Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist kaum in Kraft, gehen die gesundheitspolitischen Diskussionen bereits in die nächste Runde, eine Entwicklung, die nicht verwundert. Hin und her gerissen zwischen den Konzepten einer Bürgerversicherung und eines Gesundheitsprämienmodells sollte ein „dritter Weg“ gefunden werden, letztendlich wurde wiederum nur eine Symptombehandlung erzielt. Auch die jüngste Diskussion zur Reform der Pflegeversicherung lässt wieder erahnen, dass die Forderung nach einer nachhaltigen Lösung häufig nur in Lippenbekenntnissen ausartet. Dabei liegen die gesundheitspolitischen Hausaufgaben eigentlich auf dem Tisch.
Im gegenwärtigen Finanzierungsmodus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stellen die Leistungsansprüche der heute lebenden Generationen einen hohen Anspruch vor allem an die noch nicht geborenen künftigen Generationen. Die Differenz aus den künftigen Beiträgen und Leistungsansprüchen aus dem System der sozialen Sicherung im Allgemeinen und der GKV im Besonderen ist ökonomisch nichts anderes als künftige Zahlungsverpflichtungen bzw. implizite Schulden , die letztlich durch künftige Steuern und Abgaben zu finanzieren bzw. zurückzuzahlen sind.
Die Berechnungen im Bayreuther Versichertenmodell gehen davon aus, dass im gegenwärtigen GKV-Modell die nach 1975 geborenen Jahrgänge einmalig mit einer impliziten GKV-Sondersteuer von über 20.000 € pro Person belastet werden. Die höchste Belastung hat der Jahrgang 1986 mit ca. 34.000 €. Neben der intergenerativen Umverteilung, dem Problem der Nachhaltigkeit, schichtet die GKV in Form einer intragenerativen Umverteilung annähernd die Hälfte ihrer Gesamtausgabensumme von ca. 140 Mrd. € um, d.h. ca. 70 Mrd. €, ohne dass die Verteilungswirkungen insgesamt zielgerecht oder gar transparent wären. (Vgl. Oberender/Ulrich/Felder/Schneider/Werblow und Zerth (2006): Bayreuther Versichertenmodell. Der Weg in ein freiheitliches Gesundheitswesen, Bayreuth 2006.)
Eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens darf jedoch nicht einseitig nur an der Finanzierung der langfristigen Finanzierungsbeziehungen ansetzen, sondern muss gleichermaßen die Anreizstrukturen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen berücksichtigen. Grundlegende Strukturprinzipien der GKV wie Solidarprinzip (einkommensabhängige Beiträge bei beitragsunabhängigen Leistungen) sowie das Sachleistungsprinzip, das ein Auseinanderfallen von Leistungsinanspruchnahme und Kostenbeteiligung für den Patienten impliziert (Verantwortungsvakuum), erlauben keine entsprechende Koordination unterschiedlicher Zielsetzungen auf der Ebene der Krankenkassen, Leistungserbringer und Patienten. Dadurch besteht ein stetiger Anreiz zur Fehlsteuerung.
Wie kann nun ein tragfähiges Konzept einer Gesundheitspolitik für die Zukunft aussehen? Zunächst gilt es festzuhalten, dass eine ordnungspolitisch vernünftige Lösung, Grundprinzipien im Sinne eines Leitgedankens entwickeln würde, ohne jedes Detail einer konkreten Versorgungskonzeption schon im vorab „zentralverwaltungswirtschaftlich“ zu regeln. In diese Richtung wirkt das Bayreuther Versichertenmodell, das grundsätzlich Versicherung und Umverteilung trennt. Die Versicherungsprämien sind risikoorientiert und mit einem Kapitaldeckungselement in Form von Altersrückstellungen kalkuliert, wodurch ihnen der Charakter eines Preissignals zukommt. Gleichzeitig gilt eine allgemeine Versicherungspflicht für alle Bürger, da jeder Bürger grundsätzlich vom Risiko der finanziellen und persönlichen Überforderung durch ein Krankheitsrisiko getroffen werden kann. Allgemeine Versicherungspflicht bedeutet aber keine Pflichtversicherung bei einer bestimmten Krankenkasse, was zur Folge hat dass es keine gesetzlichen Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bedarf. Darüber hinaus sind weder ein Kontrahierungszwang und ein Diskriminierungsverbot noch ein Risikostrukturausgleich erforderlich, wenn das Prinzip der risikoorientierten Prämien gilt. Die jüngsten Vorschläge einer zentral organisierten „Gesundheitsfondslösung“ mit abgeleiteten Beitragsgutscheinen für jeden Versicherten konterkariert jede Form eines sinnhaften Versichtenwettbewerbs. Geht man diese Richtung weiter, wäre es nur konsequent, entsprechend der Rentenversicherung von einer einheitlichen Versicherungslösung auszugehen, d. h. eine Einheitskasse.
Welche Vorteile lassen sich hingegen mit einem marktwirtschaftlichen Versichertenmodell realisieren? Um die Qualität und die Produktivität ständig zu erhöhen, bedarf es eines stetigen ökonomischen Drucks, der am wirkungsvollsten über Wettbewerb und individuelle Anreize organisiert werden kann. In einem solchen transparenten System entrichtet jeder Versicherte eine für ihn individuell errechnete Prämie, so dass intergenerative Transfers nicht stattfinden. Die Gesundheitsprämie ist hier ein Preissignal, das den notwendigen ökonomischen Druck auf alle Beteiligten des Gesundheitswesens ausübt. Nur in diesem Modell risikoorientierter Prämien mit Altersrückstellungen haben sowohl die Versicherten als auch die Kassen beispielsweise ei¬nen Anreiz, Präventionsanstrengungen zu unternehmen sowie zu fördern und damit dem Verantwortungsvakuum zu entgehen. Die Versicherten profitieren von einer günstigen Prämie bei guter Gesundheit, die Kassen konkurrieren um Versicherte aber nicht länger nur um gute Risiken. Die Erfahrungen der PKV zeigen allerdings, dass die mangelnde Übertragbarkeit (Portabilität) des angesparten Kapitals den Wettbewerb im gegenwärtigen System weitgehend auf die Gruppe der Neukunden reduziert. Mit anderen Worten sind allgemeine Ordnungsregeln zu erlassen, die eine Kalkulation personalisierter Altersrückstellungen erzwingen. Wie findet sich in einem derartigen Modell des Gesundheitswesens noch die Solidarität wieder?
