Gastbeitrag
Industriepolitik
Amerika, du hast es besser?

Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) bieten die USA seit 2022 Unternehmen massive Vergünstigungen, um den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft voranzutreiben. Die EU hat mit eigenen Fördermaßnahmen dagegengehalten, um eine Abwanderung der Industrie zu verhindern. Wir vergleichen die beiden Ansätze.

Amerika, du hast es besser?

Amerika boomt, Europa stagniert. Die USA sind mit der Coronakrise und ihren Nachwirkungen offenbar besser zurechtgekommen als die EU. Zudem wird in den USA mit Macht Industriepolitik betrieben, und Demokraten und Republikaner stehen hinter „Made in America“. Eine umfangreiche Förderung von Investitionen wurde beschlossen. Die Europäer fürchten daher, auch langfristig abgehängt zu werden, zumal sich Presseberichte häufen, dass immer mehr ausländische Unternehmen Produktion in den USA aufbauen wollen. Um dies bewerten zu können, vergleichen wir im Folgenden die industriepolitischen Ansätze der USA und die der EU.

Maßnahmenpakete der Biden-Administration

Bereits die Trump-Administration wollte die US-Industrie wieder groß machen und hat dazu vor allem im Handel mit China auf Zollerhöhungen gesetzt. Die Regierung von Joe Biden hat die Schutzzölle beibehalten und umfangreiche Gesetzesvorhaben durch den Kongress gebracht, die zu verstärkten Investitionen in den USA führen sollen. Damit soll einerseits der umweltfreundliche Umbau der Wirtschaft vorangetrieben werden, auf der anderen Seite gewinnt der sicherheitspolitische Aspekt angesichts der Weltlage und der Rivalität mit China immer mehr an Bedeutung. Die Anfälligkeit der Lieferketten in der Coronakrise und die Probleme, die Rüstungsproduktion hochzufahren, um beispielsweise die Ukraine mit Munition zu versorgen, haben den Amerikanern die Bedeutung einer leistungsfähigen heimischen Industriebasis vor Augen geführt.

Die wichtigsten Gesetze sind:

  • Infrastructure Investment and Jobs Act, IIJA (2021). Dieses Gesetz wurde mit überparteilicher Unterstützung verabschiedet und sieht bis 2031 Ausgaben von 1200 Mrd. Dollar vor. [1] Nicht alles davon sind neue Mittel, teilweise wurden alte Programme fortgeführt. In den ersten fünf Jahren sind neue Ausgaben von 550 Mrd. Dollar vorgesehen. Ein beträchtlicher Teil der Mittel ist für die Sanierung von Straßen und Brücken vorgesehen, rund 70 Mrd. Dollar für die Ertüchtigung der Stromübertragungsnetze, um eine verstärkte Stromerzeugung mittels regenerativer Energien zu ermöglichen.
  • CHIPS and Science Act (2022). Dieses Paket soll vor allem Forschung und Entwicklung sowie deren Kommerzialisierung fördern, wofür rund 200 Mrd. Dollar vorgesehen sind. Man zielt dabei auf Gebiete der Spitzentechnologie, wo die führende Rolle der USA ausgebaut werden soll, gerade auch mit Blick auf Aspekte der nationalen Sicherheit. Besondere Prominenz erlangten die Teile des Gesetzes, die auf den Aufbau von Halbleiterfertigung in den USA abzielen, wofür etwa 70-80 Mrd. Dollar vorgesehen sind (das CBO hat die ursprüngliche Kostenschätzung von gut 50 Mrd. Dollar erhöht). Für Investitionen in Chipfabriken wird unter anderem eine Steuergutschrieft („Tax Credit“) in Höhe von 25% der Investitionssumme gewährt. Nach Angaben des Weißen Hauses wurden im ersten Jahr nach Verabschiedung des CHIPS Act bereits 166 Mrd. Dollar an Investitionen für die Halbleiterfertigung zugesagt. Dies dürfte den allerdings schon vor Verabschiedung des CHIPS-Act zu beobachtenden starken Anstieg der Investitionen in den Industriebau weiter angetrieben haben (Abbildung 1).
  • Inflation Reduction Act, IRA (2022). Das letzte große Paket ist der IRA, der eigentlich unter falschem Etikett segelt, da er vor allem ein umfassendes Klimaschutzprogramm ist. Einer ersten Kostenschätzung des CBO zufolge sind über zehn Jahre Ausgaben von 500 Mrd. Dollar durch den IRA zu erwarten. Allerdings ist die Kostenschätzung seither deutlich gestiegen. [2]

