich beliebt sind.
Auch diesmal findet sich im Finanzstabilitätsbericht samt Frau Buchs Eingangsstatement ein Bezug auf potenzielle Risiken für die bzw. aus der Immobilienfinanzierung. Diesmal geht es freilich nicht um Subprime jenseits des Atlantiks, sondern um die traditionell brave Immobilienfinanzierung in good old Germany. Ausgangspunkt sind die weiteren kräftigen Preissteigerungen für Wohnimmobilien, denen die Einkommen privater Haushalte immer weniger folgen können. Der entscheidende Satz zu diesen „Preisübertreibungen“ auf S. 10 des Berichts lautet:
„Nach Schätzungen der Bundesbank lagen diese (Preisübertreibungen, LK) im Jahr 2020 in Deutschland zwischen 10% und 30%.“
Die daran anknüpfende Gefahr wird einstweilen im Konjunktiv formuliert:
„Entsprechend könnten Kreditgeber die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten überschätzen.“
Weiter geht es in die nächste Seite hinein mit der absolut und im Verhältnis zu Einkommen steigenden Kreditierung von Wohnimmobilien und den daraus mittelfristig folgenden „Verwundbarkeiten“, bis die Konsequenz für die Finanzstabilität dann klar, doch einstweilen ebenfalls noch im Konjunktiv ausgesprochen wird:
„Es würde die Finanzstabilität gefährden, wenn am Immobilienmarkt eine destabilisierende Dynamik einsetzt, bei der steigende Kreditvolumina und Preise mit einer geringeren Schuldentragfähigkeit der Kreditnehmer einhergingen.“
Wer hätte das gedacht, egal ob im Indikativ oder im Konjunktiv?
Nun, bleiben wir sachlich: Ist das alles höchst vorsorglicher Füllstoff für das jährliche Caveat oder steht uns ein German Subprime bevor? Andere Ausführungen zu dieser Problematik legen nahe, dass wohl eher die erste Alternative gilt. Auf S. 35 wird sehr schön gezeigt, dass die Kreditvergabestandards für neue Wohnungsbaukredite in Deutschland nicht aus dem Ruder laufen. Um dies zu überprüfen wurde zudem eine neue Datenerhebung angestoßen, die ab dem Ende des ersten Quartals 2023 interessante Information bieten soll. Indessen erstaunen die Bedenken der Bundesbank, wenn man die Verhältnisse der rechtlichen Vorgaben für die Immobilienkreditvergabe bedenkt. Grundsätzlich gilt dabei wie auch ansonsten, dass der unbesicherte Teil eines Kredits eine hohe Eigenkapitalunterlegung durch die kreditierende Bank erfordert, was für diese nur interessant ist, wenn der Kunde den damit verbundenen höheren Zinssatz akzeptiert.
Damit rückt die Beleihung des kreditierten Objekts als Sicherheit in den Vordergrund und dabei gelten strenge Regeln, die allesamt eine „vorsichtige Wertermittlung“ gewährleisten sollen.[1] Im Zusammenspiel aus einschlägigen Regelungen des Pfandbriefgesetzes und diverser Wertermittlungsverordnungen ist normalerweise eher eine zu konservative als eine zu liberale Beleihung zu erwarten. Beispielsweise sind die besonders wichtigen erstrangigen Grundpfandrechte auf 60% eines schon an sich vorsichtig ermittelten Beleihungswerts begrenzt. Wenn die Bundesbank selbst und die vielen anderen Kontrollinstanzen im Bankensektor funktionieren, sollte eine in gefährlicher Weise liberalisierte Kreditvergabe für Wohnimmobilien also kein drängendes Thema für die Zukunft sein. Jedenfalls werden die unterstellten 10% bis 30% Preisblase allenfalls dann zum potenziellen Problem, wenn man die Kreditierung über die Beleihungsgrenze ausdehnt und keine anderweitigen Sicherheiten vorliegen. Immerhin wäre man damit zumindest sprachlich im Subprime-Bereich und, zugegeben, dies ist keine extrem seltene Situation, aber die Entscheidungsträger in Kreditabteilungen sind regelmäßig weder unterbelichtete Freizeichner noch hemmungslose Zocker, die Verhältnisse wie damals in den Vereinigten Staaten zum Drehen eines ganz großen Rads ausnutzen wollen.
Was Banken gegebenenfalls dennoch in diese wie auch andere Risiken treiben könnte, fehlt indessen im Finanzstabilitätsbericht: Die Geschäftsgrundlagen der kleineren, regional aufgestellten Kreditinstitute erodieren seit Jahren (vgl. bereits http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=15562) und ein wesentlicher Teil dieser Erosion ist durch Maßnahmen von Politik und EZB bedingt. Mangels Alternativen geht die eine oder andere Bank dann bei dramatisch geschrumpfter Zinsmarge auch das eine oder andere Risiko ein, das sich im Nachhinein oft als problematisch herausstellen wird. Das heißt indessen nicht, dass die Bundesbank dies gutheißen oder bagatellisieren sollte. Es wäre nur schön, wenn bei der Ursachenforschung für bedrohte Finanzstabilität nicht dem Notenbanksektor unangenehme Gefahrenquellen ausgeblendet blieben. Bei der beklagten Preisentwicklung für Immobilien ist indessen eine der Ursachen auch ohne explizite Darstellung offensichtlich: Wer Negativzinsen säht, sollte sich nicht wundern, wenn er/sie eine Flucht in Betongold erntet!
[1] Vgl. hierzu und zum Folgenden Knoll, Immobilien & Finanzierung 6/2020, S. 28 f.
- Sustainable Finance und ESG-Rating
Zwischen Skylla und Charybdis - 5. August 2024 - SVB – nicht der Sportverein!Anmerkungen zu Silicon Valley Bank, Zinsgeysiren, Bankenaufsicht und unfreiwilligem Quantitative Easing - 18. März 2023
- Wohnungsknappheit, Immobilienfinanzierung und das Regulierungssystem nicht kommunizierender RöhrenParalleles Bremsen und Beschleunigen von Wohnimmobilienprojekten durch staatliche Institutionen - 17. Februar 2023
Bei zuletzt einigen Krisen war das Problem, dass die Kredite sehr kreativ gestaltet waren. So hat man in Osteuropa gerne Kredite in Schweizer Franken aufgenommen und viele Banken haben um die Aufsicht zu umgehen Organisationen in Irland aufgebaut. Ich denke, man sollte nach solchen dunklen Ecken suchen und sie ausleuchten.
Eine passgenaue belastbare Analyse zu bisweilen „kreativen“ Immobilienfinanzierungsinstrumenten in Fremdwährung und Auslandspartner Banken. Etwaige Risiken werden von Aufsichtsorganen filigran im Satzbau mystisch andeutet.
Falls denn je eine Immobilienblase aufzieht, verbliebe die in Rede stehenden filigrane Mystik.