Zunächst muss festgehalten werden, dass bei Gültigkeit einer allgemeinen Versicherungspflicht jeder Bürger von Geburt an der allgemeinen Versicherungspflicht unterliegt. Die Prämien werden sich zum Zeitpunkt der Geburt am erwarteten Schadensverlauf eines Mannes oder einer Frau orientieren. Damit wird die Risikoorientierung tendenziell am Durchschnittswert des Versicherungskollektivs angenähert sein. Eine Individualisierung der Prämien tritt demzufolge erst zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise beim Versicherungswechsel, auf.
Die Frage, wie Menschen, die nicht über das ausreichende Einkommen verfügen, eine personenbezogene Prämie bezahlen können, soll durch das Modell eines Versicherungsgeldes gelöst werden. Die Krankenversicherungen sind darin nicht mit Umverteilungsaufgaben belastet. Umverteilung ist in diesem Sinne klassisch dem staatlichen Bereich, d. h. dem allgemeinen Steuer- und Transfersystem, vorbehalten. Soweit die risikoorientierte Prämie einen zu definierenden Eigenanteil (z. B. 15 % des Bruttoeinkommens) übersteigt, hat jeder Versicherte Anspruch auf die Zahlung eines Versicherungsgeldes , analog zu dem bereits bestehendem Wohngeld. Jedem Versicherten wird die Differenz auf zumutbaren Eigenanteil und durchschnittlicher risikoorientierter Prämie bis zur Höhe einer Kappungsgrenze erstattet.
Da jede grundsätzliche Reform eines Sicherungssystems Umstellungslasten bedingt und gewachsene Strukturen nicht über Nacht aufgebrochen werden können, bildet eine graduelle Systemtransformation den Leitfaden für die konkreten reformpolitischen Maßnahmen. Ein entscheidender Ansatzpunkt ist die Finanzierung der Umstellungsperiode bis die gesamte Bevölkerung auf das neue Leitmodell umgestellt ist.
Die Musterberechnungen zum Bayreuther Versichertenmodell wurden zunächst unter der Annahme durchgeführt, dass alle Personen unter 40 Jahren mit dem Jahr 2005 in das neue Versichertenmodell überführt werden und dass bis zum Jahr 2050 die Umstellung auf das neue Modell im wesentlichen abgeschlossen ist. Zum Umstellungszeitpunkt verbleiben in der alten GKV alle 40jährigen und älteren Menschen, das sind noch 39 Mio. Versicherte, deren Zahl bis zum Jahr 2050 fast komplett abgebaut ist. Die Berechnungen sehen zudem so genannte Kompensationszahlungen oder Ausgleichszahlungen des Staates an jene Versicherten vor, die durch die Finanzierungsreform der GKV im Vergleich zum Status quo schlechter gestellt würden. Es handelt sich also um Zahlungen, die der Staat aufzubringen hätte, um die Verlierer einer Finanzierungsreform gegenüber dem Status quo zu kompensieren.
Die staatlichen Zahlungen zur Kompensation der Verlierer werden langfristig (bis zum Jahr 2050) 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen. Dies spiegelt letztlich die Tatsache wider, dass die hier analysierte Finanzierungsreform der GKV – abgesehen von ihrer Effizienzwirkung – ein Nullsummenspiel zwischen den Generationen darstellt.
Natürlich wird jede Gesundheitsreform, wie generell jede Sozialreform, ein Umdenken und eine Neuorientierung aller Betroffenen erforderlich machen. Die Frage, die es jedoch zu beantworten gilt, ist, wie die Ansprüche an ein Gesundheitssystem der Zukunft ausgestaltet werden sollen. Die Frage nach der Ausgabenentwicklung ist nur die eine Seite der Medaille. Es gilt jedoch festzuhalten, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung trotz aller Effizienzpotenziale zu mehr Ausgaben führen wird. Die Alternative zum Ausgabenwachstum kann nur in einer sehr harten Diskussion der Rationierung notwendiger Leistungen liegen. Gleichwohl bieten marktwirtschaftliche Reformen die Chance, die Gestaltung des Ausgabenwachstums möglichst weitgehend den Beteiligten eigenverantwortlich zu überlassen. Vor diesem Hintergrund ist das deutsche Gesundheitswesen Herausforderung und Chance zugleich, wenn die Wachstums- und Beschäftigungspotenziale dieses volkswirtschaftlichen Sektors berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund könnte die nächste Gesundheitsreform wirklich eine Schlüsselentscheidung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des (institutionellen) Standorts Deutschlands sein. Hier gilt es ordnungspolitische Voraussicht, Verantwortung sowie vor allem Mut zu zeigen.
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Der Weg in die gleiche Richtung? - 22. Januar 2009 - Zur offenen „Reformbaustelle“ der Gesundheitspolitik: die Grundfragen sind zu stellen! - 5. April 2008
Sehr geehrter Herr Oberender,
sie schreiben: „Die Differenz aus den künftigen Beiträgen und Leistungsansprüchen aus dem System der sozialen Sicherung im Allgemeinen und der GKV im Besonderen ist ökonomisch nichts anderes als künftige Zahlungsverpflichtungen bzw. implizite Schulden , die letztlich durch künftige Steuern und Abgaben zu finanzieren bzw. zurückzuzahlen sind.“
Leider macht dies nur deutlich, dass Sie die Funktionsweise des bundesdeutschen Sozialsystems überhaupt nicht begriffen haben. Es gibt keine „impliziten“ Schulden. Und wenn es sie gibt, wo besteht der Unterschied zwischen GKV und PKV?