Zur Einordnung der Gesetze: Der aktuellen CBO-Projektion zufolge dürfte die US-Regierung im Zehnjahreszeitraum 2024-2033 knapp 80.000 Mrd. Dollar ausgeben. Grob überschlagen haben die drei Gesetze ein Volumen von 2.000 Mrd. Dollar, entsprechend 2,5% des Haushaltsvolumens. Rechnet man allerdings die Sozialausgaben (vor allem Rente und die bundesstaatliche Krankenversicherung) sowie die Zinsausgaben heraus, bleiben 21.400 Mrd. Dollar an sogenannten diskretionären Ausgaben übrig. Verglichen hiermit haben die drei Pakete ein recht großes Volumen, was deren Bedeutung für die US-Politik widerspiegelt.

IRA: Ein Blick unter die Motorhaube…

Der IRA ist ein Versuch der Reallokation von Ressourcen hin zu Klimazielen. Damit soll das Ziel der Regierung erreicht werden, die Emission von Klimagasen bis 2030 gegenüber dem Stand von 2005 zu halbieren. Der Inflation Reduction Act ist ein sehr komplexes Gesetz mit einer Vielzahl zu fördernden Bereichen. Zudem werden vom Finanzministerium zahlreiche Durchführungsverordnungen veröffentlicht, die der praktischen Umsetzung des Gesetzes dienen.

Das Instrument der Wahl sind Steuergutschriften, also beispielsweise eine Senkung der Verkaufssteuer für Elektroautos. Direkte Subventionen sind der kleinere Teil der Förderung. Wo diese eingesetzt werden, bspw. für die Förderung der möglichst umweltfreundlichen Produktion von Wasserstoff, wird direkt die Produktion subventioniert und nicht die Investition in die Produktionsanlagen. Insgesamt zeigt sich, dass auch beim IRA die Förderung der heimischen Industriebasis eine herausragende Rolle spielt.

Besondere Aufmerksamkeit erhielten die protektionistischen Regeln in der Autoindustrie. Die volle Förderung – ein Steuernachlass von 7500 Dollar beim Kauf – bekommt ein E-Auto nur dann, wenn die Batterie gewisse Mindestschwellen für die heimische Wertschöpfung erfüllt („Local Content Requirement“, LCR). So müssen 2024 60% der Wertschöpfung bei Produktion der Batterie aus US-Quellen stammen sowie 50% bestimmter für die Batterieherstellung wichtiger („kritischer“) Materialien. Diese Anteile steigen in den kommenden Jahren weiter (Tabelle 1).

… und mögliche Probleme

Das Gesetz hat keine Obergrenze für die Ausgaben bzw. Einnahmeausfälle. Der „Topf“ kann also viel größer werden als die veranschlagten 500 Mrd. Dollar, wenn beispielsweise der Absatz förderberechtigter Fahrzeuge höher ist als prognostiziert. Das Joint Committee on Taxation des Kongresses hat die Schätzung für die energiebezogenen Kosten des IRA bis 2032 bereits um 2/3 auf 600 Mrd. Dollar nach oben gesetzt. Die Ausgaben/Steuerausfälle konzentrieren sich vor allem auf die Förderung der Industrie sowie der Energieerzeugung (Abbildung 2).

Unternehmen müssen zahlreiche „sachfremde“ Voraussetzungen erfüllen, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Hierzu zählen Vorschriften im sozialen Bereich, beispielsweise für die zu zahlenden Löhne oder einen Mindestanteil von Lehrlingen. Diese erhöhen die Kosten für die Unternehmen und reduzieren damit die Attraktivität des IRA.

Gerade die Regelungen im Automobilbereich haben bereits für viel Unruhe bei den Handelspartnern der USA gesorgt. Die EU versucht, etwaige Nachteile für europäische Hersteller via Verhandlung abzumildern. Allerdings haben große europäische Hersteller Produktionsstätten in den USA, und viele Importfahrzeuge sind teurer als die im IRA festgelegte Obergrenze für die Förderung (der Kaufpreis muss unter 80 Tsd Dollar für SUVs bzw 55 Tsd Dollar für Pkw liegen). Dies dürfte die Probleme gerade für die deutschen Hersteller mildern.

