Nicht schon wieder eine neue Umlage!

Kaum ist die EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung zum 1. Juli 2022 abgeschafft worden, wurde eine neue Umlage beschlossen: die Gasbeschaffungsumlage. Damit sollen in finanzielle Schwierigkeiten geratene Gasimporteure wie Uniper vor der Insolvenz gerettet werden, denn diese müssen wegen der verringerten Erdgaslieferungen aus Russland Erdgas zu dramatisch höheren Preisen am Markt zukaufen, um ihren Lieferverpflichtungen gegenüber Energieversorgungsunternehmen, insbesondere den Stadtwerken, nachkommen zu können. Daher sollen vom 1. Oktober 2022 an sämtliche Gasverbraucher die Gasbeschaffungsumlage bezahlen; sie beträgt zunächst 2,419 Cent je Kilowattstunde, wird alle drei Monate in ihrer Höhe neu festgelegt und ist befristet bis zum 1. April 2024.

Zur Rechtfertigung der Erhebung dieser Umlage argumentiert das Bundeswirtschaftsministerium, dass ohne diese Hilfe die Erdgasversorgung in Deutschland zusammenbrechen könnte. Die Gefahr drohe, dass Millionen von Haushalten im Winter frieren müssten. Darüber hinaus würde diese Umlage eine faire Verteilung der Mehrkosten der Gasbeschaffung auf viele Schultern erlauben: Die Alternative zur Umlage wären laut Bundeswirtschaftsministerium versorgerspezifische Preisanpassungen, von denen Gaskunden sehr unterschiedlich betroffen wären: Kunden von Gaslieferanten, die bisher viel Gas aus Russland bezogen hatten und daher nun große Mengen Gas aus anderen Quellen zu hohen Preisen beschaffen müssen, würden mit untragbaren Preissteigerungen konfrontiert werden. Kunden von Gaslieferanten, die weniger oder gar kein Gas aus Russland beziehen, wären mit geringeren Preiserhöhungen konfrontiert. Dies ist jedoch nicht die einzige Alternative zur Gasbeschaffungsumlage, es gibt noch weitere, wie im Folgenden diskutiert wird.

Vor dem Hintergrund der drastischen Anstiege der Erdgaspreise für Endkunden, die sich gegenüber dem Vorjahr vervielfacht haben, ist die nun beschlossene Gasbeschaffungsumlage eine zusätzliche Zumutung für die Verbraucher, vor allem für die Geringverdiener. Diese leiden ohnehin unter der Vervielfachung der Gaspreise, ebenso wie auch unter drastisch erhöhten Strompreisen. Die Bundesregierung scheint sich dieser Zumutung bewusst zu sein: Postwendend hat sie den Mehrwertsteuersatz auf Gas von 19 % auf 7 % gesenkt.

Diese Mehrwertsteuersenkung kann, je nach Gasverbrauch eines Haushaltes und dessen Arbeitspreis für die Kilowattstunde, die zusätzliche Belastung aus der Gasbeschaffungsumlage weitgehend ausgleichen. Die durch die Gasumlage bedingten zusätzlichen Kosten liegen für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden bei rund 518 Euro, 7 % Mehrwertsteuer inklusive. Je höher der Gasverbrauch eines Haushaltes, desto eher werden die durch die Umlage verursachten Zusatzkosten durch die Mehrwertsteuersenkung ausgeglichen. Daher ist die Kompensation durch die Mehrwertsteuersenkung, welche von Wohlfahrtsverbänden zu Recht kritisiert wird, weil dadurch alle, nicht nur die armen Haushalte entlastet werden, alles andere als zielgerichtet und gerecht: Wohlhabende Haushalte, die in der Regel einen höheren Energieverbrauch als einkommensschwache Haushalte aufweisen, werden durch die Mehrwertsteuersenkung stärker entlastet als Geringverdiener.

Ebenso wenig zielgenau ist die mit den finanziellen Mitteln der Gasbeschaffungsumlage geplante Unterstützung von vermeintlich notleidenden Gasimporteuren. Tatsächlich würden mit der Gasbeschaffungsumlage auch Unternehmen unterstützt, die eine Unterstützung nicht nötig haben. Der von RWE verkündete freiwillige Verzicht auf die Gelder aus der Gasbeschaffungsumlage zeigt dies überdeutlich. Zu den Unternehmen, die nach eigener Aussage ebenso wenig in ihrer Existenz gefährdet sind, gehört EnBW, dessen Gastochter VNG ebenfalls unter den gedrosselten Lieferungen aus Russland leidet.

Um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, wäre es besser, die wenigen Unternehmen, die tatsächlich in extremen Schwierigkeiten stecken, wie vor allem Uniper, gezielt mit steuerlichen Mitteln durch den Staat zu fördern oder die Kreditlinien auszudehnen. Aus Sicht der Gasverbraucher wäre die hierfür erforderliche Einzelfallprüfung in jedem Fall der vagen Hoffnung vorzuziehen, dass nichtbedürftige Unternehmen auf die Mittel aus der Gasbeschaffungsumlage freiwillig verzichten werden.

Darüber hinaus ist die Gasbeschaffungsumlage entgegen der anderslautenden Behauptung des Bundeswirtschaftsministeriums alles andere als fair: Um notleidende Gasimporteure zu retten, müssen einkommensschwache Haushalte einen höheren Anteil ihres Einkommens für die Gasbeschaffungsumlage aufwenden als wohlhabende Haushalte. Dasselbe Manko wies die jüngst abgeschaffte EEG-Umlage auf und gilt auch für andere Umlagen auf den Verbrauch von Energie, etwa die Umlage zur Förderung der Kraftwärmekopplung.

Es wäre gerechter, wenn es keine derartigen Umlagen auf die Strom- und Gaspreise gäbe und die Finanzierung der entsprechenden Fördertatbestände gemäß dem Leistungsfähigkeitsprinzip aus Steuermitteln erfolgen würde, zu deren Aufkommen starke Schultern stärker beitragen als schwache. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Gas hingegen würde die durch die Gasbeschaffungsumlage entstehenden Nachteile für einkommensschwache Haushalte nur unzureichend ausgleichen.

Zu bemängeln ist zudem, dass die Mehrwertsteuersenkung Unternehmen, die unter der Gasbeschaffungsumlage über die ohnehin stark gestiegenen Gaspreise hinaus noch zusätzlich leiden würden, nicht hilft, da diese vorsteuerabzugsberechtigt sind. Allein um die heimischen Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz zu bewahren, sollte die Gasbeschaffungsumlage besser doch nicht erhoben werden. Denn überall in Europa leiden die Unternehmen gleichermaßen unter den hohen Gaspreisen, aber die Gasbeschaffungsumlage würden allein die Unternehmen in Deutschland bezahlen müssen.

Würde die Gasbeschaffungsumlage doch nicht erhoben werden, könnte auch von der unter verteilungspolitischen Gesichtspunkten ebenso fragwürdigen Senkung des Mehrwertsteuersatzes wieder Abstand genommen werden. Die dadurch erzielbaren zusätzlichen Milliarden an Steuereinnahmen könnten dann gezielt für die Unterstützung tatsächlich in Not geratener Unternehmen eingesetzt werden. Sowohl Millionen an einkommensschwachen Haushalten als auch die überwältigende Mehrheit aller Unternehmen in Deutschland dürften die hier vorgeschlagene Alternative einer Gasbeschaffungsumlage vorziehen.

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