Generation 1 zahlt ein und bezieht Güter, wenn sie nicht mehr einzahlt sondern Generation 2 einzahlt. Diese bezieht Güter, wenn sie nicht mehr einzahlt sondern Generation 3 einzahlt. Diese bezieht Güter,… Wo existieren hier „implizite“ Schulden?
Und wenn diese existieren, wieso dann nicht bei privater Finanzierung? Wenn ich eine private Krankenversicherung abschließe, erwerbe ich Ansprüche auf Güter, die ich erhalte, wenn ich nicht mehr einzahle. Auch diese Güter müssen mir von der nachfolgenden Generationen zur Verfügung gestellt werden.
Die „implizite“ Verschuldung kann die Generation 1 sogar verringern, wenn sie nicht mehr einzahlt – indem die ihnen zustehenden Leistungen gekürzt werden. Oder man schafft „einfach“ die unwirtschaftlichen PKVs ab. Wie unwirtschaftlich diese sind, wurde ja vor kurzem deutlich, als diese sich konsequent weigerten, mit den GKVs in direkter Konkurrenz zu treten. Warum eigentlich, wenn die PKVs doch angeblich wirtschaftlicher arbeiten? Tatsächlich sind diese nur günstiger, weil sie die billigen Risiken anziehen. Könnte sich jeder Deutsche zu einem Einheitstarif bei den PKVs versichern (wie dies bei den GKVs ja der Fall ist), würde sich niemand dort versichern. Schafft man die PKVs ab, versichern diese Risiken sich auch in den GKVs und die „implizite“ Verschuldung sinkt automatisch, da der durchschnittliche Leistungsbezug der GKV-Versicherten sinkt. Dafür steigt die durchschnittliche Beitragszahlung, da Niedrigeinkommensbezieher sich in PKVs ja nicht versichern können.
Kurz: die Annahme der „impliziten Verschuldung“ ist von einem rein wissenschaftlichen Standpunkt schlicht nicht nachvollziehbar.
Freundliche Grüße
Christian Holzer
Christian Holzer
Kurz: das Konzept der „impliziten“ Verschuldung
> Und wenn diese existieren, wieso dann nicht bei privater
> Finanzierung? Wenn ich eine private Krankenversicherung abschließe,
> erwerbe ich Ansprüche auf Güter, die ich erhalte, wenn ich nicht mehr
> einzahle. Auch diese Güter müssen mir von der nachfolgenden
> Generationen zur Verfügung gestellt werden.
Das ist falsch. Wenn Sie eine PKV in jungen Jahren abschließen, dann zahlen Sie einen Beitrag, der so kalkuliert ist, dass er das steigende Risiko im Alter, krank zu werden, deckt. D.h.: Sie zahlen im Prinzip als junger, gesunder Versicherter für die Leistungen der PKV in der Zukunft, wenn Sie alt und krank sind. Das nennt man Kapitaldeckung und hat überhaupt nichts mit dem System der GKV zu tun, bei der Gesunde die Rechnung der Kranken zahlen.
Ihre Interpretation, dass dies „generationsübergreifend“ bei der GKV geschieht, halte ich für fragwürdig. Aber eine seröse Finanzierung wäre das in keinem Fall, weil wir nichts über die Zahlungsmoral der kommenden Generation wissen können. Dass wäre so, als ob Sie einen Bankkredit abzahlen, bei dem die Raten nach dem geschätzten Einkommen Ihrer Kinder berechnet würden, was bedeuten würde, dass Sie die Schulden auf ihre Kinder abwälzen könnten.
Sehr geehrter Herr Kieseritzky,
natürlich wird der Beitrag individuell kalkuliert, aber ich erwerbe damit einen ANSPRUCH, den ich zu einem Zeitpunkt einlösen kann, wenn ich nicht mehr einzahle. Nicht mehr und nicht weniger habe ich behauptet und bezog mich damit auf folgenden Satz von Herrn Prof. Oberender: „Im gegenwärtigen Finanzierungsmodus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stellen die Leistungsansprüche der heute lebenden Generationen einen hohen Anspruch vor allem an die noch nicht geborenen künftigen Generationen.“ Wenn ich als 20-jähriger in eine private PKV einzahle, erwerbe ich Ansprüche, die ich als 70-jähriger einlösen kann und die mir dann von heute noch nicht Geborenen erfüllt werden müssen (außer natürlich Sie gehen davon aus, dass die PKV diese Ansprüche gar nicht erfüllen wollen sondern nach 50 Jahren Konkurs anmelden und die Eigentümer der PKVs das eigenommene Geld für ihren privaten Lebensabend auf den Malediven verwenden. Aber ich betrachte hier die PKVs als ähnlich langfristig wie die GKVs angelegt).
Ob meine Krankheitsrisiken dabei individuell oder kollektiv berechnet worden sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Im übrigen funktioniert dies ja auch nur solange, wie die „schlechten Risiken“ woanders versichert werden. Schafft man die GKVs ab, müssen sich diese auch bei den PKVs versichern. Und diese muss man dann zwingen, einen Tarif zur Verfügung zu stellen, zu denen sich die „schlechten Risiken“ auch versichern können. Das heisst, es muss zwangsläufig eine Umverteilung von Gesunden zu Kranken geben. Außer natürlich man will, dass bestimmte Menschen sich gar nicht versichern können. Mindestens aber bei Menschen, die von Geburt an so behindert sind, dass sie höhere Krankheitskosten haben als sie selbst finanzieren können, erschien mir ein solcher Weg als zutiefst inhuman zu sein.