Die Regelungen des IRA sind ein weiterer Beleg dafür, dass sich die USA nicht in jedem Fall dem Geist und Buchstaben der WTO-Regelungen unterwerfen. Gerade in Bereichen, die die nationale Sicherheit – ein dehnbarer Begriff – tangieren, haben dies US-Vertreter sehr deutlich gemacht.

Die Reaktion der EU

Als Antwort auf den IRA stellte die EU-Kommission am 1. Februar 2023 den „Grünen Industrieplan“ vor mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken und den Übergang zur Klimaneutralität zu beschleunigen. Der Plan zielt darauf ab, ein günstigeres Umfeld zu schaffen für die Ausweitung der Produktion von CO2-neutralen Technologien und Produkten, die zur Erreichung der ehrgeizigen europäischen Klimaziele notwendig sind. Der Plan basiert auf vier Säulen:

  • Planungssichere und einfachere Regelungen: Bei dieser Säule des Plans geht es um einen einfacheren, effektiveren und planungssicheren Rechtsrahmen, der die benötigten Rohstoffe sichert und Haushalten den Zugriff auf günstige erneuerbare Energien gewährleistet. Drei Initiativen sollen diesen Rahmen umsetzen: Das Netto-Null-Industrie-Gesetz legt Ziele für eine klimaneutrale Wirtschaft und einen rasch umsetzbaren Regelungsrahmen fest. Das Gesetz über kritische Rohstoffe soll den Zugang zu Rohstoffen wie seltenen Erden, die für Schlüsseltechnologien benötigt werden, sicherstellen. Außerdem soll eine Reform des Strommarkts erreichen, dass die geringeren Kosten erneuerbarer Energie an die Haushalte weitergegeben werden.
  • Schnellerer Zugang zu Finanzmitteln: Die zweite Säule soll schnellere Investitionen und Finanzierungen im europäischen Cleantech-Sektor bewirken. Hierzu wurden u.a. die Regeln für staatliche Beihilfen gelockert.
  • Ausbau der Kompetenzen: Mehr Kompetenzen und Fachkräfte für die neuen Technologien durch u.a. die Förderung von Weiterbildungs- und Umschulungsprorammen sowie Einwanderung.
  • Offener und fairer Handel: Die Kommission will die Freihandelsabkommen und andere Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Sinne des grünen Wandels weiter ausbauen und dabei den Binnenmarkt weiterhin vor unlauteren Handelspraktiken schützen.

Um den Unternehmen entsprechende Anreize zu bieten, stehen eine Reihe von Fördertöpfen zur Verfügung, zum Beispiel:

  • Horizon Europe: Forschungsrahmenprogramm mit einem Budget von 95,5 Mrd EUR (bis 2027)
  • InvestEU: Das Programm unterstützt nachhaltige Investitionen, Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Fonds soll durch Mittel in Höhe von 26,2 Mrd. EUR mehr als 372 Mrd. EUR an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren.
  • Innovation Fund: Der Innovationsfonds konzentriert sich auf hochinnovative Technologien und Vorzeigeprojekte in Europa, die erhebliche Emissionssenkungen bewirken können. Es geht darum, das Risiko mit den Projektträgern zu teilen und die Aufmerksamkeit auf einzigartige, hochinnovative Projekte zu lenken. Die Gesamtfinanzierung des Innovationsfonds hängt vom Kohlenstoffpreis ab und könnte sich von 2020 bis 2030 auf etwa 40 Mrd. € belaufen, wobei ein Kohlenstoffpreis von 75 €/tCO2 zugrunde gelegt wird.
  • REPowerEU: Dieses Programm soll die Energieversorgung diversifizieren und sichern, Energie einsparen und Investitionen in erneuerbare Energien anregen. Es werden fast 300 Mrd. EUR mobilisiert – etwa 72 Mrd. EUR in Form von Zuschüssen und rund 225 Mrd. EUR in Form von Darlehen.
  • Aufbau- und Resilienzfazilität ARF: Die ARF soll u.a. „Wirtschaft und Gesellschaft im Einklang mit den Prioritäten der EU nachhaltiger und krisenfester machen und sie auf den grünen Wandel und das digitale Zeitalter vorbereiten“. Während die ARF ursprünglich die Pandemiefolgen abfedern sollte, hat sich die Zielsetzung inzwischen mehr dahingehend verschoben, eine Transformation der EU-Wirtschaft zu stützen. Es stehen 723 Mrd. EUR in Preisen von 2022 für Reformen und Projekte zur Verfügung, davon 385 Mrd. EUR an Mitteln in Form von Darlehen und 338 Mrd. Euro an Mitteln in Form von Finanzhilfen.