„Aber eine seröse Finanzierung wäre das in keinem Fall, weil wir nichts über die Zahlungsmoral der kommenden Generation wissen können.“
Das ist richtig. Aber wir können auch bei der PKV nichts darüber wissen, ob, wenn ich mit 20 Jahren einzahle, 40 Jahre später die PKV-Eigentümer das eingenommene Kapital nicht in Steueroasen angelegt haben, Konkurs anmelden und von dem eingenommenen Kapital ihren eigenen Lebensabend auf den Malediven finanzieren. Oder was passiert, wenn 40 Jahre später niemand mehr (aus welchen Gründen auch immer) in eine PKV einzahlen will. Ähnlich wie die GKVs benötigen nämlich auch die PKVs ständig neue Zahlungseingänge. Oder glauben Sie, dass diese das eigenommene Kapital in Geldtresore a la Dagobert Duck horten?
Mit einem solch (geringen) Risiko muss man bei beiden Krankenversicherungssystemen leben.
Freundliche Grüße
Christian Holzer
> Wenn ich als 20-jähriger in eine private PKV einzahle, erwerbe ich
> Ansprüche, die ich als 70-jähriger einlösen kann und die mir dann von
> heute noch nicht Geborenen erfüllt werden müssen
Tut mir leid, aber das ist falsch. Eine PKV macht keine „intergenerative“ Umverteilung. Aus einem Teil der Beiträge werden Altersrückstellungen gebildet, die für altersbedingte Erkrankungen angespart werden. D.h. Sie als junger Mensch zahlen wegen der Rückstellungen bei der PKV einen höheren Beitrag als ihrem Krankheitsrisiko tatsächlich angemessen. Würde die PKV keine Altersrückstellungen für Sie bilden, müssten die Beiträge mit dem Alter drastisch steigen. Die Beiträge hortet die PKV natürlich nicht in einem „Geldspeicher“, sondern legt sie renditeorientiert an.
Mehr Informationen zur PKV erhalten Sie übrigens auch vom Verband der PKVs: http://www.pkv.de/downloads/Wissenswertes.pdf
Sehr geehrter Herr Kieseritzky,
> Tut mir leid, aber das ist falsch. Eine PKV macht keine “intergenerative“ > Umverteilung.
Ja, ein weitverbreiteter Irrtum über die Funktionsweise einer PKV.
Ich trete mit 20 Jahren einer PKV bei. 40 Jahre lang zahle ich Beiträge, mit 70 Jahren unterziehe ich mich einer teuren Operation. Auf diese Operation habe ich mit meinen Beiträgen einen Anspruch erworben. Den Anspruch habe ich gegenüber meiner PKV. Aber niemand von meiner (oder meiner vorhergehenden) Generation löst diesen Anspruch real ein (operiert mich), da diese ja ebenfalls 70 Jahre oder älter sind. Eingelöst wird dieser Anspruch von der nachfolgenden Generation.
Dass diese sich nicht weigert, diesen Anspruch einzulösen, liegt daran, dass meine PKV die mich operierenden Ärzte bezahlt. Um diese auch in Zukunft bezahlen können, muss die PKV ausreichend Kapital renditeorientiert anlegen – wie Sie ja korrekt sagen. Und genau hier liegt die „intergenerative“ Umverteilung einer PKV begründet. Denn eine PKV kann nicht ihre gesamten Einnahmen konsumieren (also der heutigen Generation zu Gute kommen lassen) sondern muss hieraus Ersparnisse bilden. Konsum aus diesen Ersparnissen entsteht aber erst für die nachfolgenden Generationen (die mich im Alter von 70 Jahren operierenden Ärzte).
Fazit: Ein Krankenversicherungssystem ohne intergenerative Umverteilung ist schlechterdings undenkbar – sei es nun GKV oder PKV. Der Hauptunterschied zwischen GKV und PKV ist daher nicht die intergenerative Umverteilung sondern die intragenerative Umverteilung. Bei einer PKV wird das individuelle Krankheitsrisiko berechnet. Bei einer GKV bezahlt jeder den gleichen Beitrag unabhängig von seinem individuellen Krankheitsrisiko.
PKVs können daher aber nur existieren, solange GKVs existieren (umgekehrt gilt dies nicht: GKVs können auch ohne PKVs existieren). Ansonsten könnten sich einige Personen gar nicht krankenversichern, weil diese so hohe Zahlungen nicht leisten können.
Freundliche Grüße
Christian Holzer
Herr Holzer,
ich gestehe, dass ich hier nur als Laie mitlese, aber erlauben Sie mir eine Nachfrage:
Was Sie als intergenerative Umverteilung im PKV-System bezeichnen ist doch eine Umverteilung (will man nicht den m.E. vielleicht passenderen Begriff „Bezahlung“ nutzen) zwischen Versicherten und Leistungserbringer.
Während im GKV-System diese Form der Umverteilung eben zwischen Versicherten stattfindet (und damit eine „Umverteilung“ darstellt, die ich als solche bezeichnen würde).
Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Grüße,
B.
> Dass diese sich nicht weigert, diesen Anspruch einzulösen, liegt daran, dass
> meine PKV die mich operierenden Ärzte bezahlt. Um diese auch in Zukunft
> bezahlen können, muss die PKV ausreichend Kapital renditeorientiert
> anlegen – wie Sie ja korrekt sagen. Und genau hier liegt die
> “intergenerative“ Umverteilung einer PKV begründet.
Das ist genau das gleiche (falsche) Argument, dass immer wieder bei Vergleichen der staatlichen RV mit den privaten RV verwendet wird: Irgendjemand (aus den nachwachsenden Generationen) müsse ja in der Zukunft die Investmentfonds, Immobilien, etc.pp., in denen die privaten RV das Geld der Versicherten anlegen, „kaufen“.
> PKVs können daher aber nur existieren, solange GKVs existieren
Ein ganz neuer Ansatz in der Diskussion 😉 Analog können private RV wahrscheinlich auch nur existieren, weil es die staatliche RV gibt…
Sehr geehrter Herr Boche,
nein, das haben Sie richtig verstanden. Aber dass es in der PKV keine (jedenfalls nicht zwingend) Umverteilung zwischen den Versicherten gibt, liegt daran, dass es die GKVs gibt, ohne die es ja keine PKVs geben würde.
Sehen hierzu meine Antwort auf Herrn Spengler.
Sehr geehrter Herr Spengler,
wir diskutieren hier über KVs nicht über RVs. Tatsächlich gibt es hier wesentliche Unterschiede.
Eine Privatversicherung will einen Gewinn machen (sowohl bei KV als auch bei RV). Wenn die Privatversicherung schon zu Versicherungsbeginn SICHER weiss, dass sie mit diesem Kunden ein Verlustgeschäft abschliessen wird, wird sie mit dem Kunden kein Geschäft abschliessen. Ein sicheres Verlustgeschäft liegt immer vor, wenn die Versicherung an den Kunden mehr auszahlen muss, als dieser einzahlt.
Bei einer KV ist dies der Fall, wenn die Personen höhere Gesundheitskosten hat als diese Beiträge gezahlt hat. Bei einer RV ist dies der Fall, wenn die Person aufgrund eines langen Rentenbezugsdauer mehr Rente bezieht, als die Versicherung erwartet hat. Also wenn die Person z.B. 100 Jahre wird (ich gehe jetzt der Einfachheit natürlich von einer RV mit festen Monatsauszahlungen aus).
Nun gibt es aber keine Möglichkeit bei einem Neugeborenen zu ermitteln, dass dieses Baby SICHER 100-jährig wird. Insofern gibt es nicht diese GARANTIERT schlechten Risiken wie bei einer KV. Denn es gibt Neugeborene, bei denen aufgrund deren Behinderung SICHER ist, dass diese mehr Gesundheitskosten verursachen als diese Menschen jemals selbst verdienen können. Plädieren Sie jetzt nicht für Euthanesie, muss die PKV auch diese Menschen versichern (und eine Umverteilung innerhalb der Versicherten herbeiführen), wenn es keine GKV gibt.
Oder welchen Lösungsweg schlagen Sie vor?
Freundliche Grüße
Christian Holzer
> Ich trete mit 20 Jahren einer PKV bei. 40 Jahre lang zahle ich
> Beiträge, mit 70 Jahren unterziehe ich mich einer teuren Operation.
> Auf diese Operation habe ich mit meinen Beiträgen einen Anspruch
> erworben. Den Anspruch habe ich gegenüber meiner PKV. Aber niemand
> von meiner (oder meiner vorhergehenden) Generation löst diesen
> Anspruch real ein (operiert mich), da diese ja ebenfalls 70 Jahre
> oder älter sind. Eingelöst wird dieser Anspruch von der nachfolgenden
> Generation.
Demnach handelt es sich bei jeder verzinslichen Anlage um „intergenerative Umverteilung“. Wenn ich heute Geld anlege (wie auch immer), um von den Zinseinkünften später mal Waren zu kaufen, dann bezahle ich mit dem Geld womöglich ein Mitglied der „folgenden Generationen“, das zu dem Zeitpunkt als ich das Geld angelegt hatte, noch nicht gelebt hat. Umverteilung heißt jedoch per definitionem, dass eine Gruppe auf Kosten einer anderen besser gestellt wird. Beim Tauschgeschäft stehen jedoch bei der Tauschpartner besser da als vorher. Folglich gibt es keine „intergenerative Umverteilung“ bei einer privaten Anlage, ob Sie sie nun PKV, PRV oder Sparbuch nennen.
> Nun gibt es aber keine Möglichkeit bei einem Neugeborenen zu
> ermitteln, dass dieses Baby SICHER 100-jährig wird. Insofern gibt es
> nicht diese GARANTIERT schlechten Risiken wie bei einer KV. Denn es
> gibt Neugeborene, bei denen aufgrund deren Behinderung SICHER ist,
> dass diese mehr Gesundheitskosten verursachen als diese Menschen
> jemals selbst verdienen können. Plädieren Sie jetzt nicht für
> Euthanesie, muss die PKV auch diese Menschen versichern (und eine
> Umverteilung innerhalb der Versicherten herbeiführen), wenn es keine
> GKV gibt.
Nun machen Sie eine neue (polemische) Kategorie auf, um private Gesundheitsvorsorge zu diskreditieren, weil sie merken, dass Ihr altes Argument nicht stichhaltig ist. Erstens zahlen Eltern für die private Krankenversicherung eines Kindes (folglich gibt es keine „Umverteilung“ ziwschen den Versicherten einer PKV), zweitens handelt es sich bei angeborenen Behinderungen mitnichten um unkalkulierbare Kosten. Und nicht jede Behinderung verursacht auch automatisch höhere Gesundheitskosten beim Einzelnen.
Außerdem vergessen Sie bei ihren Betrachtungen, dass eine PKV auf vielfältige Weise organisiert sein kann. Eine PKV kann Teil der Arbeitsentlohnung sein (Benefit), der vom Arbeitgeber quersubventioniert ist. Sie kann auch in Form eines Versicherungsvereins organisiert sein, bei der Überschüsse in Beitragssenkungen fließen. Eine KV kann auch Charity darstellen, die von Wohlfahrtsvereinen organisiert wird.
Private Krankenversicherung ist also völlig unabhängig von staatlichen KV-Systemen, die überall auf der Welt defizitär sind und auch in der Regel schlechtere Leistungen erbringen als private Vorsorgemodelle.
Mit freundlichen Grüßen,
Gernot Kieseritzky
> Bei einer GKV bezahlt jeder den gleichen Beitrag unabhängig von seinem
> individuellen Krankheitsrisiko.
Es zahlt eben nicht jeder den gleichen Beitrag, sondern dieser ist einkommensabhängig bis zu einer Bemessungsgrenze. Jemand der wenig verdient, bezahlt auch wenig. Damit können Geringverdiener ihre Gesundheitskosten externalisieren. Wenn andere für meine Arztrechnungen bezahlen, muss ich auch selber nichts für meine Gesundheit tun …
Das Solidarprinzip (also Umverteilungsprinzip) im Gesundheitsweisen ist eines der zentralen Ursachen für seine Finanzierungslücken.