Vergleich komplexer Regelungen…

Wegen ihrer jeweiligen Besonderheiten lassen sich die beiden Ansätze in den USA und der EU nur schwer vergleichen. Eine umfangreiche Analyse der Bruegel-Denkfabrik kam zu dem Schluss, „die EU hat zwar kein Vorzeigeprogramm für grüne Subventionen wie den IRA, aber sie hat eine Vielzahl von Initiativen auf EU- und nationaler Ebene, die Subventionen für weitgehend ähnliche Zwecke einsetzen.“ Sie kommen ferner zu dem Schluss, dass

„die grünen Subventionen der EU und die erwarteten IRA-Subventionen in etwa gleich hoch sind, außer bei der Erzeugung erneuerbarer Energien, wo die EU-Subventionen weiterhin höher sind. Allerdings gibt es erhebliche qualitative Unterschiede. Einige IRA-Subventionen diskriminieren ausländische Produzenten, während die EU-Subventionen dies nicht tun. Die IRA-Subventionen für saubere Technologien sind einfacher und weniger fragmentiert. Außerdem konzentrieren sie sich hauptsächlich auf die Masseneinführung grüner Technologien, während die Unterstützung auf EU-Ebene eher auf Innovation und neue Technologien ausgerichtet ist.“

Eine andere Studie der Hertie School kommt zu dem Ergebnis,

„in den USA werden Subventionen für umweltfreundliche Hersteller viel schneller und vorhersehbarer bereitgestellt als in der EU. Die meisten EU-Förderprogramme sind projektbezogen und erfordern langwierige Notifizierungs- und Antragsverfahren, was es besonders für kleine und mittlere Unternehmen schwierig macht, Fördermittel zu erhalten. Außerdem konzentrieren sie sich meist auf Investitionsausgaben und helfen bei den für den Aufbau von Produktions- und Forschungskapazitäten erforderlichen Anfangsinvestitionen. Im Gegensatz dazu laufen die neuen US-Subventionen weitgehend über das Steuerrecht und konzentrieren sich auf Betriebsausgaben. Das bedeutet, dass sie direkt verfügbar sind und dazu beitragen, die Produktionskosten für die nächsten zehn Jahre zu senken. Damit senden sie ein direktes Signal an die Hersteller, wie sehr sie von der Verlagerung von Investitionen und Produktion in die USA profitieren können.“

… erlaubt nur ein vorläufiges Fazit

  • Ein großer Unterschied zwischen IRA und EU Green Deal ist, dass in den USA Steuernachlässe winken, während die EU im Wesentlichen mit Zuschüssen arbeitet. Steuernachlässe zahlen sich für Unternehmen, die keine oder kaum Gewinne erwirtschaften, allerdings womöglich nicht aus. Außerdem könnten sie bei Unternehmen verpuffen, die einer Mindestbesteuerung unterliegen.
  • Sowohl in den USA als auch in der EU sind häufig spezielle Bedingungen zu erfüllen, die womöglich mit höheren Kosten verbunden sind. In den USA bedeutet das oft, dass die Löhne ein bestimmtes, sich an den Marktlöhnen orientierendes Niveau (prevailing wage) erreichen müssen und gleichzeitig in einem Mindestumfang Auszubildende beschäftigt werden. In der EU ist oft eine Zusammenarbeit mit Partnern in anderen EU-Ländern notwendig. So ist etwa für einen Antrag auf Mittel des Horizon Europe-Programms im Allgemeinen erforderlich, dass dahinter ein Team aus mindestens drei Partnern aus drei verschiedenen EU-Mitglieds- bzw. Assoziierungsländern steht.
  • In den USA werfen die Wahlen nächstes Jahr Fragen auf hinsichtlich der längerfristigen Berechenbarkeit der Programme und Regeln. Dies gilt jedenfalls für die „grünen“ Teile der Maßnahmen. In der EU ist dagegen eine Kehrtwende der Politik unwahrscheinlich.
  • Sowohl in den USA als auch in der EU werden die Maßnahmen der obersten Ebene ergänzt durch Anreize, die die US-Bundesstaaten bzw. die EU-Mitgliedsländer setzen. Dies gilt etwa für die Beihilfen für den Kauf von Elektroautos.