Erstens belastet er Nettoeinkommen und senkt entsprechend den Anreiz zu arbeiten (oder umgekehrt gedacht: lässt Durchschnittslöhne steigen, denn Nettoverlust muss durch Bruttozuwachs ausgeglichen werden). Sozialversicherungspflichtige Jobs müssen folgerichtig knapper werden.
Zweitens schafft ist durch das Sachleistungsprinzip praktisch das Geld im Gesundheitswesen abgeschafft, was jegliche Wirtschaftsrechnung sowohl auf der Seite der Ärzte als auch auf der Seite der Patienten unmöglich macht. In der Praxis werden Arztleistungen also nicht durch Angebot und Nachfrage bepreist, sondern werden letztendlich von der zuständigen Planungsbehörde (Ministerium für Gesundheit) willkürlich festgelegt. Mit allen typischen Folgen einer Planwirtschaft: Überfluss auf der einen Seite (überflüssige Labor- und Geräteuntersuchungen), Mangel auf der anderen (Arzttermine, Betreuung und Beratung, Hausbesuche).
Auch auf die Gefahr hin, dass ich hier ideologische Debatten initiiere, aber um die Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung kommen wir letztendlich nicht herum, wenn die Probleme im Gesundheitssystem und mit der Arbeitslosigkeit gelöst werden sollen. Im Übergang zum privaten System wären Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung insbesondere älterer Arbeitnehmer und gesetzlich Versicherter denkbar, z.B. im Rahmen einer Negative-Income-Tax aka Bürgergeld.
Aber keine Angst, Herr Holzer, die polit. Debatte dazu ist in Deutschland ja noch Lichtjahre vom Kern des Problems entfernt …
Mit freundlichen Grüßen,
Gernot Kieseritzky
Sehr geehrter Herr Kieseritzky,
„Demnach handelt es sich bei jeder verzinslichen Anlage um “intergenerative Umverteilung“.“
Ja, selbstverständlich. Genauso wird ja auch bei Staatsschulden argumentiert: „Wir machen Schulden auf Kosten unserer Kinder.“ Auch hier sprechen Leute wie Raffelhüschen gerne von einer „intergenerativen Umverteilung“. Bei einer sehr langfristigen Geldanlage ist es prinzipiell das gleiche nur umgekehrt. Ich habe mich halt nur auf Raffelhüschen-Niveau begeben. Sorry.
„Erstens zahlen Eltern für die private Krankenversicherung eines Kindes“
Sie haben aber schon bemerkt, dass Sie gerade den Gedanken der individuellen Kostenberechnung verlassen haben, nicht wahr? Denn die Eltern und das Kind sind verschiedene Individuen. Nur dass Sie die Gruppe klein halten. Was aber, wenn die Eltern dieses nicht finanzieren können? Und was, wenn das Kind in einen Alter kommt, wo die Behinderung bleibt, aber die Eltern nicht mehr für die Versicherungszahlungen ihres Kindes zu belangen sind?
„zweitens handelt es sich bei angeborenen Behinderungen mitnichten um unkalkulierbare Kosten. Und nicht jede Behinderung verursacht auch automatisch höhere Gesundheitskosten beim Einzelnen.“
Ich habe auch nicht von jeder Behinderung gesprochen, aber es gibt diese Fälle. Und Sie müssen schon beantworten, wie diese Menschen ihre Gesundheitskosten zahlen sollen.
„Eine KV kann auch Charity darstellen, die von Wohlfahrtsvereinen organisiert wird.“
Also eine PKV mit interpersoneller Umverteilung. Klasse Idee. Fragt sich dann nur, wer von den Gesunden sich dort versichern lässt, da diese eher höhere Beiträge haben dürfte. Eine PKV, die aber nur die schlechten Risiken versichert, ist in einem marktwirtschaftlichen System schnell pleite. Außer sie erhält dauernd Finanzspritzen von außen – den Wohlfahrtsvereinen.
„Private Krankenversicherung ist also völlig unabhängig von staatlichen KV-Systemen, die überall auf der Welt defizitär sind und auch in der Regel schlechtere Leistungen erbringen als private Vorsorgemodelle.“
Dann fragt sich aber, warum die PKVs sich mit Händen und Klauen geweigert haben, mit den GKVs bei der letzten Gesundheitsreform in echter Konkurrenz zu treten. Warum plädieren die deutschen PKVs nicht vehement dafür, dass sich jeder Deutsche (unabhängig von seinem Krankheitsrisiko und Einkommen) bei ihnen versichern darf? Möglicherweise weil sie selbst wissen, dass die GKVs viel effizienter arbeiten als die nicht konkurrenzfähigen PKVs?
„Es zahlt eben nicht jeder den gleichen Beitrag, sondern dieser ist einkommensabhängig bis zu einer Bemessungsgrenze.“
Ok, das ist richtig. Die Bemessungsgrenze müsste natürlich ebenso wie die PKVs abgeschafft werden.
„Jemand der wenig verdient, bezahlt auch wenig.“
Jein. Der, der oberhalb der Bemessungsgrenze liegt, bezahlt sogar prozentual weniger von seinem Einkommen als der, der in der Bemessungsgrenze liegt. Das ist schlicht absurd. Aber auch innerhalb der Bemessungsgrenze ist es natürlich falsch, dass es keinen progressiven Anstieg gibt. Noch falscher ist allerdings die Idee der Kopfpauschale.
„Das Solidarprinzip (also Umverteilungsprinzip) im Gesundheitsweisen ist eines der zentralen Ursachen für seine Finanzierungslücken.“
Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ist seit Beginn der 80er Jahre praktisch unverändert geblieben. Die Finanzierungslücken ergeben sich also nicht aufgrund der Ausgaben sondern der Einnahmen. Ein Abschaffung der PKVs (also alle heute privat versicherten, müssten den GKVs beitreten) und der Arbeitslosigkeit würde das Gesundheitswesen schnell entlasten.
„Im Übergang zum privaten System wären Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung insbesondere älterer Arbeitnehmer und gesetzlich Versicherter denkbar, z.B. im Rahmen einer Negative-Income-Tax aka Bürgergeld.“
Also auch hier eine interpersonelle Umverteilung: nur eben nicht im KV-System sondern außerhalb des KV-Systems. Ich sagte ja: man kommt da nicht drum herum. Und wie man es organisiert, ist letztlich nicht so wichtig, da die Personen, die es zahlen ja die gleichen sind.
Freundliche Grüße
Christian Holzer
> Möglicherweise weil sie selbst wissen, dass die GKVs viel effizienter arbeiten
> als die nicht konkurrenzfähigen PKVs?
Wer so etwas angesichts der Geldverbrennungen vor allem im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigungen schreibt, disqualifiziert sich selbst.
> Die Bemessungsgrenze müsste natürlich ebenso wie die PKVs abgeschafft werden.
Es soll also dann faktisch eine Gesundheitssteuer von 7% eingeführt werden? Für ein System, in dem jeder Wettbewerb abgewürgt ist?
Sehr geehrter Herr Spengler,
darf ich Sie erinnern, dass die PKVs scharfen Protest eingelegt haben als es um einen möglichst weiten Basistarif ging? Warum denn, wenn die PKVs so kostengünstig arbeiten? Dann hätten sie sich doch freuen müssen, dass sie mehr Kunden gewinnen konnten.
Die PKVs sind eben nur deshalb günstiger, weil sie – im Gegensatz zu den GKVs – schlechte Risiken ausschließen können. Was ja auch logisch ist, immerhin müssen Privatversicherer für Gewinne und Werbemaßnahmen ihrer Krankenkasse aufkommen. Vor allem der erste Posten fällt bei den GKVs nicht an (der zweite mittlerweile auch, aber geringer).
„Es soll also dann faktisch eine Gesundheitssteuer von 7% eingeführt werden? Für ein System, in dem jeder Wettbewerb abgewürgt ist?“
Man könnte den Wettbewerb sogar ausbauen:
1. Basistarif für alle in den PKVs, wie es den bei den GKVs auch gibt.
2. Jeder Versicherte kann jederzeit seine Krankenkasse wechseln – auch von einer PKV zu einer anderen. Selbstverständlich unter Mitnahme seiner eingezahlten Beiträge (samt Zinsen).
Leider wäre dann die PKVs schnell pleite. Aber warum sollen wir weiterhin eine ineffiziente und zu teure Struktur beibehalten? Warum nicht die PKVs mal dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb aussetzen, wie dies ja bei den GKVs schon immer der Fall war?
Freundliche Grüße
Christian Holzer
Lieber Herr Holzer,
wir werden ja doch nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Einen letzten Versuch wage ich dennoch.
>> “Demnach handelt es sich bei jeder verzinslichen Anlage um
>> “intergenerative Umverteilung“.“
>> (…)
>> Umverteilung heißt jedoch per definitionem, dass eine Gruppe auf
>> Kosten einer anderen besser gestellt wird. Beim Tauschgeschäft stehen
>> jedoch beide Tauschpartner besser da als vorher.
> Ja, selbstverständlich. Genauso wird ja auch bei Staatsschulden
> argumentiert: “Wir machen Schulden auf Kosten unserer Kinder.“
Sie haben die zweite Hälfte meines Arguments ignoriert, nämlich dass es sich bei einer zinslichen Anlage und auch beim Konsum der Zinsgewinne immer um Tauschgeschäfte handelt, die beide Tauschpartner besser stellt als vorher. Deswegen kann es sich, ganz grundlegend, bei einer PKV, PRV oder Sparbuch nicht um „Umverteilung“ handeln. _Staats_schulden (die Betonung liegt auf Staat) verhält es sich anders, weil hohe Staatsschulden zum einem Inflation und zum anderen höhere Steuerquoten in der Zukunft implizieren.
>> “Es zahlt eben nicht jeder den gleichen Beitrag, sondern dieser ist
>> einkommensabhängig bis zu einer Bemessungsgrenze.“
>
> Ok, das ist richtig. Die Bemessungsgrenze müsste natürlich ebenso wie
> die PKVs abgeschafft werden.
Aber die Bemessungsgrenze hat aber mit der Ungleichheit der Beiträge nur randständig zu tun.
Wenn ein armer Schlucker 10% seines Einkommens abgeben muss, dann handelt es sich vielleicht um 100 EUR. Wenn ein leitender Angestellter 10% abgeben muss, dann mag es sich um 1000 EUR handeln. Insofern zahlt der „Reiche“ 10x mehr für seine Krankenversicherung als der Arme. Nun möchten Sie den Prozentsatz zusätzlich einkommensabhängig staffeln und darüber hinaus die Bemessungsgrenze abschaffen — nur ändert das an der Situation des Armen, der immer noch 10% bezahlt, überhaupt nichts.
> (PKV wehrten sich)
> bei der letzten Gesundheitsreform in echter Konkurrenz zu treten
Sie meinen mit gesetzlich vorgeschriebenen Prämien und mitnehmbaren Altersrückstellungen? Das hätte im Grunde genommen nur bedeutet, das Grundprinzip einer Versicherung zu zerstören, und damit die faktische Abschaffung der PKV. Was heißt auch „echte“ Konkurrenz? Die GKV haben den Gesetzgeber und milliardenschwere Bundeszuschüsse im Rücken — von „fairem“ Wettbewerb kann also keine Rede sein. „Fair“ wäre die Privatisierung der GKV gewesen.
> Warum plädieren die deutschen PKVs nicht vehement dafür, dass sich
> jeder Deutsche
> (unabhängig von seinem Krankheitsrisiko und Einkommen)
> bei ihnen versichern darf?