… und auf jeden Fall gilt: Einfluss der Industriepolitik sollte nicht überschätzt werden

Die „amerikanische Herausforderung“ [3] ist zurück. Die Europäer fürchten wieder einmal, von den USA in wirtschaftlicher Hinsicht abgehängt zu werden. Dem machtvollen industriepolitischen Ansatz der USA wird nachgesagt, die Kluft noch zu vertiefen. Gerade im energiepolitischen Bereich hat der Vorsprung der USA aber wenig mit den in den letzten Jahren beschlossenen teuren Paketen zu tun. Vielmehr steht dahinter ein positiver Angebotsschock im Bereich der fossilen Energien durch die verbesserte Fördertechnik bei Öl und Gas („Fracking“). Rohöl- und Erdgasproduktion haben Rekordstände erreicht, und dieser Höhenflug begann etwa 2011/12 und damit lange vor der Wiederentdeckung der Industriepolitik durch die Regierungen der Präsidenten Trump und Biden (Abbildung 3). Der Förderboom hat in wenigen Jahren das chronische Außenhandelsdefizit bei Öl- und Ölprodukten ausgeglichen und die USA zu einem großen Exporteur von Erdgas gemacht. Dazu kam in den letzten Jahren der geographische Vorteil, dass die USA von Russland durch einen Ozean getrennt sind. Die USA haben den von der russischen Invasion der Ukraine ausgelösten Energieschock nur in sehr abgeschwächter Form abbekommen. Der Preisvorteil bei Erdgas wird den USA zudem erhalten bleiben.

Bei erneuerbaren Energien haben die USA ebenfalls einen Standortvorteil gegenüber Europa: Sie haben viel Platz, viel Wind und viel Sonne. Darauf hat die Industriepolitik wenig Einfluss.

Darüberhinaus hat der Einsatz der US-Industriepolitik ohnehin häufig nicht die Ziele erreicht, wie eine Studie des Peterson Institutes für den Zeitraum 1870 bis 2020 zeigt. Ein Beispiel hierfür ist die umfangreiche Senkung der Unternehmenssteuern im Jahre 2017, die entgegen den Befürchtungen gerade europäischer Politiker keinen massiven Anstieg ausländischer Direktinvestitionen auslöste.

Der Einfluss der Industriepolitik auf die Gesamtwirtschaft sollte daher nicht überschätzt werden. Sehr oft gerät über die Nachrichten, dass einzelne Unternehmen davon profitieren, in Vergessenheit, dass Industriepolitik auch Kosten hat. Schließlich ist ihr Zweck letztlich eine Marktverzerrung, also die Korrektur des Marktergebnisses, wie es ohne Eingriffe zustande gekommen wäre. Die Beweislast, dass dies effizienzfördernd sei, liegt angesichts der Erfahrungen mit derartigen Eingriffen bei den Befürwortern der Industriepolitik.

[1] Kostenabschätzungen für Bundesgesetze werden vom Rechnungshof des Kongresses (Congressional Budget Office, CBO) erstellt. Die Ausgabe- und Einnahmenprojektionen werden dabei jeweils für das laufende Jahr und die zehn Folgejahre vorgenommen.
[2] Im Unterschied zu vielen anderen Vorhaben der Regierung wirkte der IRA den ersten Kostenschätzungen des CBO zufolge defizitreduzierend (den geschätzten 500 Mrd. Dollar an Ausgaben oder Steuerausfällen über 10 Jahre standen ca. 740 Mrd. Dollar an Einnahmeerhöhungen gegenüber, u.a. wegen einer Mindestbesteuerung von Großunternehmen und einer Abgabe auf Aktienrückkäufe).
[3] Jean-Jacques Servan-Schreiber, „Die amerikanische Herausforderung“, 1968. Dieser Bestseller der späten 1960er Jahre diagnostizierte eine technologische Kluft zwischen den USA und Europa und rief die Europäer auf, der US-Hegemonie etwas entgegenzusetzen.

Bernd Weidensteiner und Christoph Balz
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