Tun sie doch, gerne würden Sie mehr Menschen versichern. Nur dürfen Sie es nicht, weil es eine gesetzliche Einkommensgrenze gibt, ab der sich Arbeitnehmer privat versichern können. Diese Grenze wurde in den letzten Jahren von der Politik immer weiter raufgesetzt, und damit der elitäre Kreis privat Versicherter immer stärker eingeschränkt. Einkommensunabhängig sind PKVs sowieso, unabhängig vom Krankheitsrisiko natürlich nicht (Risikozuschläge gibt es natürlich auch bei anderen Versicherungen).
> Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ist seit Beginn der 80er
> Jahre praktisch unverändert geblieben. Die Finanzierungslücken
> ergeben sich also nicht aufgrund der Ausgaben sondern der Einnahmen.
Da das BIP im gleichen Zeitraum jedes Jahr um ein paar Prozent gestiegen ist, haben sich somit die Gesundheitsausgaben gesteigert. Wären Sie konstant geblieben, hätte der Anteil der Gesundheitsausgaben sinken müssen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze ist gleichen Zeitraum ebenfalls gesunken u.a. als Folge der einkommensabhängigen Sozialversicherungen inkl. GKV.
Mit freundlichen Grüßen,
Gernot Kieseritzky
Sehr geehrter Herr Kieseritzky,
ich bedanke mich für die angenehme Diskussion mit Ihnen. Meine Antworten möchte ich Ihnen natürlich nicht schuldig bleiben.
„_Staats_schulden (die Betonung liegt auf Staat) verhält es sich anders, weil hohe Staatsschulden zum einem Inflation und zum anderen höhere Steuerquoten in der Zukunft implizieren.“
Das erscheint mir nicht ersichtlich, wie man an Japan und Belgien (zwei Ländern mit sehr hohen Staatsschulden) erkennen kann. Weder ist dort eine hohe Inflation zu erkennen gewesen, noch besonders hohe Steuerquoten.
„Nun möchten Sie den Prozentsatz zusätzlich einkommensabhängig staffeln und darüber hinaus die Bemessungsgrenze abschaffen ““ nur ändert das an der Situation des Armen, der immer noch 10% bezahlt, überhaupt nichts.“
Bei Wegfall der Beitragsbemessungsgrenzen und einem progressiven Anstieg der KV-Beiträge können (und sollten!) die Beiträgssätze der Armen natürlich gesenkt werden. Im übrigen gemäß Gossenschen Gesetz stiften 100 Euro jemanden, der 1000 Euro verdient, einen höheren Nutzen, als 1000 Euro jemanden, der 10.000 Euro hat.
„und damit die faktische Abschaffung der PKV.“
Das sehe ich genauso. Ein fairer Wettbewerb PKV zu GKV bedeutet zwingend die Abschaffung der PKV. Die Bundeszuschüsse sind aufgrund der schlechten Risiken ja erforderlich.
„Da das BIP im gleichen Zeitraum jedes Jahr um ein paar Prozent gestiegen ist, haben sich somit die Gesundheitsausgaben gesteigert. Wären Sie konstant geblieben, hätte der Anteil der Gesundheitsausgaben sinken müssen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze ist gleichen Zeitraum ebenfalls gesunken u.a. als Folge der einkommensabhängigen Sozialversicherungen inkl. GKV.“
Die BIP-Steigerung gibt die volkswirtschaftliche Wohlfahrt an. Wenn die Gesellschaft insgesamt reicher wird, wüsste ich nicht, warum die Gesellschaft auch nicht mehr für die Gesundheit ausgeben sollte (v.a. solange der Anteil hierfür nicht steigt). Immerhin gab es ja auch einen großen medizinischen Fortschritt, der nicht umsonst zu haben war.
Im übrigen hat die Arbeitslosigkeit nichts mit den Lohnnebenkosten zu tun.
Freundliche Grüsse
Christian Holzer
Auch in dem im Eingangsbeitrag beschriebenen Modell ist eine Umverteilung in Form eines „Versicherungsgeldes“ vorgesehen. Dies halte ich in dieser Form für problematisch. Die GKV funktioniert derzeit -zumindest einigermassen – nur noch weil es keinen richtigen Markt im Gesundheitswesen gibt sonder planwirtschaftlich ein bestimmtes Budget verteilt wird. Verwaltet wird es letztlich von den Ärzten die jeweils einen Teil des Budgets an die Patienten verteilen (daher hat heute auch kaum ein Hausarzt Interesse an neuen Patienten weil Leistungen die er für diesen erbringt primär zu Lasten seine Bestandspatienten gehen aber kaum sein Einkommen erhöhen) . Würde das System nun auf eine normalen Dienstleistungsmarkt umgestellt so wird ein großer Teil der Personen welche die Zumutungsgrenze (z.B. 15 % des Einkommens) überschritten haben die sich ergebende Flatrate ausnutzen und damit die Nachfrage gravierend ausweiten. Die Nachfrage würde in einem freien Markt befriedigt werden. Dies führt zu einem Kostenanstieg der durch evtl. Bürokratieeinsparungen nicht annähernd kompensiert wird. Die Gesamtkosten steigen. Um dieser Entwicklung vorzubeugen wären massive Massnahmen zu einem Wertwandel weg von dem grassierenden Gesundheitswahn notwendig. Dies erscheint mir nicht durchsetzbar und solche Manipulationen widersprechen auch einer freien Gesellschaft.
Weiter ist für mich nicht nachvollziehbar warum für die über 40 jährigen bis 2050 Privilegien geschaffen werden sollen. Gerade die Umverteilung zwischen vermögenden Alten (bzw. letztlich auch deren Erben) und nicht vermögenden (wenn auch evtl. nominal relativ einkommensstarken) Jungen ist im derzeitigen System eine der größten Ungerechtigkeiten. Ein Verlagerung dieser Umverteilung auf den allgemeinen Staatshaushalt bzw. Steuer würde die bestehende Ungerechtigkeit zwar etwas abschwächen aber nicht beseitigen.